
Es war ein Pakt, geschlossen im vollen Bewusstsein der Risiken. Ein stilles Übereinkommen zwischen einem Präsidenten und Millionen von Wählern, das auf einer einzigen, entscheidenden Annahme beruhte: Effektivität. Donald Trump, so die Überzeugung, möge ein verurteilter Straftäter sein, eine Figur, deren Handeln am 6. Januar 2021 die Grundfesten der amerikanischen Demokratie erschütterte. Man mochte seine Korruption und seine rhetorischen Exzesse fürchten. Doch all das schien für viele ein kalkulierbarer Preis für die versprochene Belohnung: einen kompetenten Anführer, einen effektiven CEO für die Nation, unter dessen Führung das eigene Leben besser und das Land wohlhabender werden würde. Eine Umfrage kurz nach der Wahl offenbarte diese kalte Logik schonungslos: Unabhängige Wähler glaubten zwar eher der Biden-Administration, wenn es um wahrheitsgemäße Informationen ging, doch sie setzten mit einem Vorsprung von zehn Punkten darauf, dass eine Trump-Administration Dinge erledigen würde. Die Demokratie wurde, so die Schlussfolgerung der Meinungsforscher, hinter der Erwartung an greifbare Ergebnisse zurückgestellt.
Heute, mehr als ein halbes Jahr nach Beginn seiner zweiten Amtszeit, zerbricht dieser Pakt unter der Last der Realität. Das Fundament aus Vertrauen in Trumps Macherqualitäten erodiert und legt einen Abgrund frei, der für jeden Präsidenten politisch tödlich ist. Es ist nicht die moralische Verfehlung, die ihm nun zum Verhängnis zu werden droht – diese hatten viele bereits eingepreist. Es ist die wachsende, erdrückende Erkenntnis seiner Inkompetenz. In der amerikanischen Politik, so zeigt sich, ist dies die eine unverzeihliche Sünde.

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Der Tsunami der Zölle: Wie Trumps Wirtschaftspolitik den Alltag erreicht
Die ersten Risse im Fundament zeigen sich dort, wo es für die Menschen am unmittelbarsten spürbar ist: im eigenen Geldbeutel. Die oft ohne klare Strategie angekündigten und wieder geänderten Zollerhöhungen der Trump-Administration sickern langsam, aber unaufhaltsam in die Adern der Wirtschaft. Sie wirken wie ein schleichendes Gift. Die Verbraucherpreise sind bereits um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, was die US-Notenbank Federal Reserve davon abhält, die Zinsen zu senken – trotz des enormen Drucks aus dem Weißen Haus. Der Arbeitsmarkt, einst ein strahlendes Symbol für Stärke, zeigt deutliche Ermüdungserscheinungen. Ein Zuwachs von lediglich 73.000 Stellen im Juli und eine nachträgliche, drastische Korrektur der Zahlen für Mai und Juni nach unten um über eine Viertelmillion sind alarmierende Signale. Die Arbeitslosigkeit ist auf 4,2 Prozent geklettert.
Diese Zahlen sind keine abstrakten Statistiken; sie manifestieren sich als konkrete Sorgen am Küchentisch. Mehr als die Hälfte aller Amerikaner gibt an, dass die Kosten für Lebensmittel eine Hauptquelle für Stress in ihrem Leben sind. Die nationale Einstellungsrate ist nahe einem Zehnjahrestief, da Unternehmen mit Investitionen zögern. Die Menschen halten sich bei großen Anschaffungen zurück. Das Budget Lab der Universität Yale hat errechnet, dass der amerikanische Verbraucher mit einer durchschnittlichen effektiven Zollrate von 18,3 Prozent konfrontiert ist – der höchste Wert seit 1934. Für jeden Haushalt bedeutet dies geschätzte Mehrkosten von 2.400 Dollar in diesem Jahr. Selbst Industriegiganten wie General Motors beziffern die Kosten der Zölle auf über eine Milliarde Dollar. Die Regierung wettet darauf, dass ihre Zollpolitik die Inflation nicht anheizt, stattdessen massive Einnahmen zur Reduzierung des Defizits generiert und eine Renaissance der amerikanischen Industrie einleitet. Doch die Beweise deuten in die entgegengesetzte Richtung, und diese schmerzhafte Wahrheit wird für die Bürger von Monat zu Monat deutlicher.
Der stille Krieg gegen den Staat: Wie Trumps Regierung sich selbst sabotiert
Die wirtschaftlichen Verwerfungen sind nur die sichtbarste Front eines viel tiefer liegenden Problems: des gezielten und zugleich planlosen Angriffs auf die staatlichen Institutionen selbst. Dieses Vorgehen bricht fundamental mit traditionellen konservativen Prinzipien. Denn während der Ruf nach Rechenschaft, Effizienz und einer schlankeren Regierung ein legitimes konservatives Anliegen ist, gleicht das, was sich hier beobachten lässt, keinem chirurgischen Eingriff zur Verbesserung des Staates. Es ist vielmehr ein „gedankenloses und rücksichtsloses“ Wüten mit der Kettensäge.
Die Folgen dieser Politik sind verheerend und weitreichend:
- Gesundheitssystem im Zerfall: Schätzungen zufolge wird die Zahl der unversicherten Amerikaner um mehr als 10 Millionen steigen, was besonders ländliche und verletzliche Bevölkerungsgruppen trifft. Die National Institutes of Health (NIH), das weltweite Flaggschiff der medizinischen Forschung, wurden massiv geschwächt. Fast 2.500 Forschungsprojekte wurden beendet oder verzögert, was die Entwicklung neuer Therapien und die öffentliche Gesundheitsvorsorge gefährdet. Die Entscheidung von Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., fast 500 Millionen Dollar für die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen zu streichen, untergräbt die Forschung an einer Technologie, die Millionen Leben gerettet hat und als große Hoffnung in der Krebstherapie galt.
- Administrative Kernschmelze: Die Kürzung eines Viertels der Belegschaft bei der Steuerbehörde IRS könnte die Steuererhebung untergraben und die Wartezeiten auf Rückerstattungen verlängern. Die Sozialversicherungsbehörde (SSA) muss mit den wenigsten Mitarbeitern seit einem halben Jahrhundert mehr Menschen als je zuvor betreuen, was zu Schließungen von Büros und Verzögerungen bei der Auszahlung von Renten- und Behindertenleistungen führt.
- Katastrophenschutz in Auflösung: Die Katastrophenschutzbehörde FEMA ist in einem Zustand des Chaos, geleitet von einer als überfordert beschriebenen Person. Trump will die Behörde bis Jahresende ganz abschaffen. Ein Drittel der festen Belegschaft ist bereits verloren, und Programme zur Katastrophenvorsorge wurden gestrichen. Die Konsequenzen zeigten sich nach den Überflutungen in Texas, als Tausende Anrufe bei der Hilfe-Hotline unbeantwortet blieben, weil zuvor Hunderte Call-Center-Mitarbeiter entlassen wurden.
- Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit: Die Regierung hat die Durchsetzung des wegweisenden Gesetzes gegen Korruption im Ausland (Foreign Corrupt Practices Act) beendet. Programme zur Beschlagnahmung von Vermögenswerten russischer Kleptokraten wurden eingestellt. Zudem wurden 20 Generalinspektoren – die internen Wachhunde der Regierung, die Betrug und Missbrauch aufdecken sollen – entlassen oder degradiert.
Dies ist kein konservativer Reformkurs. Es ist ein nihilistischer Akt der Zerstörung, der darauf abzielt, die als „Schurken“ diffamierten Staatsdiener ins „Trauma“ zu stürzen, wie es Trumps Haushaltsdirektor formulierte.
Hinter den Zahlen: Die menschlichen Kosten der Inkompetenz
Die wirkungsvollste Kritik an dieser Politik erschöpft sich jedoch nicht in abstrakten Analysen. Sie findet sich in der menschlichen Erzählung – in den Geschichten derer, die den Preis dafür zahlen.
Es sind Geschichten wie die der Frau in den Vierzigern mit Darmkrebs im vierten Stadium, deren potenziell lebensrettende Teilnahme an einer klinischen Studie durch die NIH-Kürzungen verhindert wurde. Es sind die Hoffnungen von Familien, die auf einen Durchbruch in der Alzheimer-Forschung warten, die nun möglicherweise enttäuscht werden. Es sind die Landwirte in Iowa, die von zwei Seiten zerdrückt werden: durch steigende Kosten für Maschinen und Dünger aufgrund der Zölle und durch den Verlust internationaler Märkte.
Die Zerstörungskraft wird auch in Omaha sichtbar, wo ICE-Razzien die Firma Glenn Valley Foods, einst ein aufstrebendes Unternehmen der Fleischindustrie, an den Rand des Ruins trieben. Innerhalb von Wochen brach die Produktion um fast 70 Prozent ein, weil ein Großteil der Belegschaft festgenommen wurde oder verschwand. Die Wucht dieser Politik überschreitet sogar die Landesgrenzen. Berichte erzählen von Kindern wie Gbessey in Liberia, der an Malaria starb, weil die Schließung von USAID dazu führte, dass die Gesundheitshelfer vor Ort keine Medikamente mehr hatten. Eine Studie prognostiziert, dass die Einstellung der USAID-Finanzierung bis zum Ende des Jahrzehnts zu 14 Millionen Todesfällen führen könnte.
Diese Beispiele sind keine Anekdoten. Sie sind die direkte, kausale Folge einer Regierung, die sich als eine Ansammlung von „Amateuren, Unfähigen und Überforderten“ erweist.
Die offene Flanke: Warum Inkompetenz Trumps größte Schwäche ist
Hier liegt die strategische Chance für die politische Opposition. Der Weg, Trumps Bewegung zu besiegen, führt nicht primär über moralische Anklagen, sondern über den Nachweis seiner fundamentalen Unfähigkeit zu regieren. Für die Demokraten bedeutet dies, sich nicht als Partei des Staates, sondern als Partei der Reform und der Kompetenz zu präsentieren. Ihre Aufgabe ist es, mit laserscharfem Fokus aufzuzeigen, wie Trumps Politik das Leben der Bürger in allen Bereichen – Wirtschaft, Gesundheit, Sicherheit – schlechter macht, nicht besser.
Um die volle Tragweite dieser Politik zu vermitteln, müssen die abstrakten Zahlen und Entscheidungen ein menschliches Gesicht bekommen. Es geht darum, die Verbindung zwischen einem Federstrich in Washington und einer persönlichen Tragödie in Indiana oder Iowa herzustellen.
Am Ende steht ein Bild, das an F. Scott Fitzgeralds Beschreibung von Tom und Daisy Buchanan in „Der große Gatsby“ erinnert: rücksichtslose Menschen, die Dinge und Kreaturen zerschlagen und sich dann in ihre eigene Welt zurückziehen, während andere den Scherbenhaufen aufräumen müssen. Trump hinterlässt eine Spur der Zerstörung in einem fast unvorstellbaren Ausmaß, scheinbar unberührt vom Leid, das er verursacht. Der Schmerz und die Opferzahlen werden weiter steigen. Ein Teil des Schadens mag heilbar sein, ein anderer wird für immer bleiben. Der Pakt, der auf der Illusion von Kompetenz gebaut war, ist gebrochen. Die Wähler erhalten nun die Rechnung, und es wird an anderen sein, die Trümmer aufzusammeln und den langen, schmerzhaften Prozess des Wiederaufbaus zu beginnen.