
Ein Regierungsstillstand als Brecheisen, entlassene Spezialisten und Kompetenzen, die wie Möbelstücke in andere Behörden verschoben werden: Die Trump-Administration hat 2025 einen Weg gefunden, das Bildungsministerium faktisch abzuschaffen, ohne den Kongress fragen zu müssen. Was als bürokratische Effizienzmaßnahme verkauft wird, droht das Versprechen auf Chancengleichheit in einem Flickenteppich staatlicher Willkür zu begraben.
Es ist ein Schauspiel, das in der Geschichte der modernen Verwaltung seinesgleichen sucht. Wenn Regierungen Institutionen reformieren wollen, greifen sie gewöhnlich zum Skalpell. Sie beschneiden Budgets, ändern Richtlinien oder strukturieren Abteilungen um. Was sich jedoch im Jahr 2025 in Washington D.C. abspielt, gleicht eher dem Einsatz eines Vorschlaghammers, der gezielt gegen das statische Fundament des amerikanischen Bildungswesens geschwungen wird. Die Trump-Administration hat den seit Jahrzehnten gehegten konservativen Traum, das Bildungsministerium abzuschaffen, nicht durch den mühsamen und politisch fast aussichtslosen legislativen Prozess im Kongress realisiert. Stattdessen erleben wir eine administrative Aushöhlung, eine Art institutionelle Geisterfahrt, bei der die Hülle des Ministeriums stehen bleibt, während sein Inneres systematisch entkernt wird.
Der Katalysator für diesen radikalen Umbau war ausgerechnet ein Ereignis, das normalerweise als Zeichen politischen Scheiterns gilt: der Shutdown, der Stillstand der Regierungsgeschäfte. Doch wo andere Administrationen versuchen, den Schaden zu begrenzen, nutzte die Führung unter Bildungsministerin Linda McMahon die zweiwöchige Zwangspause als Beweisführung. Das Argument war so schlicht wie zynisch: Da die Schulen im Land auch während des Stillstands geöffnet blieben und Lehrer ihre Gehälter erhielten, sei der Beweis erbracht, dass die Bundesbehörde in Washington überflüssig sei. Diese Logik ignoriert zwar die komplexe Realität der im Hintergrund fließenden Fördergelder und Regulierungen, diente aber als perfekter Hebel, um nach Wiedereröffnung der Ämter eine Kündigungswelle in Gang zu setzen, die das Haus bis in die Grundfesten erschüttert.

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Die Strategie der Fragmentierung
Das Vorgehen der Regierung offenbart eine neue Qualität exekutiver Machtausübung. Da der Kongress, der das Ministerium 1979 geschaffen hat, der einzige Akteur ist, der es rechtlich auflösen könnte, wählt die Exekutive den Umweg über sogenannte Interagency Agreements – zwischenbehördliche Vereinbarungen. Es ist ein bürokratischer Taschenspielertrick: Die gesetzliche Verantwortung verbleibt formell beim Bildungsministerium, doch die operative Durchführung, das Personal und die Kontrolle werden an andere Ressorts ausgelagert. So wandern Milliardenprogramme wie Title I, die finanzielle Lebensader für Schulen in ärmeren Bezirken, hinüber ins Arbeitsministerium. Die Betreuung der Bildungsprogramme für indigene Bevölkerungsgruppen wird dem Innenministerium zugeschlagen, während das Außenministerium sich plötzlich um den Fremdsprachenunterricht kümmern soll. Selbst das Finanzministerium wird zur Aushilfsstelle für das riesige Studentendarlehensprogramm, weil im eigentlichen Fachressort schlicht das Personal fehlt, um die Aufgaben noch zu bewältigen.
Kritiker und Juristen stehen diesem Vorgehen fassungslos gegenüber. Es stellt sich die fundamentale Frage nach der Legalität: Kann eine Regierung per Verwaltungsakt Gesetze aushebeln, die spezifische Aufgaben an eine spezifische Behörde binden? Die Strategie scheint zu sein, Fakten zu schaffen, die so tiefgreifend sind, dass eine Rückabwicklung unmöglich wird. Man zerschlägt die Porzellanvase nicht nur; man verstreut die Scherben in alle Winde, sodass niemand sie je wieder zusammensetzen kann. Das Ziel ist nicht die Reform, sondern die Unumkehrbarkeit.
Das Ende der Aufsicht und die Illusion der Freiheit
Die ideologische Triebfeder hinter dieser Demontage ist das Mantra der Rückgabe an die Staaten. Es klingt verlockend: Weniger Bürokratie in Washington bedeutet mehr Freiheit in Texas, Ohio oder Florida. Doch dieser Föderalismusbegriff unterschlägt eine historische Wahrheit: Das Bildungsministerium und die dazugehörigen Gesetze entstanden nicht aus einem abstrakten Zentralismusbedürfnis heraus, sondern als Reaktion auf das Versagen der Einzelstaaten, allen Kindern gerechte Bildungschancen zu bieten. Besonders dramatisch zeigt sich dies am Beispiel der Sonderpädagogik. Der Individuals with Disabilities Education Act (IDEA) ist mehr als ein Finanzierungsgesetz; er ist ein Bürgerrechtsversprechen. Er garantiert, dass Kinder mit Behinderungen nicht ausgesondert, sondern gefördert werden. Doch Gesetze sind nur so stark wie die Institutionen, die ihre Einhaltung überwachen. Mit der gezielten Entlassung fast aller Mitarbeiter im Office of Special Education Programs (OSEP) kappt die Regierung genau jenen Nerv, der das System zusammenhält.
Das Geld fließt zwar weiter – darauf legen Ministerin McMahon und ihre Sprecher großen Wert –, doch ohne die federal oversight, die bundesstaatliche Aufsicht, wird aus dem Rechtsanspruch ein Glücksspiel. Die Realität zeigt bereits jetzt, was das bedeutet: Während ein Kind mit Down-Syndrom in Ohio inklusiv beschult wird und einen akademisch anspruchsvollen Weg gehen kann, wird ein Kind mit derselben Diagnose in Texas in eine gesonderte Klasse für funktionale Akademik abgeschoben, weit unter seinen Möglichkeiten. Ohne eine Bundesbehörde, die in der Lage ist, Staaten wie Texas – die in der Vergangenheit bereits künstliche Obergrenzen für die Anerkennung von Behinderungen eingeführt hatten – auf die Finger zu schauen, wird der Wohnort zum Schicksal. Die Freiheit der Staaten wird so zur Freiheit, die Schwächsten zurückzulassen.
Die ideologische Kehrtwende im Bürgerrecht
Noch beunruhigender als der administrative Rückbau ist der ideologische Umbau der verbleibenden Rumpfbehörde, insbesondere des Office for Civil Rights (OCR). Einst als Anwalt der Marginalisierten konzipiert, erlebt diese Abteilung eine radikale Umdeutung ihres Auftrags. Unter der neuen Führung wird der Schutz vor Diskriminierung quasi auf den Kopf gestellt. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem Schutz von ethnischen Minderheiten oder LGBTQ+-Schülern vor Benachteiligung. Stattdessen priorisiert die Behörde Fälle von vermeintlicher Reverse Discrimination. Programme, die explizit dazu entworfen wurden, die Unterrepräsentation von Schwarzen oder hispanischen Akademikern zu bekämpfen – wie das PhD Project –, finden sich plötzlich im Fadenkreuz staatlicher Ermittlungen wieder. Universitäten werden unter Druck gesetzt, Partnerschaften aufzukündigen, aus Angst, Bundesmittel zu verlieren.
Gleichzeitig türmt sich ein gewaltiger Berg an unerledigten Beschwerden auf. Über 25.000 Fälle von Diskriminierung liegen unbearbeitet auf Halde, während das Personal halbiert wurde. Für Eltern, deren Kind rassistisch beleidigt wurde oder denen aufgrund einer Behinderung der Zugang verwehrt blieb, bedeutet dieser Rückstau eine faktische Rechtlosigkeit. Eine Behörde, die nicht ermittelt, signalisiert den Schulen: Ihr könnt tun, was ihr wollt; niemand schaut hin. Die aggressive Verfolgung der Agenda gegen Transgender-Rechte – etwa das Verbot der Nutzung geschlechtskonformer Toiletten – bei gleichzeitiger Ignoranz gegenüber anderen Diskriminierungsformen, markiert einen Paradigmenwechsel: Das Bürgerrechtsbüro wird von einem Schild für die Schwachen zu einem Schwert für die kulturellen Kämpfe der Regierung.
Sprache als Kampfzone
Dieser Kulturkampf macht auch vor der Sprache selbst nicht halt. In einer koordinierten Aktion mit dem Justizministerium hat die Bildungsbehörde langjährige Leitlinien für den Umgang mit Englischlernenden (English Learners) kassiert. Diese Dokumente, die für Schulen oft wie eine Bibel fungierten, um sicherzustellen, dass Kinder ohne Englischkenntnisse nicht vom Unterricht ausgeschlossen werden, wurden als nicht im Einklang mit der Regierungspolitik eingestuft und ins digitale Archiv verbannt. Hinter diesem bürokratischen Akt steht eine klare politische Botschaft: Assimilation geht vor Integration. Das Dekret, Englisch zur offiziellen Amtssprache zu erheben, wird hier exekutiert, indem man den Schulen die Anleitung entzieht, wie sie mehrsprachige Kinder unterstützen können. Kritiker warnen zu Recht, dass dies viele Schulbezirke dazu verleiten könnte, teure Förderprogramme einzustellen. Wenn der Bund nicht mehr fordert, dass ein Kind, das kein Englisch spricht, trotzdem lernen darf, werden finanzschwache Kommunen diesen Posten als Erstes streichen. Es ist ein stiller Rückzug aus der Verantwortung für Millionen von Kindern, der unter dem Deckmantel der Deregulierung verkauft wird.
Ein System der Angst und Unsicherheit
Die Folgen dieser Politik sind nicht abstrakt, sie sind tiefgreifend psychologisch und sozial. Eltern von Kindern mit Behinderungen beschreiben den Kampf um Bildung bereits jetzt als einen Marathon ohne Ziellinie. Sie müssen sich zu Experten für Verwaltungsrecht fortbilden, Diagnosen erkämpfen und gegen Schulbezirke prozessieren. Wenn nun die letzte Instanz, die Bundesebene, wegfällt, verlieren sie ihren einzigen Verbündeten. Die Angst, dass die mühsam erkämpften Fortschritte der letzten fünfzig Jahre – von der Inklusion bis zur individuellen Förderung – einfach verdampfen, ist greifbar. Lehrer und Schulleiter wiederum operieren in einem Vakuum der Unsicherheit. Werden sie verklagt, wenn sie Transgender-Schüler unterstützen? Verlieren sie Gelder, wenn sie Programme zur Förderung von Vielfalt auflegen? Die zynischen Out-of-Office-Nachrichten, die das Ministerium nach dem Shutdown in den sozialen Medien verbreitete, in denen man sich über die eigene Irrelevanz lustig machte, wirken vor diesem Hintergrund wie Hohn gegenüber jenen, die auf die Integrität dieser Institution angewiesen sind.
Fazit: Die Erosion des Gemeinwohls
Was wir 2025 erleben, ist weit mehr als eine Strukturreform. Es ist der Versuch, das Rad der Zeit zurückzudrehen – in eine Ära, bevor der Staat garantierte, dass Herkunft, Hautfarbe oder Behinderung nicht über den Bildungserfolg entscheiden dürfen. Die Trump-Administration beweist, dass man kein Gesetz braucht, um eine Behörde zu zerstören; es reicht, ihr den Sinn zu rauben, ihre Experten zu vertreiben und ihre Aufgaben so weit zu zerstreuen, bis niemand mehr verantwortlich ist. Die Verlagerung von Kompetenzen an das Arbeits- oder Innenministerium mag auf dem Papier effizient aussehen oder dem narrativen Ziel der Regierung dienen, den Deep State zu zerschlagen. In der Praxis jedoch ersetzt sie spezialisierte pädagogische Expertise durch fachfremde Bürokratie. Das Arbeitsministerium versteht sich auf Arbeitsmärkte, nicht auf frühkindliche Pädagogik. Das Innenministerium verwaltet Land, keine Lehrpläne. Am Ende dieses Prozesses steht kein schlankerer Staat, sondern ein ungerechterer. Die Vision einer Nation, die jedem Kind, unabhängig von seinem Startkapital, die gleichen Chancen bietet, weicht einem System, in dem Bildung wieder zur Ware wird – abhängig von der Postleitzahl und dem politischen Willen der lokalen Machthaber. Der Abriss des Bildungsministeriums mag leise vonstattengehen, ohne große Explosion und fallende Mauern, doch das Echo dieses Einsturzes wird in den Biografien einer ganzen Generation von amerikanischen Schülern nachhallen.


