
In der globalen Auseinandersetzung zwischen demokratischen und autokratischen Systemen hat die zweite Amtszeit von Präsident Donald Trump eine kopernikanische Wende eingeleitet. Es ist eine Wende, die nicht auf den Schlachtfeldern militärischer Konflikte oder in den Verhandlungsräumen der Diplomatie stattfindet, sondern im unsichtbaren Raum der Information. Die Vereinigten Staaten, über Jahrzehnte hinweg der Architekt und Hauptfinanzier eines globalen Netzwerks für freien Informationsfluss, demontieren systematisch ebenjene Instrumente, die ihre Soft Power begründeten. Was wir erleben, ist keine bloße Neujustierung von Budgets oder eine administrative Reform. Es ist eine gezielte, ideologisch getriebene Entkernung der amerikanischen Fähigkeit, in der Welt für die Werte von Transparenz, Faktenbasiertheit und freier Meinungsäußerung einzutreten. Diese Politik der unilateralen Abrüstung im globalen Narrativ-Krieg ist ein strategisches Eigentor von historischen Ausmaßen, dessen Profiteure bereits heute feststehen: die Propagandaapparate in Peking, Moskau und Teheran.
Die Methoden der Demontage
Der Angriff auf Amerikas Stimme in der Welt erfolgt nicht durch ein einzelnes Dekret, sondern durch einen administrativen Zermürbungskrieg. An die Spitze der U.S. Agency for Global Media (USAGM), der Dachorganisation für Sender wie Voice of America (VOA) und Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), wurden loyalistische Akteure ohne jegliche außenpolitische oder rundfunkspezifische Expertise berufen. Die Ernennung von Kari Lake, einer gescheiterten Gouverneurs- und Senatskandidatin, zur leitenden Beraterin der Agentur, ist hierfür symptomatisch. Ihre ersten Amtshandlungen waren von einem Furor der Zerstörung geprägt: die pauschale Beurlaubung von Mitarbeitern, die Ankündigung drastischer Budgetkürzungen und die Kündigung von Vertragsangestellten, die zum Teil seit Jahren für die USA arbeiteten und nun binnen 30 Tagen das Land verlassen mussten.

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Diese Personalpolitik wird flankiert von einem juristischen und budgetären Kleinkrieg. Obwohl die betroffenen Organisationen vor Gericht erste Erfolge erzielen konnten – so urteilte ein Bundesrichter, dass die Schließung von RFE/RL dem öffentlichen Interesse widerspräche und die Entlassung des VOA-Direktors illegal sei –, befinden sie sich in einem permanenten Abwehrkampf. Die Regierung nutzt jede Möglichkeit, die Finanzierung zu blockieren und die operative Unabhängigkeit der Sender zu untergraben. Diese Taktik der permanenten Verunsicherung lähmt die Institutionen von innen. Sie bindet Ressourcen in Rechtsstreitigkeiten, die für die journalistische Arbeit fehlen, und sendet ein fatales Signal an Informanten und Mitarbeiter in repressiven Regimen: Die USA sind kein verlässlicher Partner mehr. Während Gerichte und Teile des Kongresses versuchen, als institutionelle Brandmauern zu fungieren, nagt das Feuer der Exekutive beständig am Fundament dieser traditionsreichen Einrichtungen.
Eine Ideologie gegen die Aufklärung
Diese administrativen Manöver sind jedoch kein Selbstzweck; sie sind der Ausdruck einer tief sitzenden ideologischen Überzeugung, die im Kern der MAGA-Bewegung wurzelt. Die Zerstörer der US-Auslandsmedien agieren aus einer Weltsicht heraus, die unabhängigen Journalismus per se als feindlich betrachtet und die komplexen Mechanismen der globalen Informationskonkurrenz entweder nicht versteht oder bewusst ignoriert. Eine zentrale Figur in diesem Prozess ist Darren Beattie, der als Unterstaatssekretär die Schließung des Global Engagement Center (GEC) im Außenministerium vorantrieb. Das GEC, ursprünglich als bipartisanes Projekt zur Abwehr von Terrorpropaganda konzipiert, hatte sich zuletzt auf die Analyse und Aufdeckung russischer und chinesischer Desinformationskampagnen spezialisiert.
In einem Akt atemberaubenden Zynismus wurde das GEC von seinen eigenen Vorgesetzten als eine „Zensuroperation“ gebrandmarkt, die angeblich die Meinungsfreiheit von Amerikanern unterdrücke. Dieser Vorwurf, für den niemals Beweise vorgelegt wurden, verdreht die Realität ins Gegenteil. Das GEC war ein Instrument der Transparenz, dessen Aufgabe es war, verdeckte ausländische Einflussnahme offenzulegen – und damit die Grundlage für eine informierte öffentliche Debatte zu schaffen. Die Behauptung, die Aufdeckung chinesischer Propaganda schränke die Freiheit amerikanischer Bürger ein, ist eine rhetorische Nebelkerze, die den wahren Profiteuren dieser Politik dient: den autoritären Regimen, deren Lügen nun ungehindert zirkulieren können. Es offenbart sich hier eine Haltung, die sich zwar als Vorkämpfer der freien Rede inszeniert, in Wahrheit aber eine Weltanschauung teilt, die der von Autokraten wie Wladimir Putin gefährlich nahekommt: eine tiefe Verachtung für faktenbasierte Kritik und eine Paranoia gegenüber allen Institutionen, die nicht der direkten politischen Kontrolle unterliegen.
Der Bruch mit einer historischen Mission
Die gegenwärtige Politik stellt einen radikalen Bruch mit einem über 70 Jahre gewachsenen, überparteilichen Konsens dar. Seit der Gründung von Radio Free Europe im Jahr 1950, inmitten des Kalten Krieges, verstanden alle Präsidenten von Harry Truman über Ronald Reagan bis hin zu Joe Biden die Förderung von unabhängiger Information als zentrales Element amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik. Die Logik war stets dieselbe: Gut informierte Bürger in unfreien Gesellschaften sind weniger anfällig für die Propaganda ihrer Regime, neigen eher zu demokratischen Bestrebungen und stellen langfristig ein geringeres Risiko für den internationalen Frieden dar. Selbst in Donald Trumps erster Amtszeit wurde diese grundlegende Mission, trotz einiger interner Querelen, nie vollständig infrage gestellt.
Heute jedoch wird dieses Erbe mit einer Verachtung behandelt, die schockiert. Organisationen wie das National Endowment for Democracy (NED) und seine parteinahen Institute, die seit den 1980er-Jahren weltweit zivilgesellschaftliche Gruppen, Wahlbeobachter und freie Medien unterstützen, werden nun als „CIA-Fronten“ diffamiert – eine Wortwahl, die direkt aus dem Handbuch russischer Propagandisten stammen könnte. Dass im Vorstand des republikanischen Instituts (IRI) prominente Senatoren wie Lindsey Graham und Tom Cotton sitzen, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Die ideologische Verblendung hat ein Stadium erreicht, in dem selbst die Kronjuwelen der konservativen außenpolitischen Tradition zur Disposition gestellt werden, nur weil sie nicht dem isolationistischen und autokratenfreundlichen Impuls der neuen Regierung entsprechen.
Wenn die Stille dröhnt: Die Nutznießer der Leere
Die Zerstörung der amerikanischen Informationsinfrastruktur hinterlässt keine friedliche Stille, sondern ein dröhnendes Vakuum, das von Amerikas strategischen Rivalen umgehend gefüllt wird. Die Beweise hierfür sind erdrückend. In Thailand wurde ein regelmäßiger Sendeplatz von Voice of America im staatlichen Fernsehen umgehend durch ein chinesisches Staatsmedium ersetzt. Ein indonesischer Nachrichtensender, der einst VOA-Berichte auf Mandarin ausstrahlte, zeigt nun das Programm aus Peking. China investiert massiv in den Ausbau seiner Medienpräsenz in Afrika, insbesondere in Ländern wie Äthiopien und Nigeria, genau dort, wo die USA ihre eigenen Angebote zurückfahren. Der kantonesischsprachige Dienst von Radio Free Asia wurde ausgerechnet am Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China eingestellt – eine symbolische Kapitulation von unschätzbarem Wert für die Kommunistische Partei.
Die Folgen für die Menschen in diesen Ländern sind verheerend. Für verfolgte Minderheiten wie die Uiguren in China war Radio Free Asia oft die einzige Quelle, die in ihrer eigenen Sprache über die Internierungslager berichtete und der Welt ihre Notlage bekannt machte. Für die iranische Bevölkerung, die von ihrem Regime mit Siegespropaganda über angebliche militärische Erfolge gegen Israel bombardiert wird, boten Sender wie Radio Farda eine lebenswichtige alternative Perspektive. Und in Russland, wo RFE/RL über Korruption, die wahren Opferzahlen im Ukraine-Krieg und die Sorgen der ethnischen Minderheiten berichtete, herrscht nun umso unangefochtener die Stimme des Kremls. Die russische Chefredakteurin von RT, Margarita Simonyan, feierte die Kürzungen bei den US-Sendern unverhohlen als „Feiertag“. Ihr chinesischer Kollege Hu Xijin frohlockte, die „anti-chinesische ideologische Festung der USA“ werde von innen heraus geschleift. Deutlicher kann man es nicht formulieren.
Ein Geschenk an die Gegner
Diese Politik ist nicht nur ein Verrat an den Idealen der Freiheit; sie ist auch aus einer rein machtpolitischen Perspektive kurzsichtig und gefährlich. Die Programme und Institutionen, die nun zerstört werden, sind keine teuren Wohltätigkeitsprojekte. Sie sind, gemessen am Verteidigungshaushalt, extrem kostengünstige, aber hochwirksame Instrumente der nationalen Sicherheit. Die investigative Einheit von RFE/RL, Systema, leistete wertvolle Arbeit bei der Aufdeckung von Korruptionsnetzwerken, die zur Umgehung von Sanktionen genutzt werden. Das Global Engagement Center hätte die Fähigkeit besessen, verdeckte chinesische Einflussoperationen in Europa und Lateinamerika aufzudecken, bevor sie ihre volle Wirkung entfalten. Diese Fähigkeiten werden nun fahrlässig aufgegeben.
Die Regierung argumentiert, der beste Weg gegen Desinformation sei mehr freie Rede. Doch wie soll diese freie Rede stattfinden, wenn man gleichzeitig die eigenen globalen Lautsprecher abschaltet? Diese Argumentation ist in sich widersprüchlich und dient lediglich der Verschleierung der wahren Agenda. Es ist eine Politik, die die nationale Sicherheit den ideologischen Obsessionen einer kleinen, aber mächtigen Clique opfert. Eine Politik, die Amerikas Gegnern das wertvollste Geschenk macht, das sie sich wünschen können: das Monopol über die Narrative, die das Denken und Handeln von Milliarden von Menschen prägen.
Der Kongress besitzt zwar die Macht des Haushalts und kann versuchen, die Finanzierung wiederherzustellen. Doch in einem politischen Klima, das von der Exekutive permanent vergiftet wird, bedarf dies eines politischen Mutes und einer strategischen Weitsicht, die derzeit nur in Ansätzen erkennbar sind. Sollte dieser Widerstand scheitern, droht ein Szenario, in dem die globale Informationslandschaft dauerhaft von autoritären Mächten dominiert wird. Die USA hätten dann nicht nur ihre Stimme verloren, sondern auch ihre Fähigkeit, die Welt zu verstehen und in ihrem Sinne zu gestalten. Es wäre eine stille Kapitulation mit lautstarken Konsequenzen für die Zukunft der globalen Ordnung.