Amerikas Stromschlag: Der selbstzerstörerische Feldzug gegen das Elektroauto

Illustration: KI-generiert

Die Trump-Administration hat einen beispiellosen Feldzug gegen die Elektromobilität gestartet. Doch der Versuch, eine bereits begonnene industrielle Revolution zurückzudrehen, stürzt die USA in ein tiefes Paradoxon: Er bedroht genau die heimische Industrie, die er zu schützen vorgibt, und droht, das Feld kampflos dem globalen Rivalen China zu überlassen. Eine Analyse eines politischen Manövers mit potenziell verheerenden Kollateralschäden.

Es ist ein Konflikt, der die Grundfesten der amerikanischen Industriepolitik erschüttert. Auf der einen Seite steht eine Automobilindustrie, die dem Ruf der Zukunft gefolgt ist. Giganten wie Ford, General Motors und Stellantis haben, zusammen mit ihren Zulieferern, in den letzten Jahren die schwindelerregende Summe von rund 146 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung und Produktion von Elektrofahrzeugen investiert. Über drei Dutzend Batteriefabriken, das Herzstück der neuen Mobilität, sind im ganzen Land aus dem Boden geschossen, viele davon in republikanisch regierten Bundesstaaten. Es ist eine Wette auf die Zukunft, ein unumkehrbarer strategischer Schwenk, der Arbeitsplätze schaffen und die amerikanische Wettbewerbsfähigkeit in einer globalen Schlüsseltechnologie sichern soll.

Auf der anderen Seite steht eine politische Agenda, die mit brachialer Gewalt versucht, die Uhren zurückzudrehen. Die Regierung unter Präsident Donald J. Trump hat einen umfassenden Angriff auf das gesamte Ökosystem der Elektromobilität gestartet. Es ist ein Krieg an vielen Fronten: Die Streichung von Steuergutschriften für Käufer, das Einfrieren von Bundesmitteln für ein landesweites Ladenetzwerk, die Blockade von Umweltauflagen, die als wichtigster Treiber für den Umstieg galten, und sogar die Einführung neuer, als Strafzölle empfundener Gebühren für E-Auto-Besitzer.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben

Dieser frontale Angriff schafft einen fundamentalen Widerspruch, einen industriepolitischen Grand Canyon zwischen politischem Willen und ökonomischer Realität. Für Unternehmen, die ihre Produktionszyklen und Investitionen auf Zeiträume von Jahrzehnten auslegen, ist dieser abrupte Kurswechsel pures Gift. Die versprochene Stabilität, die Grundlage jeder langfristigen Planung, wird durch eine Welle der Unsicherheit ersetzt, die bereits jetzt erste, tiefe Spuren in der amerikanischen Industrielandschaft hinterlässt.

Kollision auf offener Strecke: Amerikas Autoindustrie im Würgegriff der Politik

Die Ironie der Situation könnte kaum größer sein. Während die Trump-Administration ihren Kurs als Rettungsaktion für die amerikanische Autoindustrie und ihre Arbeiter inszeniert, warnen Analysten und sogar die Konzerne selbst vor den desaströsen Folgen. Die Milliardeninvestitionen wurden im Vertrauen auf einen klaren politischen Rahmen getätigt. Die Streichung von Subventionen und die Lockerung von Effizienzvorgaben ziehen diesem Geschäftsmodell nun den Boden unter den Füßen weg. Projekte geraten ins Stocken, Fabrikneubauten werden überdacht oder ganz gestrichen. Aspen Aerogels, ein Zulieferer für Batteriekomponenten, hat den Bau eines Milliarden-Dollar-Werks in Georgia bereits gestoppt und verlagert die Produktion nach Mexiko und – ausgerechnet – China, weil dort die Nachfrage und die politische Verlässlichkeit größer sind.

Das vielleicht deutlichste Zeichen für die Paradoxie der Lage ist das Verhalten der Autokonzerne selbst. Historisch gesehen haben sie stets gegen strengere Umweltauflagen gekämpft. Doch nun lobbyieren sie hinter den Kulissen der Macht in Washington, um genau diese Regulierungen in ihren Grundzügen zu erhalten. Ihr Argument ist simpel und entlarvend: Ein schwieriger, aber berechenbarer Regulierungsrahmen ist besser als das totale Chaos. Sie fürchten, dass ohne einheitliche Vorgaben ein ruinöser Wettbewerb entsteht, bei dem einige Hersteller den Markt mit billigen, umweltschädlichen Verbrennern fluten, während jene, die massiv in die Zukunftstechnologie investiert haben, auf der Strecke bleiben. Diese Haltung ist kein plötzlicher Anfall von Umweltbewusstsein, sondern eine knallharte Risikobewertung. Die Konzerne haben erkannt, dass die globale Entwicklung unumkehrbar ist und ein Ausstieg aus dem technologischen Wettlauf den Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit bedeuten würde.

Ein Geschenk für Peking: Wie Amerika seine Führungsposition verspielt

Die aktuelle US-Politik spielt direkt in die Hände des größten geopolitischen und wirtschaftlichen Rivalen: China. Während die USA ihre eigene Industrie in ein Labyrinth aus Unsicherheit und widersprüchlichen Signalen schicken, hat China mit einer strategischen, geduldigen und massiv staatlich geförderten Industriepolitik eine globale Vormachtstellung in der Elektromobilität errungen. China produziert bereits über 60 Prozent der weltweiten Elektroautos und kontrolliert bis zu 80 Prozent der globalen Batterieproduktion. Marken wie BYD haben Tesla in den Produktionszahlen überholt und drängen aggressiv auf die Weltmärkte.

Der amerikanische Rückzug droht diesen Vorsprung uneinholbar zu machen. Analysten sind sich einig: Die Schwächung der heimischen Nachfrage und Produktion ist ein „großer Sieg für China“. Die Biden-Administration hatte mit Gesetzen wie dem „Inflation Reduction Act“ versucht, durch massive Subventionen für „Made in America“ eine Gegenbewegung einzuleiten und die Abhängigkeit zu verringern. Die aktuelle Politik torpediert dieses Vorhaben. Sie schafft eine Situation, in der es für US-Hersteller kaum noch wirtschaftliche Gründe gibt, teurere amerikanische Batterien zu verbauen, wenn die Anreize dafür wegfallen. Die Folge ist eine Zementierung der Abhängigkeit, anstatt sie zu lösen. Der Versuch, die USA von China zu entkoppeln, führt paradoxerweise dazu, dass der amerikanische Markt für eine chinesische Dominanz anfälliger wird.

Das Batterie-Dilemma: Gefangen in der eigenen Falle

Im Zentrum dieser Entwicklung steht die Batterie – das Herz und der teuerste Bestandteil eines Elektroautos. Der Aufbau einer robusten, heimischen Batterie-Lieferkette ist das erklärte Ziel, um die nationale Sicherheit zu stärken und die Wertschöpfung im Land zu halten. Doch die Realität ist ernüchternd. Die US-Industrie ist in einer Zwickmühle: Um überhaupt konkurrenzfähige Fahrzeuge bauen zu können, ist sie kurz- bis mittelfristig auf chinesisches Know-how und chinesische Komponenten angewiesen. Ford lizenziert für sein neues Werk in Michigan Technologie vom chinesischen Batteriegiganten CATL – ein Projekt, das nun durch neue Gesetzesvorschläge, die chinesische Technologie von Förderungen ausschließen, massiv bedroht ist.

Gleichzeitig sorgt die verlangsamte Nachfrage und die politische Unsicherheit dafür, dass bereits geplante Investitionen in Milliardenhöhe auf Eis gelegt oder storniert werden. Eine Analyse der Rhodium Group zeichnet das düstere Bild von „gestrandeten Vermögenswerten“: Die USA bauen mehr Batterieproduktionskapazitäten auf, als bei der aktuellen, politisch gedrosselten Nachfrage benötigt werden. Dies könnte dazu führen, dass hochmoderne Fabriken leer stehen, während China den Weltmarkt mit seinen Überkapazitäten flutet. Der Traum von der technologischen Souveränität droht in einer Landschaft halbfertiger Fabriken und geplatzter Investitionen zu enden.

Krieg gegen die Bundesstaaten: Das Ende der föderalen Arbeitsteilung

Die Auseinandersetzung wird nicht nur auf industrieller, sondern auch auf politisch-juristischer Ebene geführt. Ein zentrales Ziel der Trump-Administration ist es, die Macht Kaliforniens zu brechen. Seit über 50 Jahren erlaubt der „Clean Air Act“ dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat, aufgrund seiner besonderen Smog-Probleme strengere Umweltauflagen zu erlassen als die Bundesregierung. Da es für Hersteller unwirtschaftlich ist, verschiedene Automodelle für verschiedene Bundesstaaten zu produzieren, wurde der kalifornische Standard de facto zum nationalen Standard und trieb so Innovationen voran.

Die neue Regierung hat diese Ausnahmeregelung per Kongressbeschluss gekippt – ein beispielloser Vorgang, der die historische Rolle der Bundesstaaten als „Laboratorien der Demokratie“ untergräbt. Parallel dazu wurden Bundesmittel für den Aufbau staatlicher Ladeinfrastrukturprogramme eingefroren. Kalifornien und mehr als ein Dutzend anderer Bundesstaaten wehren sich juristisch gegen diesen Eingriff in ihre Rechte. Dieser Kampf ist mehr als nur ein Streit um Autoabgase; es ist ein fundamentaler Konflikt um die Balance der Macht im amerikanischen Föderalismus und die Frage, wer die Agenda für technologischen und ökologischen Fortschritt setzen darf.

Vom Statussymbol zum Feindbild: Der Kulturkampf ums Auto

Die politische Auseinandersetzung hat längst die Ebene der reinen Sachpolitik verlassen und ist zu einem erbitterten Kulturkampf eskaliert. Das Elektroauto wurde zu einem Symbol der Polarisierung. Für die eine Seite ist es ein Zeichen für Fortschritt, Umweltbewusstsein und technologische Innovation. Für die andere Seite wurde es zum „Biden-Mobil“, zu einem Inbegriff liberaler Eliten, die dem „normalen Amerikaner“ die Freiheit nehmen wollen, das Auto seiner Wahl zu fahren – vorzugsweise einen PS-starken Verbrenner.

Diese Polarisierung wird durch die politische Führung gezielt befeuert. Umfragen zeigen eine tiefe Kluft: Während eine Mehrheit der Demokraten den Kauf eines E-Autos in Betracht zieht, lehnt eine überwältigende Mehrheit der Republikaner dies kategorisch ab. Neue, pauschale Gebühren für E-Autos, die in vielen Bundesstaaten eingeführt werden und oft höher sind als die durchschnittlich gezahlten Benzinsteuern, verstärken das Gefühl, für eine politische Entscheidung bestraft zu werden. Die Verunsicherung der Konsumenten, verstärkt durch eine abnehmende Bereitschaft, in die öffentliche Ladeinfrastruktur zu investieren, führt zu einem messbaren Rückgang des Interesses am E-Autokauf. Das Auto, einst ein Symbol für individuelle Freiheit, wird so zum Schlachtfeld für politische Identitäten.

Die inneren Widersprüche der Macht

Die offizielle Parteilinie der Republikaner ist klar: Subventionen für grüne Technologien sind „verschwenderisch“ und müssen gestrichen werden. Doch hinter den Kulissen offenbaren sich tiefe Widersprüche. Die Milliardeninvestitionen in neue Fabriken haben vor allem in republikanisch geprägten Bundesstaaten im Süden und Mittleren Westen tausende gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen. Dies bringt lokale Abgeordnete in eine Zwickmühle. So appellierte die republikanische Kongressabgeordnete Nancy Mace aus South Carolina privat an die Trump-Regierung, Fördergelder für ein Mercedes-Benz-Werk in ihrem Wahlkreis freizugeben, das auf die Produktion von Elektro-Vans umstellen will. Ihr Argument: Man müsse die Jobs und das wirtschaftliche Wachstum in der Heimat schützen. Dieses Beispiel ist kein Einzelfall und entlarvt die Spannung zwischen ideologischer Haltung und den handfesten ökonomischen Interessen vor Ort. Es zeigt, dass der Feldzug gegen die Elektromobilität auch innerhalb der eigenen Reihen schmerzhafte Kollateralschäden verursacht.

Déjà-vu: Lehren aus einem vergessenen Scheitern

Die aktuelle Situation weckt unheimliche Echos aus einer längst vergangenen Zeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Elektroautos bereits einmal populär und machten zeitweise ein Drittel der Taxis in New York aus. Doch sie verschwanden wieder – und die Gründe für ihren damaligen Niedergang ähneln den heutigen Herausforderungen auf verblüffende Weise. Damals wie heute waren eine lückenhafte Ladeinfrastruktur und ein höherer Anschaffungspreis ein zentrales Hemmnis. Damals wie heute spielte die Politik eine entscheidende Rolle: Massive Steuererleichterungen für die Ölindustrie in den 1920er Jahren gaben dem Verbrennungsmotor einen entscheidenden, politisch gewollten Vorteil. Und damals wie heute wurden kulturelle Vorstellungen zur Waffe. Frühe E-Autos galten als leise, sauber und einfach zu bedienen und wurden gezielt als „feminin“ vermarktet – während der laute, schmutzige und explosionsgetriebene Verbrenner als Inbegriff der Männlichkeit galt. Die heutige Rhetorik, die E-Autos als Versuch darstellt, „die Art, wie wir fahren, zu entmannen“, knüpft nahtlos an diese über ein Jahrhundert alte Stereotypisierung an. Die Geschichte zeigt, dass der Erfolg einer Technologie nie nur von ihrer technischen Überlegenheit abhängt, sondern immer auch ein Produkt politischer und kultureller Kräfte ist.

Eine unaufhaltsame Kraft trifft auf ein bewegliches Hindernis

Trotz dieses massiven politischen Gegenwinds argumentieren viele Experten, dass die langfristige Transition zur Elektromobilität zwar verlangsamt, aber nicht aufgehalten werden kann. Mehrere Faktoren stützen diese These. Erstens fallen die Kosten für Batterien, den teuersten Bestandteil, rapide. Analysten gehen davon aus, dass E-Autos bis Ende des Jahrzehnts in der Anschaffung genauso teuer oder sogar günstiger sein werden als vergleichbare Verbrenner. Zweitens schreitet die technologische Entwicklung unaufhaltsam voran: Reichweiten erhöhen sich, Ladezeiten verkürzen sich.

Drittens, und das ist vielleicht der entscheidendste Punkt, ist der globale Markt bereits zu weit fortgeschritten. Amerikanische Konzerne können es sich schlicht nicht leisten, den Anschluss an Europa und vor allem China zu verlieren, wenn sie langfristig überleben wollen. Die Milliarden sind investiert, die Fabriken sind im Bau. Ein kompletter Rückzug ist keine realistische Option mehr. Die aktuelle politische Phase in den USA ist somit weniger ein unüberwindbares Hindernis als vielmehr ein schmerzhafter, kostspieliger und potenziell imageschädigender Umweg. Die Frage ist nicht mehr, ob die elektrische Zukunft kommt, sondern wie viele amerikanische Arbeitsplätze, wie viel heimische Wertschöpfung und wie viel technologische Führungsposition auf diesem holprigen, politisch verminten Weg geopfert werden. Die USA riskieren, am Ende zwar im Zeitalter der Elektromobilität anzukommen – aber als Passagier in einem Auto, das anderswo entworfen und gebaut wurde.

Nach oben scrollen