Amerikas schwindender Glanz: Die Zeche der politischen Blockade

Illustration: KI-generiert

Die jüngste Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch Moody’s ist mehr als nur eine Fußnote in den Wirtschaftsnachrichten. Nachdem Standard & Poor’s bereits 2011 und Fitch 2023 den Vereinigten Staaten ihre Top-Bonitätsnoten entzogen hatten, hat nun auch die letzte große Ratingagentur diesen Schritt vollzogen. Diese Entscheidungen sind keine plötzlichen Schocks, sondern das Ergebnis einer sich seit Jahren verfestigenden Entwicklung: einer tiefgreifenden fiskalischen Schieflage, genährt durch politische Unfähigkeit oder Unwilligkeit, nachhaltige Lösungen zu finden. Die außergewöhnliche Wirtschaftskraft Amerikas vermag die Risse im Fundament immer weniger zu kaschieren.

Die Anatomie einer vorhersehbaren Herabstufung

Die Begründungen der Ratingagenturen ähneln sich auf beunruhigende Weise. Im Kern stehen explodierende Staatsschulden, massive Haushaltsdefizite und stetig steigende Zinskosten für die Bedienung dieser Schuldenlast. Moody’s prognostiziert eine weitere Verschlechterung der Finanzlage im Vergleich zu anderen hochbewerteten Staaten und sieht die Gefahr, dass die wirtschaftlichen Stärken der USA die negativen fiskalischen Kennzahlen nicht mehr ausgleichen können. Konkret wird erwartet, dass die Schuldenquote des Bundes bis 2035 auf rund 134 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen könnte, verglichen mit 98 Prozent im Jahr 2024.

Dieser Befund ist keine Überraschung. Schon seit Langem kritisieren Beobachter, dass aufeinanderfolgende US-Regierungen und Kongresse – Demokraten wie Republikaner – es versäumt haben, sich auf wirksame Maßnahmen zur Trendumkehr bei Defiziten und Zinskosten zu einigen. Die nunmehr dritte Herabstufung unterstreicht einen besorgniserregenden Langzeittrend: die politische Lähmung Washingtons, wenn es um unpopuläre, aber notwendige finanzpolitische Weichenstellungen geht, insbesondere bei Dauerbrennern wie den steigenden Kosten für Sozialprogramme wie Social Security und Medicare.

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Mehr als nur Symbolik? Reale Kosten und das parteipolitische Rauschen

Auch wenn die US-Wirtschaft weiterhin von ihrer Größe, Widerstandsfähigkeit und der globalen Rolle des Dollars profitiert, wie auch Moody’s anerkennt, sind die potenziellen Konsequenzen der Herabstufungen nicht zu unterschätzen. Niedrigere Ratings können die Kreditaufnahme für den Staat verteuern, was letztlich auch die Zinskosten für Unternehmen und Verbraucher in die Höhe treiben könnte. Erste Reaktionen an der Wall Street mit nachbörslich fallenden Aktienkursen deuten eine gewisse Nervosität an. Vermögensverwalter könnten die Herabstufung zum Anlass für Gewinnmitnahmen nehmen.

Die Reaktionen aus der Politik offenbaren indes ein altbekanntes Muster. Das Weiße Haus unter Präsident Trump wies die Entscheidung von Moody’s scharf als politisch motiviert zurück und griff den Chefökonomen der Agentur persönlich an. Gleichzeitig schieben sich Republikaner und Demokraten gegenseitig die Verantwortung für die Misere zu. Während die einen die Ausgabenpolitik und „Bidens Chaos“ geißeln, verweisen die anderen auf die kostspieligen Steuersenkungsprogramme der Republikaner. Dieses parteipolitische Gezänk überdeckt die eigentliche Herausforderung: die Notwendigkeit einer überparteilichen Kraftanstrengung zur Sanierung der Staatsfinanzen. Solange die Schuldzuweisungen die Bereitschaft zur Kooperation ersetzen, bleiben substanzielle Reformen unwahrscheinlich.

Fiskalische Zerreißprobe: Steuergeschenke und die Last der Schulden

Die aktuelle Debatte um die Verlängerung der unter Trump 2017 beschlossenen Steuerkürzungen illustriert das Dilemma. Experten schätzen, dass diese Pläne die US-Schulden über ein Jahrzehnt um mehr als fünf Billionen Dollar erhöhen könnten. Selbst innerhalb der Republikanischen Partei gibt es Widerstand gegen diese Pläne, die im Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses zunächst scheiterten. Moody’s verwies explizit auf die Unsicherheit bezüglich solcher kostspieliger Steuergeschenke und fehlender substanzieller Kürzungen bei den Pflichtausgaben.

Dass fiskalische Fehlentwicklungen nicht nur ein Problem der Bundesebene sind, zeigt das Beispiel Maryland. Auch dieser Bundesstaat sah sich mit einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit durch Moody’s konfrontiert. Während die dortigen Demokraten die Schuld bei Trumps Kürzungen im Bundeshaushalt sehen, machen die Republikaner die Ausgabenpolitik der Demokraten in Annapolis verantwortlich – ein Spiegelbild der nationalen Debatte. Es verdeutlicht, wie eng nationale und regionale Wirtschaftspolitik verwoben sind und wie Kürzungen auf Bundesebene regionale Haushalte unter Druck setzen können.

Die wiederholten Herabstufungen der US-Kreditwürdigkeit sind mehr als nur technische Anpassungen von Ratingagenturen. Sie sind ein Alarmsignal, dass die größte Volkswirtschaft der Welt Gefahr läuft, ihre finanzielle Glaubwürdigkeit durch politische Dauerblockaden und fiskalische Sorglosigkeit zu verspielen. Die „außergewöhnlichen Stärken“ der USA bieten keinen ewigen Freifahrtschein. Ohne eine Rückkehr zu finanzpolitischer Vernunft und Kompromissbereitschaft droht eine schleichende Erosion des Fundaments, auf dem Amerikas Wohlstand und globale Stellung ruhen. Die Warnung des Committee for a Responsible Federal Budget vor einem „amerikanischen Truss-Moment“ – in Anlehnung an die kurze, von Finanzmarktturbulenzen geprägte Amtszeit der britischen Premierministerin – sollte in Washington ernster genommen werden, als es die aktuellen politischen Reflexe vermuten lassen.

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