Das Ende der Institution: Wie CBS News seine journalistische Seele verkauft

Illustration: KI-generiert

In den Annalen des amerikanischen Journalismus wird es nur wenige Momente geben, deren seismische Erschütterungen mit der nun angekündigten Übernahme von CBS News durch den Geist von Bari Weiss vergleichbar sind. Was auf dem Papier als eine gewöhnliche, wenn auch kostspielige Akquisition erscheint – der Medienriese Paramount Skydance erwirbt das Nischen-Online-Portal „The Free Press“ für 150 Millionen Dollar und installiert dessen Gründerin an der Spitze einer der ehrwürdigsten Nachrichtenorganisationen der Welt –, ist in Wahrheit nichts weniger als ein Staatsstreich. Es ist die feindliche Übernahme einer journalistischen Kathedrale durch eine Bewegung, deren Daseinsberechtigung auf der Verachtung ebenjener Institutionen beruht. David Ellisons strategischer Schachzug, Bari Weiss zur Chefredakteurin von CBS News zu ernennen, ist keine bloße Personalie; es ist ein kulturpolitisches Fanal, ein kalkulierter Pakt mit dem polarisierenden Zeitgeist, der die Grundfesten des faktenbasierten Journalismus demontiert, um auf seinen Trümmern ein neues, ideologisch aufgeladenes und kommerziell lukratives Medienimperium zu errichten.

Dieser Vorgang ist weit mehr als eine unternehmerische Entscheidung. Er ist die logische Konsequenz eines politischen Kapitulationsprozesses, der lange vor den finalen Vertragsverhandlungen begann. Es ist die Geschichte einer Erosion, bei der die Furcht vor politischem Druck und der unbedingte Wille zur wirtschaftlichen Expansion die journalistische Integrität systematisch ausgehöhlt haben. Am Ende dieses Prozesses steht die Erkenntnis, dass das Erbe von Edward R. Murrow und Walter Cronkite nicht mehr als unveräußerliches Gut, sondern als verhandelbare Masse in einem größeren Spiel um Macht, Einfluss und Marktanteile betrachtet wird. Die Ernennung von Bari Weiss ist somit kein Aufbruch in eine mutige neue Zukunft des Journalismus, sondern die Bankrotterklärung eines Systems, das seine eigene Existenzberechtigung aus Angst vor der Konfrontation preisgibt.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben

Ein Arrangement unter politischem Druck

Um die tiefere Bedeutung dieser Zäsur zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen, die von politischer Einschüchterung und unternehmerischem Opportunismus geprägt ist. Der Wendepunkt war zweifellos der Rechtsstreit, den der damals amtierende Präsident Donald Trump gegen CBS und dessen Flaggschiff „60 Minutes“ anstrengte. Der Vorwurf der tendenziösen, weil angeblich manipulativ geschnittenen Berichterstattung über ein Interview mit seiner damaligen Kontrahentin Kamala Harris mag juristisch auf tönernen Füßen gestanden haben – zahlreiche Rechtsexperten bezeichneten die Klage als haltlos –, doch seine politische Sprengkraft war immens. In einem Klima, in dem die Trump-Administration die etablierten Medien systematisch als „Fake News“ delegitimierte, war diese Klage ein gezielter Angriff auf das Herz der journalistischen Glaubwürdigkeit von CBS.

Die Reaktion des Konzerns offenbarte eine fatale Schwäche. Statt den juristischen Konflikt mit dem Selbstbewusstsein einer unabhängigen vierten Gewalt auszutragen, suchte Paramount den schnellen Vergleich. Die Zahlung von 16 Millionen Dollar an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, während parallel das Genehmigungsverfahren für die milliardenschwere Fusion mit David Ellisons Skydance lief, war ein unübersehbares Signal der Unterwerfung. Es war das Eingeständnis, dass die Vermeidung politischer Unannehmlichkeiten einen höheren Stellenwert besaß als die Verteidigung der eigenen journalistischen Arbeit. Dieser Vergleich war keine juristische Notwendigkeit, sondern eine politische Geste des guten Willens gegenüber einer Administration, von deren Wohlwollen der wirtschaftliche Erfolg des Konzerns abhing. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Vergleich im Juli, der kurz darauf erfolgten Absetzung der verantwortlichen Führungskräfte bei CBS News und „60 Minutes“ sowie der Genehmigung des Fusionsdeals durch die Regulierungsbehörden zeichnet das Bild eines Konzerns, der bereit war, seine journalistische Unabhängigkeit auf dem Altar kommerzieller Interessen zu opfern. Die anschließende Kündigung der Late-Night-Show von Stephen Colbert, einem der schärfsten Kritiker Trumps, rundete dieses Bild der präventiven Selbstzensur ab.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Berufung von Bari Weiss nicht nur als logische, sondern als zwingende Konsequenz. Sie ist die personifizierte Antwort auf den Vorwurf der linksliberalen Voreingenommenheit. Ihre gesamte öffentliche Persona gründet auf der Erzählung, eine mutige Abweichlerin zu sein, die aus dem ideologischen Korsett der etablierten Medien ausgebrochen ist. Ihre Ernennung ist somit ein strategisches Manöver, das zwei Ziele gleichzeitig erfüllt: Es befriedet die Kritiker von rechts, indem es eine ihrer prominentesten Stimmen ins Zentrum der Macht holt, und es positioniert CBS gleichzeitig für ein Publikum, das den traditionellen Nachrichtenquellen zutiefst misstraut. David Ellison vollzieht damit eine Neuausrichtung, die nicht auf journalistischen, sondern auf rein machtpolitischen und marktstrategischen Erwägungen beruht.

Die Anti-Journalistin als Heilsbringerin

Wer ist Bari Weiss? Sie ist das Produkt und zugleich die Nutznießerin einer tiefen Spaltung im amerikanischen Diskurs. Ihre Karriere ist ein Meisterstück der Selbstinszenierung, aufgebaut auf der Narration ihres spektakulären Abgangs von der New York Times im Jahr 2020. Ihr öffentlicher Kündigungsbrief, eine Anklageschrift gegen ein angeblich „illiberales Umfeld“ und eine von „woker“ Ideologie getriebene Redaktionskultur, wurde zur Gründungsurkunde ihrer eigenen Marke. Sie stilisierte sich zur Märtyrerin der Meinungsfreiheit, zur Verstoßenen aus dem Elfenbeinturm des linksliberalen Establishments. Diese Erzählung fand ein enormes Echo bei einem Publikum, das sich in seiner Ablehnung der etablierten Medien bestätigt fühlte. Weiss wurde zur Ikone der „Cancel Culture“-Kritiker und zur Stimme jener, die sich als Opfer einer vermeintlichen Meinungstyrannei sehen.

Ihr Medium, „The Free Press“, ist die konsequente Fortsetzung dieser Haltung. Es ist weniger eine Nachrichtenorganisation im klassischen Sinne als vielmehr eine ideologische Plattform, die sich der Demaskierung der angeblichen Heucheleien und Verfehlungen der traditionellen Medien verschrieben hat. Die publizistische Linie ist klar: eine Mischung aus originärem Journalismus, scharfer Meinung und einer permanenten Kritik an Phänomenen wie „Diversity, Equity, and Inclusion“-Programmen, die als Auswüchse einer linken Ideologie gebrandmarkt werden. Das Selbstverständnis ist das eines „heterodoxen“ und „unabhängigen“ Mediums, das die unbequemen Wahrheiten ausspricht, die sich andere nicht zu sagen trauen.

Dieses Ethos steht in fundamentalem Widerspruch zur DNA von CBS News. Eine Organisation, die ihre Reputation auf jahrzehntelanger, sorgfältiger und zurückhaltender Berichterstattung aufgebaut hat, wird nun von einer Persönlichkeit geführt, deren primäre Qualifikation ihre lauthals vorgetragene Systemkritik ist. Weiss verfügt über keinerlei Erfahrung im Fernsehjournalismus, einem hochkomplexen Handwerk, das von Präzision, Schnelligkeit und einem tiefen Verständnis für visuelle Erzählformen geprägt ist. Ihre Expertise liegt im Bereich des meinungsstarken Essays, der zugespitzten Polemik und der kuratierten Provokation. Die Vorstellung, dass sie die redaktionellen Geschicke von Sendungen wie „60 Minutes“ oder der täglichen Nachrichtenformate lenken soll, löst in der Belegschaft von CBS zu Recht tiefes Unbehagen aus. Hier prallen nicht nur unterschiedliche Arbeitsweisen, sondern unvereinbare journalistische Weltanschauungen aufeinander. Auf der einen Seite steht der Anspruch auf objektive, unparteiische Berichterstattung, auf der anderen die Überzeugung, dass wahrer Journalismus im Aufdecken der verborgenen ideologischen Agenda ebenjener Objektivitäts-Behauptung liegt.

Der Markt der Verdrossenheit

Die wirtschaftliche Dimension dieses Deals ist ebenso aufschlussreich wie seine politische. Die Bewertung von „The Free Press“ mit rund 150 Millionen Dollar bei etwa 155.000 zahlenden Abonnenten mag auf den ersten Blick überzogen erscheinen. Doch David Ellison kauft nicht nur eine Website und eine kleine Redaktion; er kauft einen fertigen Markt, eine treue und hochgradig engagierte Zielgruppe. Er investiert in das lukrative Geschäft mit dem Misstrauen. Bari Weiss und „The Free Press“ haben erfolgreich ein Ökosystem für jene geschaffen, die sich von den etablierten Medien abgewendet haben. Sie bedienen eine Nachfrage nach alternativen Deutungsangeboten, nach Bestätigung der eigenen Weltsicht und nach einer publizistischen Heimat außerhalb des als feindlich wahrgenommenen Mainstreams.

Die Abonnentenzahlen und die hohe Bewertung des Unternehmens sind der empirische Beleg dafür, dass dieses Geschäftsmodell funktioniert. Es zeigt, dass es einen beträchtlichen und zahlungskräftigen Markt für medienkritische und ideologisch klar positionierte Inhalte gibt. Ellison erwirbt mit „The Free Press“ nicht nur eine Marke, sondern auch das Know-how, wie man diese spezielle Zielgruppe anspricht und monetarisiert. Die Strategie dahinter ist klar: Diese Community soll als Brückenkopf dienen, um CBS News für ein völlig neues Publikum zu öffnen. Der Sender soll transformiert werden von einer Institution, die einen breiten gesellschaftlichen Konsens anstrebt, zu einem Akteur, der bewusst ein polarisierendes, aber loyales Segment des Marktes bedient.

Dieser Ansatz ist ein hochriskantes Spiel. Er setzt darauf, dass die Gewinne aus der Erschließung dieses neuen Marktes die Verluste durch den absehbaren Vertrauensentzug des traditionellen CBS-Publikums übersteigen werden. Es ist die Wette darauf, dass in einer fragmentierten Medienlandschaft die intensive Bindung an eine kleinere, aber kaufkräftige Zielgruppe profitabler ist als die diffuse Anbindung an eine breite, aber passive Masse. Damit verabschiedet sich Paramount Skydance von der Idee der Massenmedien als gesellschaftliches Lagerfeuer und bekennt sich zur Logik des Nischenmarketings – mit potenziell verheerenden Folgen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Ein Bürgerkrieg im Newsroom

Die unmittelbaren Folgen dieser Übernahme werden sich im Inneren von CBS News manifestieren. Die Ernennung von Weiss ist eine Kriegserklärung an die bestehende Redaktionskultur. Es ist unvorstellbar, dass eine Belegschaft, die über Jahrzehnte nach den Prinzipien der journalistischen Sorgfalt, der Überprüfung von Fakten und der Trennung von Nachricht und Meinung ausgebildet wurde, sich widerstandslos einer Führung unterordnet, die diese Prinzipien offen infrage stellt. Die Sorge vor einem bevorstehenden Kahlschlag und signifikanten Entlassungen, während gleichzeitig 150 Millionen Dollar in eine externe, ideologisch aufgeladene Publikation investiert werden, ist mehr als berechtigt.

Es droht ein Kulturkampf, der den Sender von innen lähmen könnte. Auf der einen Seite werden die Traditionalisten stehen, die das Erbe von CBS verteidigen und auf der Einhaltung journalistischer Standards beharren. Auf der anderen Seite werden Weiss und ihre Vertrauten versuchen, ihre Agenda durchzusetzen und den Sender nach ihrem Bilde zu formen. Dieser Konflikt wird sich in alltäglichen redaktionellen Entscheidungen entzünden: in der Auswahl der Themen, in der Besetzung von Interviewpartnern, in der Tonalität der Berichterstattung. Jede Entscheidung wird unter dem Verdacht stehen, ideologisch motiviert zu sein. Die unklare Kompetenzabgrenzung zwischen Weiss und dem amtierenden Präsidenten Tom Cibrowski ist ein weiterer Nährboden für Machtkämpfe und interne Grabenkriege. Es ist ein Szenario, das die journalistische Produktion massiv beeinträchtigen und die besten Köpfe des Senders zur Abwanderung bewegen könnte.

Das Erbe von Murrow und die Banalisierung der Wahrheit

Der Kontrast zwischen der geplanten Neuausrichtung und der ruhmreichen Vergangenheit von CBS News könnte kaum größer sein. Ein Sender, der mit Edward R. Murrows mutigem Kampf gegen die McCarthy-Ära und Walter Cronkites unbestechlicher Berichterstattung über den Vietnamkrieg und die Watergate-Affäre Mediengeschichte geschrieben hat, steht nun davor, von einer Persönlichkeit geführt zu werden, deren Journalismusbegriff primär auf Haltung und Meinung basiert. Das Erbe von CBS gründet auf dem Vertrauen, das sich der Sender durch seine Rolle als verlässlicher Chronist und unparteiischer Aufklärer erarbeitet hat. Cronkite galt als der „vertrauenswürdigste Mann Amerikas“, weil sein Publikum wusste, dass er sich dem Ethos der Fakten verpflichtet fühlte.

Die Ernennung von Weiss stellt dieses Erbe radikal infrage. Die Gefahr besteht darin, dass die klare Trennlinie zwischen der nachrichtlichen Berichterstattung („CBS Evening News“) und meinungsstarken Formaten wie Kommentaren oder Talkshows erodiert. Wenn die Chefredakteurin selbst eine derart profilierte Meinungsführerin ist, wie kann der Sender dann noch glaubwürdig den Anspruch auf überparteiliche Berichterstattung erheben? Das Risiko, dass die gesamte Organisation als politisches Instrument wahrgenommen wird, ist immens. Die Glaubwürdigkeit, das wertvollste Kapital jeder Nachrichtenorganisation, steht auf dem Spiel.

Ellisons öffentliche Bekenntnisse zu „faktenbasiertem“ und „wahrheitsgemäßem“ Journalismus wirken vor diesem Hintergrund wie hohle Phrasen. Sie stehen im unauflöslichen Widerspruch zur Verpflichtung einer Person, die ihre Karriere auf der Relativierung ebenjener Konzepte aufgebaut hat. Der Zielkonflikt zwischen dem Anspruch, eine seriöse Nachrichtenquelle zu sein, und dem Interesse, ein ideologisches Marktsegment zu erobern, ist offensichtlich. Es ist ein Konflikt, der sich nicht durch rhetorische Beschwichtigungen lösen lässt, sondern der die journalistische Praxis von Grund auf verändern wird.

Eine polarisierte Zukunft

Die Übernahme von „The Free Press“ durch Paramount Skydance ist mehr als nur ein weiterer Mediencoup. Es ist ein Symptom und zugleich ein Brandbeschleuniger für die fortschreitende Balkanisierung der amerikanischen Öffentlichkeit. Anstatt zu einer größeren Meinungsvielfalt beizutragen, droht dieser Schritt die bestehenden Echokammern weiter zu verfestigen. CBS News riskiert, sich von einem Medium für die breite Gesellschaft zu einem Sender für eine bestimmte politische Fraktion zu wandeln. Dies würde die Polarisierung nicht mildern, sondern sie zementieren, indem eine weitere große Medieninstitution in die Logik des Kulturkampfes eingesogen wird.

Es hätte alternative Wege gegeben, auf die Herausforderungen der Digitalisierung und die Vorwürfe politischer Voreingenommenheit zu reagieren. Man hätte in investigativen Journalismus investieren, neue, dialogorientierte Formate entwickeln oder die Transparenz der eigenen redaktionellen Prozesse erhöhen können. Stattdessen wählte man den Weg der radikalen Konfrontation, der Übernahme des Gegners und der Aufgabe der eigenen Identität.

Das langfristige Szenario, das sich hier abzeichnet, ist düster. Wenn etablierte Medienhäuser zunehmend von Akteuren übernommen werden, die aus einer fundamentalen Opposition zu diesen Institutionen heraus agieren, droht eine Aushöhlung des gemeinsamen Faktenfundaments, auf dem eine demokratische Debatte aufbauen muss. Der Aufstieg von Persönlichkeiten wie Bari Weiss ist Ausdruck eines tiefen Vertrauensverlusts in etablierte Institutionen, der weit über den Journalismus hinausgeht. Doch anstatt dieses Vertrauen durch sorgfältige und selbstkritische Arbeit zurückzugewinnen, scheint man bei Paramount Skydance den gegenteiligen Weg zu gehen: Man kapituliert vor dem Misstrauen und versucht, es geschäftlich zu nutzen. Es ist ein zynischer Pakt mit dem Zeitgeist, bei dem CBS News viel zu verlieren hat – allen voran seine journalistische Seele.

Nach oben scrollen