Abschiebung ins Nichts: Wie die Trump-Regierung mit Rückendeckung des Supreme Court das Asylrecht aushebelt

Illustration: KI-generiert

Ein internes Memo der US-Einwanderungsbehörde ICE enthüllt eine dramatische und folgenschwere Neuausrichtung der amerikanischen Abschiebepolitik. Gestützt auf eine umstrittene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, demontiert die Regierung systematisch rechtliche Schutzmechanismen und schafft die Grundlage, Migranten im Schnellverfahren in Drittländer abzuschieben, in denen sie weder Bürger sind noch irgendeine Sicherheit vor Verfolgung haben. Diese Politik schafft einen Zustand der permanenten Ungewissheit für Tausende und droht, die USA von fundamentalen menschenrechtlichen Standards abzukoppeln. Es ist die Legalisierung einer Praxis, die Kritiker als unmenschlich und gefährlich verurteilen.

Sechs Stunden bis zur Abschiebung: Ein Verfahren ohne Sicherheitsnetz

Den Kern der neuen Direktive, die der amtierende ICE-Direktor Todd M. Lyons in einem internen Schreiben an seine Belegschaft kommunizierte, bildet die Ermächtigung, Abschiebungen in sogenannte „alternative“ Länder „unverzüglich“ durchzuführen. Möglich wurde dies durch eine Entscheidung des konservativ dominierten Supreme Court vom Juni, der in einem kurzen, nicht begründeten Beschluss eine einstweilige Verfügung eines untergeordneten Gerichts aussetzte und damit den Weg für die neue Praxis freimachte. Die drei liberalen Richterinnen warnten in einer scharfen abweichenden Meinung, dass in „Angelegenheiten von Leben und Tod“ mit Vorsicht vorgegangen werden müsse – ein Appell, den die Regierung offenkundig ignoriert.

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Das Memo zeichnet ein Verfahren, das Rechtsschutz auf ein Minimum reduziert. Migranten, die in ein Land ohne „diplomatische Zusicherungen“ für ihre Sicherheit geschickt werden sollen, erhalten eine Vorwarnzeit von nur 24 Stunden. In als „dringend“ eingestuften Fällen schrumpft diese Frist auf gerade einmal sechs Stunden. Zwar soll in diesen Extremsituationen die Möglichkeit eines Anwaltsgesprächs gegeben sein, doch Anwälte halten diesen Zeitrahmen für völlig unzureichend, um die Gefahrenlage in einem oft unbekannten Land seriös zu prüfen und rechtlich anzufechten. Noch drastischer ist die Lage bei Abschiebungen in Länder, deren Sicherheitszusagen das US-Außenministerium als „glaubwürdig“ einstuft: Hier kann die Abschiebung ohne jede Vorwarnung erfolgen.

Rechtliche Schutzwälle eingerissen: Ein System im Widerspruch zu sich selbst

Diese Vorgehensweise steht in fundamentalem Widerspruch zu früheren richterlichen Anordnungen. So hatte Bundesrichter Brian Murphy der Regierung zuvor untersagt, Menschen ohne eine „sinnvolle“ Möglichkeit zur Anfechtung abzuschieben. Er forderte explizit eine Frist von mindestens zehn Tagen sowie Zugang zu Rechtsbeistand – Schutzmaßnahmen, die durch die neue ICE-Anweisung nun ausgehebelt werden. Anwälte und Menschenrechtsorganisationen wie die National Immigration Litigation Alliance sehen darin einen klaren Verstoß gegen Bundesgesetze und die von den USA 1994 ratifizierte UN-Konvention gegen Folter, die es verbietet, Menschen in Länder auszuliefern, in denen ihnen Folter droht.

Von der neuen Regelung sind potenziell „Tausende über Tausende“ von Menschen betroffen, die sich bislang in Sicherheit wähnten. Dazu zählen insbesondere Migranten mit rechtskräftigen Abschiebungsanordnungen, die bisher nicht vollstreckt werden konnten, weil ein Richter eine konkrete Gefährdung in ihrem Heimatland festgestellt hatte. Ebenso im Visier sind Personen aus Ländern wie China oder Kuba, die aufgrund schlechter diplomatischer Beziehungen nur selten Abgeschobene zurücknehmen. Für sie alle öffnet sich nun eine Falltür in eine ungewisse Zukunft, in einem Land ohne familiäre oder sprachliche Anknüpfungspunkte. Die Entschlossenheit der Behörden, diese Politik durchzusetzen, zeigt der Fall des Salvadorianers Kilmar Abrego García: Obwohl der Supreme Court seine Rückführung in die USA nach einer illegalen Abschiebung angeordnet hatte, droht ihm nun die Abschiebung in ein Drittland.

Die neue Direktive ist mehr als nur eine administrative Verschärfung; sie fügt sich nahtlos in eine Gesamtstrategie der Trump-Regierung ein, die zunehmend auch nicht-kriminelle Migranten ins Visier nimmt. Mit der Rückendeckung des höchsten Gerichts wird ein System etabliert, das Effizienz über Menschenrechte stellt und den Rechtsstaat für eine der verletzlichsten Gruppen der Gesellschaft gezielt untergräbt.

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