
Es war eine Woche, in der die Geschichte nicht nur geschrieben, sondern mit dem Vorschlaghammer in den Stein der Weltordnung gemeißelt wurde. Wer in den ersten Dezembertagen des Jahres 2025 auf die globale Bühne blickte, sah kein sanftes Gleiten in die vorweihnachtliche Ruhe, sondern die brutale Beschleunigung einer neuen, kühlen Realität. Die tektonischen Verschiebungen, die sich über Monate angedeutet hatten, brachen nun offen auf – in den Konferenzräumen von Florida, in den blutigen Gewässern der Karibik und in den Vorstandsetagen von Hollywood. Wir erleben einen Moment der totalen Neuvermessung: Die Vereinigten Staaten ziehen sich nicht nur auf sich selbst zurück, sie definieren ihre Beziehungen zum Rest der Welt, zu ihren Verbündeten und zu ihren eigenen Bürgern radikal um. Von der Aushöhlung des Völkerrechts durch eine „Kriegerkultur“ im Pentagon bis zum Ausverkauf der Ukraine in einem Golfclub in Miami zieht sich ein roter Faden der Transaktionslogik und des Autoritarismus durch die Ereignisse dieser Woche. Der Westen, wie wir ihn seit 1945 kannten, zerbricht nicht leise; er zerbricht unter dem Lärm von Raketeneinschlägen, juristischen Drohgebärden und dem Klirren von Sektgläsern einer Elite, die sich längst von der Realität der Masse entkoppelt hat.
Der Abschied vom Partner: Die „Trump-Doktrin“ und das Ende des atlantischen Bundes
Der vielleicht folgenreichste Vorgang dieser Woche vollzog sich fast lautlos in einem Dokument, das das Weiße Haus veröffentlichte. Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA ist nichts weniger als der Totenschein für das transatlantische Bündnis in seiner gewohnten Form. Was in diplomatischen Zirkeln über Jahrzehnte als unerschütterliches Fundament galt, wird nun als Ballast abgeworfen. Die Strategie markiert den Übergang der USA von einer Schutzmacht zu einem aggressiven Akteur, der entschlossen ist, die politische DNA seiner Partner neu zu programmieren. Die USA betrachten Europa nicht mehr als Festung der Demokratie, sondern als warnendes Beispiel für einen Kontinent, der kurz vor seiner „zivilisatorischen Auslöschung“ steht.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Besonders verstörend für europäische Beobachter ist der Tonfall des 33-seitigen Papiers, der eher an radikale Internetforen erinnert als an Staatskunst. Das Dokument greift unverhohlen die Rhetorik der „Great Replacement Theory“ auf und warnt davor, dass in bestimmten NATO-Staaten bald eine Mehrheit von nicht-europäischen Menschen leben werde. Europa wird in Washington nicht mehr als Partner auf Augenhöhe betrachtet, sondern als Patient, der an einer tödlichen demografischen Krankheit leidet. Das erklärte Ziel der US-Politik ist es nun, Europa „europäisch zu erhalten“ – eine völkisch konnotierte Formulierung, die kaum Spielraum für Interpretationen lässt.
Dies ist der ideologische Unterbau für eine neue geopolitische Realität, die als „Trump-Zusatz“ zur Monroe-Doktrin bezeichnet wird: Der Rückzug auf die westliche Hemisphäre und die Aufgabe der globalen Ordnungshüterrolle. Doch es ist kein isolationistischer Rückzug in die Stille. Washington kündigt an, aktiv in die innenpolitischen Prozesse souveräner europäischer Staaten einzugreifen und den „Widerstand“ gegen den liberalen Kurs zu kultivieren. Parteien wie die AfD oder Reform UK werden dabei nicht als Gefahr, sondern als Hoffnungsträger und natürliche Verbündete der neuen US-Administration betrachtet. Für die Bundesregierung in Berlin gleicht dies einem diplomatischen Albtraum, da der wichtigste Verbündete nun offen als Schutzpatron der radikalen Opposition agiert. Die Ära der westlichen Wertegemeinschaft ist faktisch beendet; an ihre Stelle tritt eine transaktionale Beziehung, in der Schutz nur noch gegen ökonomische Unterwerfung und ideologische Anpassung gewährt wird.
Florida, Kiew und der zynische Preis des Friedens
Während Washington die ideologischen Brücken nach Europa abbricht, wird in Florida über das physische Schicksal des Kontinents verhandelt. Die Diskrepanz könnte kaum grotesker sein: Während in Kiew russische Drohnenschwärme den Himmel verdunkeln und Menschen in U-Bahn-Schächten kauern, wird im luxuriösen Shell Bay Golf Club im Norden von Miami Weltgeschichte als Geschäftsvorgang abgewickelt. Eine ukrainische Delegation traf dort auf Vertreter der Trump-Administration, um über einen Frieden zu verhandeln, dessen Eckpunkte bereits als Diktat auf dem Tisch liegen.
Der sogenannte 28-Punkte-Plan, der die Grundlage der Gespräche bildet, liest sich wie eine Kapitulationsurkunde auf Raten. Er sieht vor, dass die Ukraine große Teile ihres Territoriums – darunter die Krim und den Donbass – an Russland abtritt, ihre Streitkräfte begrenzt und dauerhaft auf einen NATO-Beitritt verzichtet. Im Gegenzug erhält Kiew nur vage Sicherheitsgarantien, deren Wert angesichts der amerikanischen Rückzugstendenzen mehr als fragwürdig ist. Präsident Trump selbst betrachtet den Krieg offenbar primär als „Deal“, den es abzuschließen gilt, um sich profitableren Unternehmungen zuzuwenden.

USA Politik Leicht Gemacht: Politik in den USA – einfach erklärt.
Die ukrainische Verhandlungsposition ist dabei so schwach wie nie zuvor. Nicht nur die militärische Lage im Donbass, wo das logistische Nadelöhr Pokrowsk kurz vor dem Fall steht und russische Truppen bereits 70 Prozent des Gebiets kontrollieren sollen, setzt Kiew unter Druck. Auch innenpolitisch hat sich die Ukraine selbst geschwächt. Ausgerechnet in dieser entscheidenden Woche musste Andrij Jermak, der mächtige Stabschef und engste Vertraute Selenskyjs, über einen massiven Korruptionsskandal stolpern. Die Ermittlungen rund um ein Schmiergeldsystem beim staatlichen Atomkonzern Energoatom im Umfang von fast 90 Millionen Euro haben eine Lücke gerissen, die der neue Chefunterhändler Rustem Umerow kaum füllen kann. Diese systematische Sabotage der Kontrolle ist Wasser auf die Mühlen jener Kräfte im Westen, die die Ukraine längst als „Fass ohne Boden“ betrachten.
Besonders pikant ist die Besetzung der US-Delegation in Florida. Mit Steve Witkoff und Jared Kushner sitzen dort Männer am Tisch, deren Hintergrund im Immobilien- und Finanzgeschäft liegt und die parallel über wirtschaftliche Kooperationen mit Russland in der Arktis und sogar im Weltraum verhandeln sollen. Der Verdacht steht im Raum, dass der Friedensvertrag für die Ukraine lediglich das Vehikel ist, um lukrative Geschäfte zwischen amerikanischen und russischen Oligarchen politisch möglich zu machen. Währenddessen schaut Europa paralysiert zu. Der Plan, eingefrorene russische Vermögenswerte als „finanzielle Bazooka“ für die Ukraine zu nutzen, wird ausgerechnet von Belgien blockiert, was die EU handlungsunfähig macht und Kiew weiter in die Abhängigkeit des US-Diktats treibt.
Die Karibik-Strategie: Wenn der Rechtsstaat im Meer versenkt wird
Noch düsterer als die diplomatischen Hinterzimmer gestaltet sich das Bild, das in dieser Woche aus dem Pentagon an die Öffentlichkeit drang. Unter Verteidigungsminister Pete Hegseth scheint sich die US-Armee von den Fesseln des Völkerrechts zu lösen. Im Zentrum steht ein Vorfall vom 2. September in der Karibik, der das Potenzial hat, das moralische Fundament der westlichen Militärmacht dauerhaft zu erschüttern. Bei einem Angriff auf ein mutmaßliches Drogenschmugglerboot wurden Überlebende, die sich schiffbrüchig an Wrackteile klammerten, durch einen zweiten Raketenschlag – einen sogenannten „Double Tap“ – gezielt getötet.
Quellen aus dem Inneren des Apparats berichten von einer verbalen Anweisung Hegseths, die so eindeutig wie brutal war: „Tötet alle“. Es sollte keine Gefangenen geben. Um diesen Vorwurf des Kriegsverbrechens zu entkräften, bedient sich die Administration einer juristischen Alchemie: Durch ein geheimes Memo werden Drogenkartelle als terroristische Organisationen und der Kampf gegen sie als „nicht-internationaler bewaffneter Konflikt“ definiert. Damit werden Zivilisten zu legitimen militärischen Zielen, sogenannten „Narkoterroristen“, umgedeutet. Doch selbst unter Kriegsrecht ist die Tötung von Schiffbrüchigen („hors de combat“) streng verboten.
Die Verteidigungslinie der Regierung stützt sich auf den „Nebel des Krieges“. Hegseth behauptet, er habe aufgrund von Rauch und Feuer keine Überlebenden sehen können, obwohl er den ersten Schlag live verfolgte. Gleichzeitig verweigert das Pentagon die Herausgabe von Videoaufnahmen, die Klarheit schaffen könnten. Die internen Erschütterungen sind gewaltig: Admiral Alvin Holsey, Chef des Southern Command, bot aus Sorge über die Legalität dieser Schläge seinen Rücktritt an. International zieht Großbritannien bereits Konsequenzen und hat den Austausch von Geheimdienstinformationen für die Region gestoppt, um sich nicht mitschuldig zu machen. Es droht eine „Moral Injury“ der Truppe, die zum bloßen Vollstrecker illegaler Befehle degradiert wird.
Der Feind im Inneren: Autoritarismus und die Kriminalisierung der Presse
Die Erosion demokratischer Normen beschränkt sich jedoch nicht auf Auslandseinsätze. Auch im Inneren der USA zeichnet sich ein Umbau des Staates ab, der die Gewaltenteilung fundamental infrage stellt. Während Präsident Trump im Kabinettsraum oft erschöpft wirkt und ihm bei Elogen seiner Minister die Augen zufallen, treiben die Architekten seiner Macht im Hintergrund die Maschinerie des autoritären Umbaus voran. Das Ziel ist die Schaffung einer „Architektur der Permanenz“: Durch aggressives Gerrymandering und die Manipulation der Wahlinfrastruktur soll eine Niederlage der Republikaner bei den Zwischenwahlen 2026 rechnerisch unmöglich gemacht werden.
Ein zentraler Baustein dieser Strategie ist die Ausschaltung kritischer Öffentlichkeit. Das Pentagon hat unter Pete Hegseth neue Zugangsregeln erlassen, die investigativen Journalismus faktisch kriminalisieren. Reporter müssen sich schriftlich verpflichten, keine Informationen zu beschaffen, die nicht ausdrücklich freigegeben wurden. Der Begriff der „Solicitation“ wird dabei so weit gefasst, dass schon das Stellen einer Frage als Vertragsbruch gewertet werden kann. Dies kommt einem Berufsverbot für kritische Geister gleich. Die großen Medienhäuser wie CNN und die Washington Post haben das Pentagon verlassen; die New York Times zieht nun vor Gericht, um gegen diese „zügellose Ermessensfreiheit“ zu klagen. Das Vakuum im Presseraum füllt sich derweil mit Vertretern rechter Plattformen wie Gateway Pundit, die die Briefings zur Bühne der Selbstbestätigung machen.
Die gespaltene Ökonomie: K-Kurve und die Arroganz der Leugnung
Innenpolitisch stehen die USA vor einer bizarren wirtschaftlichen Realität, die als „K-förmige Erholung“ bezeichnet wird und das Land in zwei Geschwindigkeiten zerreißt. Während der obere Arm des K – Aktionäre, KI-Investoren und Immobilienbesitzer – goldene Zeiten erlebt und 40 Prozent der Konsumenten zwei Drittel des Konsums bestreiten, weist der untere Arm gnadenlos abwärts. Die Inflation, die trotz politischer Versprechen hartnäckig bei 3 Prozent liegt, frisst die Einkommen der unteren und mittleren Schichten auf. Discounter wie Dollar General verzeichnen Rekordgewinne, weil Menschen gezwungen sind, jeden Cent umzudrehen, und Kreditkartenschulden haben mit 1,23 Billionen Dollar historische Höchststände erreicht.
Die politische Antwort der Regierung darauf gleicht einer Realitätsverweigerung. Präsident Trump bezeichnet die Bezahlbarkeitskrise als „Hoax“, als Schwindel der Demokraten, obwohl er gleichzeitig in Pennsylvania den Kampf gegen eben jene Inflation inszeniert, deren Existenz er leugnet. Die aggressive Zollpolitik, die die durchschnittlichen US-Zölle auf den höchsten Wert seit den 1930er Jahren getrieben hat, importiert Inflation, statt die versprochene Renaissance der Fabriken einzuleiten – die verarbeitende Industrie schrumpft seit neun Monaten. Es entsteht eine Ökonomie der zwei Klassen, in der Sicherheit und Wohlstand zunehmend privatisiert werden und der soziale Kontrakt im Supermarkt an der Kasse endet.
Gleichzeitig werden die Folgen des Klimawandels zu einer ökonomischen Katastrophe, die ganze Regionen in „tote Zonen“ verwandelt. In Kalifornien und Florida ziehen sich Versicherer zurück, Hypothekenmärkte kollabieren und hinterlassen „Service Deserts“, in denen staatliche Dienstleistungen eingestellt werden. Währenddessen treibt die „Klimagentrifizierung“ in Miami die Preise in höher gelegenen Armenvierteln wie Liberty City nach oben, da Sicherheit vor der Flut zur Ware wird, die sich nur Reiche leisten können.
Der digitale Grabenkampf und der König von Hollywood
Während in den USA die Pressefreiheit unter Druck gerät, versucht Europa, seine digitale Souveränität gegen den Einfluss der Tech-Oligarchen zu verteidigen. Die Verhängung der ersten Geldbuße unter dem Digital Services Act (DSA) gegen Elon Musks Plattform X in Höhe von 120 Millionen Euro markiert eine neue Eskalationsstufe. Brüssel sanktioniert X unter anderem für die Irreführung der Nutzer durch das „Blaue Haken“-System, das von einem Vertrauenssiegel zu einer käuflichen Ware degradiert wurde.
Doch der Konflikt geht weit über Verbraucherschutz hinaus. Die Reaktion aus dem Umfeld der kommenden US-Regierung gleicht einer Kriegserklärung. Der designierte Vizepräsident J.D. Vance deutet die Regulierung als Bestrafung dafür, dass X „keine Zensur betreibe“, und Musk selbst fordert die Abschaffung der EU. Es ist der erste offene Schlagabtausch in einem geopolitischen Konflikt um die Deutungshoheit über Wahrheit und Transparenz.
Parallel dazu vollzieht sich in der Unterhaltungsindustrie eine historische Machtverschiebung. Netflix krönt sich zum unangefochtenen König von Hollywood, indem es das Film- und Streaming-Geschäft von Warner Bros. Discovery für rund 83 Milliarden Dollar übernimmt. Der Algorithmus-Gigant kauft sich damit das kulturelle Gedächtnis von Harry Potter bis Batman und beendet das organische Dogma der Eigenproduktion. Es ist der Sieg der Plattformökonomie über die Tradition der Traumfabrik, der jedoch politisch brisant ist: Konkurrent Paramount, politisch eng mit Trump verbunden, versucht den Deal mit kartellrechtlichen Argumenten zu torpedieren.
Brot und Spiele: Trump, die FIFA und der Kostümball über den Wolken
Zum Abschluss der Woche noch ein Blick auf die Inszenierung der Macht, die zunehmend groteske Züge annimmt. Der Weltfußballverband FIFA hat seine politische Neutralität endgültig aufgegeben. Die WM-Auslosung 2026 wurde auf Wunsch von Donald Trump von Las Vegas ins Kennedy Center nach Washington verlegt, wo der Präsident mit einem eigens erfundenen „FIFA Peace Prize“ geehrt wird. Gianni Infantino und Trump zelebrieren eine „Männerfreundschaft“, die den Fußball zum Requisit der Macht degradiert. Während Infantino von Einheit spricht, verschärft die US-Regierung die Einreiseregeln, sodass Fans aus Ländern wie dem Iran faktisch ausgeschlossen werden.
Eine ähnlich absurde Note schlägt US-Verkehrsminister Sean Duffy an. Er hat eine Kampagne gestartet, um das „Goldene Zeitalter“ des Reisens zurückzubringen. Seine Lösung für die zunehmende Aggression an Bord von Flugzeugen: Die Passagiere sollen sich besser kleiden. Pyjamas und Jogginghosen seien respektlos, Krawatten und Kostüme würden die Sitten verbessern. Dass die Wut der Reisenden („Air Rage“) vielleicht weniger mit ihrer Kleidung als mit geschrumpfter Beinfreiheit, die oft nur noch 31 Zoll beträgt, und einem kollabierenden Flugverkehrskontrollsystem zu tun hat, blendet der Minister aus. Während die Regierung Entschädigungszahlungen für gestrandete Passagiere kippt, fordert sie vom Kunden Stil und Etikette. Die Reaktion der Öffentlichkeit ist die „Pajama Resistance“: Reisende tragen demonstrativ bequeme Kleidung als Schutzschild gegen eine feindselige Reiseumgebung. Es ist das perfekte Sinnbild für diese Woche: Während die demokratischen und infrastrukturellen Strukturen zerfallen, fordert die Führung eine hübsche Fassade. Der Westen steht vielleicht am Abgrund, aber zumindest soll er dabei gut angezogen sein.


