Trumps Krieg an allen Fronten: Ein Staat wird zur Waffe

Illustration: KI-generiert

Eine neue Eskalationsstufe politischer Kriegsführung hat Washington erfasst. Die vergangene Woche offenbarte mit aller Deutlichkeit die Strategie der Trump-Regierung: Der Regierungsstillstand ist kein Betriebsunfall mehr, sondern ein Instrument zur Demontage des Staates. Das Militär wird auf einen neuen, inneren Feind eingeschworen, und ein neuer Medien-Clan, gestützt auf die Macht des Silicon Valley, formiert sich, um die öffentliche Meinung zu erobern. Es ist die Anatomie eines Angriffs auf die Institutionen der amerikanischen Demokratie, der an allen Fronten gleichzeitig geführt wird – präzise, kalkuliert und mit einer neuen, radikalen Entschlossenheit.

Die vergangene Woche hat die ungeschriebenen Regeln des politischen Spiels in Washington endgültig außer Kraft gesetzt. Die Ereignisse, die sich vom 29. September bis zum 5. Oktober 2025 entfalteten, waren mehr als nur eine weitere Episode der Hyperpolarisierung. Sie waren die Manifestation einer neuen Doktrin, in der die Instrumente des Staates – von der Haushaltsführung über das Militär bis hin zur Medienaufsicht – nicht mehr als Diener des Gemeinwohls, sondern als Waffen in einem unerbittlichen Kultur- und Machtkampf begriffen werden. Der drohende und schließlich eingetretene „Government Shutdown“ entpuppte sich nicht als Scheitern von Verhandlungen, sondern als eine von der Trump-Regierung gezielt genutzte Chance zur Demontage des Verwaltungsapparats. Ein beispielloses Treffen in Quantico, Virginia, markierte den Versuch, die mächtigste Armee der Welt auf einen neuen, inneren Feind auszurichten: die eigenen, von Demokraten regierten Städte. Gleichzeitig vollzog sich hinter den Kulissen die Formierung eines neuen, politisch-medialen Machtkomplexes, der die Schlagkraft Hollywoods mit der algorithmischen Reichweite von TikTok und der politischen Agenda eines der engsten Verbündeten des Präsidenten verschmelzen soll. Und währenddessen offenbarte die Außenpolitik eine gefährliche Mischung aus ideologischer Kumpanei und persönlichen Rachefeldzügen, die das „America First“-Prinzip an seine Grenzen bringt. Zusammengenommen zeichnen diese Entwicklungen das Bild einer Regierung, die den Staat nicht mehr reformieren, sondern unterwerfen will. Es ist die Geschichte einer Woche, in der die amerikanische Republik einem Stresstest ausgesetzt wurde, dessen Ausgang ungewisser ist als je zuvor.

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Der kalkulierte Kollaps: Wie Trumps Regierung den Shutdown zur Waffe umschmiedet

Der Regierungsstillstand, der die amerikanische Hauptstadt seit Anfang der Woche lähmt, ist fundamental anders als seine Vorgänger. Vordergründig dreht sich der Konflikt um die Zukunft der Subventionen für den Affordable Care Act (ACA), die Krankenversicherung für Millionen Amerikaner. Die Demokraten, angeführt von Hakeem Jeffries und Charles Schumer, vollzogen einen bemerkenswerten Paradigmenwechsel: Statt einen Shutdown um jeden Preis zu verhindern, führten sie ihn aktiv herbei, um die Verlängerung der existenziellen Hilfen zu erzwingen. Diese neue, harte Haltung ist aus der Frustration vergangener Niederlagen geboren, in denen eine kooperative Haltung zu keinerlei Zugeständnissen der Gegenseite führte.

Doch die Trump-Administration reagierte nicht mit Verhandlungsangeboten, sondern mit einer beispiellosen Instrumentalisierung der Krise. Für sie ist der Stillstand keine lästige Nebenwirkung, sondern eine „beispiellose Gelegenheit“, eine lang gehegte Agenda mit der Brechstange durchzusetzen. Angeführt vom radikalen Budgetdirektor Russ Vought, einem Architekten des als „Project 2025“ bekannten Plans zum Umbau des Staates, wurde der Shutdown in ein chirurgisches Instrument verwandelt, um gezielt politische Gegner zu bestrafen und den Verwaltungsapparat dauerhaft zu schwächen.

Die Maßnahmen sind gezielt und brutal: Bundesmittel in Milliardenhöhe für zentrale Infrastrukturprojekte im Großraum New York und für grüne Energieprojekte in 16 überwiegend demokratisch regierten Staaten wurden eingefroren. Dies ist eine kaum verhohlene Vergeltungsaktion, die darauf abzielt, die Heimatstaaten der demokratischen Führung zu treffen.

Das wahre Novum ist jedoch die Drohung, den Shutdown für Massenentlassungen zu nutzen. An die Stelle des bisher üblichen unbezahlten Zwangsurlaubs („furlough“) tritt die Ankündigung von „reductions in force“ (RIFs) – also endgültigen Kündigungen. Dieser Schritt, der rechtlich höchst umstritten ist, zielt darauf ab, unter dem Deckmantel der Krise eine permanente Dezimierung des Bundespersonals in unliebsamen Behörden zu erreichen. Diese personelle Ausblutung hatte bereits vor dem Shutdown begonnen. Unter dem Euphemismus der „aufgeschobenen Kündigung“ wurden bereits Hunderttausende Bundesangestellte aus dem Dienst gedrängt, was vor allem in der Metropolregion Washington D.C. zu einer ökonomischen Katastrophe führt.

Der Shutdown wirkt nun wie ein Brandbeschleuniger auf diesen bereits schwelenden Flächenbrand. Die Fähigkeit der Regierung, auf Krisen wie Hurrikane oder Chemieunfälle zu reagieren, ist durch den Personalabbau bei Behörden wie der FEMA bereits massiv eingeschränkt. Flankiert wird diese Strategie von einer aggressiven Propagandakampagne. Offizielle Regierungswebseiten werden für parteipolitische Schuldzuweisungen missbraucht, und der Präsident selbst verbreitet KI-manipulierte Videos seiner politischen Gegner. Die Demokraten stecken damit in einer Zwickmühle: Geben sie nach, legitimieren sie Trumps institutionellen Vandalismus. Halten sie stand, liefern sie ihm täglich neue Vorwände für die Zerschlagung des Staates, den sie eigentlich schützen wollen.

Trumps Armee gegen Amerika: Das Pentagon wird auf den inneren Feind eingeschworen

Parallel zur Aushöhlung des zivilen Staatsapparats vollzog sich in der vergangenen Woche ein nicht minder beunruhigender Angriff auf das Ethos und die verfassungsmäßige Rolle des amerikanischen Militärs. Nahezu 800 der ranghöchsten Generäle und Admirale wurden kurzfristig nach Quantico, Virginia, beordert, um einer ideologischen Neuausrichtung beizuwohnen, die das Fundament ihres Berufsstandes erschüttert. Die Veranstaltung war kein gewöhnliches Briefing, sondern die öffentliche Proklamation einer neuen Doktrin: Der Hauptfeind der Vereinigten Staaten sei nicht mehr jenseits der Grenzen, sondern im Inneren der Nation zu finden.

Verteidigungsminister Pete Hegseth, dessen Karriere mehr von Auftritten als Scharfmacher bei Fox News als von militärischer Erfahrung geprägt ist, erklärte in einem ideologischen Manifest den Krieg gegen eine als „Wokeness“ diffamierte angebliche Verweichlichung der Streitkräfte. Er kündigte die Abschaffung sämtlicher Programme für Vielfalt und Gleichstellung an und forderte eine Rückkehr zu einem archaischen „Kriegerethos“. Wer dieser Agenda nicht folge, so die unverhohlene Drohung, solle den Dienst quittieren. Es ist der Versuch, eine professionelle Armee in eine loyale Prätorianergarde umzuformen.

Präsident Trump definierte im Anschluss diesen neuen Gegner: politisch Andersdenkende, linke Aktivisten und insbesondere die demokratisch regierten Metropolen des Landes. Städte wie Chicago, New York oder Los Angeles seien „sehr unsichere Orte“, die es „eine nach der anderen in Ordnung zu bringen“ gelte. Sein Vorschlag gipfelte in dem Satz, der als Fanal seiner zweiten Amtszeit gelten muss: „Wir sollten einige dieser gefährlichen Städte als Übungsgelände für unser Militär nutzen.“ Dies ist nicht weniger als der Aufruf zur Militarisierung der Innenpolitik und ein frontaler Angriff auf den „Posse Comitatus Act“, der den Einsatz von Bundestruppen im Inland grundsätzlich verbietet.

Diese neue Doktrin wird bereits in die Praxis umgesetzt. Die Entsendung der Nationalgarde und paramilitärisch agierender Bundesagenten von ICE und Grenzpolizei nach Chicago und Washington D.C., oft gegen den erklärten Willen der lokalen Behörden, dient der Einschüchterung und der Provokation von Konfrontationen. Unter dem martialischen Namen „Operation Midway Blitz“ werden in Chicago nächtliche Razzien mit einem Aufgebot durchgeführt, das an eine Militäroperation erinnert – inklusive Drohnen, Helikoptern und Scharfschützen. Die Reaktion der versammelten Militärelite in Quantico auf diese neue Ausrichtung war bezeichnend: fast völliges, eisernes Schweigen. Dieses Schweigen wurde als unüberhörbare Botschaft des Unbehagens und der stillen Ablehnung einer politischen Führung gedeutet, die das Militär als Requisite für ihre politische Inszenierung missbraucht und seine professionelle Ehre verletzt.

Die Ellison-Doktrin: Wie ein Tech-Clan Amerikas Medienlandschaft neu formiert

Im Schatten der politischen Unruhen in Washington vollzog sich eine weitere, leisere, aber nicht minder fundamentale Machtverschiebung. Die Übernahme des Medienriesen Paramount durch David Ellison, den Produzenten von Blockbustern wie „Top Gun: Maverick“, und die strategische Neubesetzung an der Spitze des Nachrichtensenders CBS News markieren die Geburt eines politisch-medialen Machtinstruments von beispielloser Reichweite.

Die offizielle Erzählung eines reibungslosen Generationenwechsels ist irreführend. Bei der FCC eingereichte Dokumente enthüllen, dass nicht der Sohn David, sondern sein Vater, der Oracle-Gründer und enge Trump-Verbündete Larry Ellison, über ein Labyrinth aus Trusts und Holdings die ultimative Kontrolle über das neue Imperium ausübt. Diese Übernahme wurde durch massiven politischen Druck ermöglicht. Eine Klage Trumps gegen CBS News und der Druck der von Republikanern geführten Regulierungsbehörde FCC schufen eine Atmosphäre der Belagerung, die in einem millionenschweren Vergleich und schließlich in der Genehmigung des Deals mündete – verbunden mit der öffentlichen Erwartung, die neuen Eigentümer mögen „signifikante Veränderungen“ bei CBS vornehmen.

Die erste und sichtbarste dieser Veränderungen war die Ernennung der meinungsstarken Journalistin Bari Weiss zur Chefredakteurin von CBS News. Weiss, die ihre Karriere auf der Kritik an der angeblich „woken“, linksliberalen Orthodoxie der Mainstream-Medien aufgebaut hat, ist eine bewusste Provokation und ein klares Signal für eine ideologische Neuausrichtung. Ihre Berufung löste in der Belegschaft tiefes Unbehagen aus und wird als Beginn eines „Bürgerkriegs im Newsroom“ gewertet, der die journalistische Tradition des Senders, die auf dem Erbe von Edward R. Murrow und Walter Cronkite fußt, fundamental infrage stellt.

Die wahre Gefahr dieser neuen Konstellation, der „Ellison-Doktrin“, liegt jedoch in der geplanten Verschmelzung zweier Welten. Anders als das Imperium von Rupert Murdoch, das auf der klassischen Logik des Zeitungs- und Fernsehgeschäfts basiert, gründet die Macht von Larry Ellison auf der Kontrolle von Daten, Software und Infrastruktur. Durch die parallele Übernahme der Kontrolle über die US-Operationen von TikTok durch ein von Oracle angeführtes Konsortium entsteht eine Symbiose, die ihresgleichen sucht: Professionell produzierte Inhalte von Paramount und CBS können über den mächtigsten Distributionskanal der Welt – einen Algorithmus, der die Aufmerksamkeit von Hunderten Millionen Menschen steuert – direkt in den Informationskreislauf einer ganzen Generation eingespeist werden. Dies ermöglicht eine Form der subtilen, algorithmischen Beeinflussung, die weit über die offene Propaganda eines reinen Nachrichtensenders hinausgeht und eine fundamentale Herausforderung für die demokratische Öffentlichkeit darstellt.

Außenpolitik zwischen Ideologie und Rache: „America First“ an seinen Grenzen

Auch auf der weltpolitischen Bühne offenbarte die vergangene Woche die Handschrift einer Regierung, deren Handeln weniger von strategischer Weitsicht als von persönlichen Impulsen, ideologischer Verwandtschaft und dem Wunsch nach Rache getrieben scheint. Zwei Fälle illustrieren die widersprüchliche und hochriskante Natur der „America First“-Doktrin in der Praxis.

In Südamerika stützte die Trump-Administration die taumelnde argentinische Regierung des selbsternannten „Anarcho-Kapitalisten“ Javier Milei mit einem atemberaubenden 20-Milliarden-Dollar-Rettungspaket. Dieser Schritt steht in eklatantem Widerspruch zu Trumps Maxime, keine Steuergelder für das Ausland zu verschwenden. Doch er folgt einer zutiefst ideologischen Logik: Trump sieht in Milei, der mit einer Kettensäge zum Symbol für den radikalen Kahlschlag des Staates wurde, ein Ebenbild und einen wichtigen Verbündeten im globalen Kampf gegen den „woken Linken“. Hinter der Rettungsaktion stehen auch handfeste geopolitische Interessen im Wettstreit mit China um Argentiniens riesige Lithiumvorkommen. Dieser ideologische Pakt sorgt jedoch für einen Aufruhr in Trumps eigener Wählerbasis. Ausgerechnet amerikanische Farmer, die durch Trumps Handelskrieg mit China ihren wichtigsten Absatzmarkt für Sojabohnen verloren haben, müssen nun zusehen, wie Argentinien – mit finanzieller Unterstützung aus Washington – in diese Lücke stößt.

Während der Pakt mit Argentinien aus ideologischer Zuneigung geschlossen wurde, eskaliert die Konfrontation mit Venezuela zu einem gefährlichen Spiel, das von einer persönlichen, fast obsessiven Mission getrieben zu sein scheint: dem Sturz des Präsidenten Nicolás Maduro. Unter dem Banner eines neu ausgerufenen „Kriegs gegen den Narko-Terrorismus“ führt die US-Marine tödliche Schläge gegen kleine, zivile Boote in der Karibik. Um diese außergerichtlichen Tötungen zu legitimieren, hat die Administration kriminelle Banden zu ausländischen Terrororganisationen umdeklariert, was es erlaubt, das Kriegsrecht anzuwenden und mutmaßliche Gegner als „ungesetzliche Kombattanten“ ohne Gerichtsverfahren zu töten.

Zahlreiche Rechtsexperten und Militärjuristen bezeichnen dieses Vorgehen als ein „Zerfetzen“ des Völkerrechts. Die offizielle Begründung, Venezuela sei die Quelle einer Drogenflut, die Hunderttausende Amerikaner töte, wird durch Daten der eigenen Drogenbekämpfungsbehörde DEA widerlegt. Ein Großteil des Kokains stammt aus Kolumbien, und das tödliche Fentanyl wird fast ausschließlich in Mexiko hergestellt. Die Konfrontation wirkt wie ein Akt der Rache für das Scheitern von Trumps erster Kampagne zum Sturz Maduros und droht, eine ganze Region in einen unkontrollierbaren Konflikt zu stürzen. Innerhalb der Administration tobt ein erbitterter Streit zwischen Hardlinern um Außenminister Marco Rubio, die einen Regimewechsel anstreben, und einer kleinen Fraktion um den Sondergesandten Richard Grenell, die für eine diplomatische Lösung plädiert.

Die Ereignisse der letzten Woche sind keine isolierten Krisen. Sie sind die Symptome eines Systemwechsels, der darauf abzielt, die Kontrollmechanismen der amerikanischen Demokratie auszuhebeln und die Macht in der Exekutive auf eine Weise zu zentralisieren, die historisch beispiellos ist. Ob durch die Aushöhlung des Staatsapparats, die Politisierung des Militärs, die Übernahme der Medien oder eine erratische Außenpolitik – das Ziel ist die Schaffung eines Staates, der nicht mehr durch Gesetze und Normen gebunden ist, sondern allein dem Willen seines Anführers folgt. Der Test für die Republik hat begonnen.

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