
Die abrupte Kündigung der New Yorker Star-Staatsanwältin Maurene Comey ist weit mehr als eine Personalie. Sie ist ein politisches Manöver, das tiefe Einblicke in die Funktionsweise der Trump-Regierung gewährt: eine Mischung aus persönlicher Vendetta, strategischem Kalkül zur Besänftigung der eigenen Basis und einer fortschreitenden Verachtung für institutionelle Unabhängigkeit. Der Vorgang ist ein Lehrstück über die Aushöhlung demokratischer Normen.
Es war ein kurzer, trockener Verwaltungsakt, der dennoch Schockwellen durch das amerikanische Justizsystem sandte und das politische Washington in helle Aufregung versetzte. Maurene Comey, eine seit fast einem Jahrzehnt tätige und als Mentorin für jüngere Kollegen hochrespektierte Bundesstaatsanwältin im prestigeträchtigen Southern District of New York, wurde am Mittwochnachmittag ohne Vorwarnung gefeuert. Die Entlassungsurkunde, unterzeichnet von einer politischen Beauftragten im Justizministerium, enthielt keine plausible Begründung für diesen drastischen Schritt. Stattdessen wurde lediglich auf Artikel II der Verfassung verwiesen – jenen Passus, der die umfassenden Machtbefugnisse des Präsidenten beschreibt. Es ist eine Begründung, die so allumfassend ist, dass sie im Grunde keine ist. Sie signalisiert schlicht rohe, unverblümte Macht: Wir können das, also tun wir das.

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Diese demonstrative Zurschaustellung von Autorität wäre unter normalen Umständen bereits alarmierend genug. Im Fall von Maurene Comey jedoch ist sie ein Brandbeschleuniger für Spekulationen, denn sowohl ihr Name als auch ihre Arbeit stehen im Zentrum gleich mehrerer politischer und juristischer Konfliktlinien, die direkt ins Weiße Haus führen. Sie ist nicht irgendeine Juristin in der riesigen Maschinerie der Bundesjustiz. Sie ist die Tochter von James Comey, dem früheren FBI-Direktor, dessen Entlassung 2017 durch Donald Trump eine Staatskrise auslöste und der seither zu einem der prominentesten und unerbittlichsten Widersacher des Präsidenten zählt. Zudem war sie als Staatsanwältin federführend in einigen der heikelsten und öffentlichkeitswirksamsten Fälle der jüngeren Vergangenheit: dem komplexen Verfahren gegen den verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und seine Komplizin Ghislaine Maxwell sowie dem jüngsten Prozess gegen den Hip-Hop-Mogul Sean „Diddy“ Combs.
Die Entlassung lässt sich daher unter keinen Umständen isoliert betrachten. Sie ist ein Mosaikstein in einem größeren, beunruhigenden Bild, das sich in den letzten Wochen und Monaten immer deutlicher abzeichnet. Es ist das Bild einer Regierung, die das Justizministerium systematisch von vermeintlichen Gegnern und unliebsamen Stimmen säubert und dessen Unabhängigkeit gezielt und mit wachsender Dreistigkeit untergräbt.
Ein Muster der Säuberung: Loyalität über Recht
Die Kündigung von Maurene Comey ist kein Einzelfall, sondern die vorläufige Klimax einer Serie von Entlassungen, die eine klare Handschrift tragen. In den vergangenen Wochen hat das von Generalstaatsanwältin Pam Bondi geführte Justizministerium eine regelrechte Säuberungswelle durchgeführt. Betroffen waren auffallend häufig Juristen, Ermittler und administrative Mitarbeiter, die an politisch unliebsamen Fällen gearbeitet hatten oder als nicht hundertprozentig loyal galten. Dazu zählen Staatsanwälte, die in den Verfahren rund um den Sturm auf das Kapitol ermittelten, sowie Mitarbeiter und Ermittler aus dem Team des Sonderermittlers Jack Smith, der die Untersuchungen gegen Donald Trump selbst leitete. Erst vergangene Woche wurden 20 Angestellte entlassen, die an Trump-bezogenen Strafverfolgungen während der Biden-Regierung mitgewirkt hatten. Sogar der leitende Ethik-Berater der Generalstaatsanwältin, ein langjähriger und erfahrener Karrierebeamter, musste seinen Posten räumen.
Diese gezielten Entlassungen, oft ohne Angabe von Gründen oder unter Berufung auf pauschale Autorität, stellen einen frontalen Angriff auf die im US-System tief verankerten Schutzmechanismen für Regierungsangestellte (civil service protections) dar. Diese Schutzvorkehrungen wurden einst geschaffen, um eine unparteiische Verwaltung zu gewährleisten und Beamte vor politischer Willkür zu schützen. Die Trump-Regierung versucht jedoch mit Nachdruck, diese Schutzwälle zu schleifen und durch ein System zu ersetzen, in dem persönliche Loyalität gegenüber dem Präsidenten über fachlicher Kompetenz und rechtsstaatlichem Ethos steht. Der Fall Comey, deren Kollegen sie aus Solidarität demonstrativ aus dem Gerichtsgebäude eskortierten, ist dabei der bisher sichtbarste und symbolträchtigste. Er sendet eine unmissverständliche und abschreckende Botschaft an Tausende von Mitarbeitern im Regierungsapparat: Wer sich in politisch heiklen Bereichen engagiert, die dem Präsidenten missfallen könnten, riskiert seinen Job.
Der Epstein-Faktor: Ein strategisches Bauernopfer?
Die Entlassung fällt in eine Zeit, in der das Justizministerium und insbesondere Generalstaatsanwältin Bondi unter massiven Beschuss aus dem eigenen politischen Lager stehen. Der Grund ist der hoch explosive Umgang mit dem Fall Jeffrey Epstein. Entgegen früherer Versprechungen weigert sich die Regierung, weitere Ermittlungsakten zu veröffentlichen, und hat kürzlich ein Memo herausgegeben, das die Existenz einer sogenannten „Klientenliste“ von Epstein verneint und seinen Tod in der Gefängniszelle als Suizid bestätigt. Dies hat bei vielen Trump-Anhängern, Online-Aktivisten und Verschwörungstheoretikern, die eine weitreichende Vertuschung zum Schutz mächtiger Personen wittern, zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Der Druck auf Bondi wurde so groß, dass Trump sich genötigt sah, seine eigene Basis via Social Media als „Schwächlinge“ zu beschimpfen und seine Justizministerin öffentlich zu verteidigen.
In diesem aufgeheizten Klima gewinnt die Entlassung von Maurene Comey eine weitere, strategische Dimension. Rechte Internet-Aktivistinnen wie Laura Loomer, die erheblichen Einfluss auf Teile der Trump-Basis ausüben, hatten nicht nur die Entlassung von Bondi gefordert, sondern zuvor auch wiederholt den Kopf von Maurene Comey verlangt. Ihre Begründung: Comey habe sich in ihrer Rolle als Staatsanwältin – wie in solchen Fällen üblich und rechtlich geboten – gegen die Offenlegung sensibler Ermittlungsdetails ausgesprochen, um Zeugen und Opfer zu schützen und mögliche zukünftige Verfahren nicht zu gefährden. Ihre Entlassung kann nun als Bauernopfer interpretiert werden, um die wütende Basis zu besänftigen. Die Botschaft lautet: Seht her, wir handeln. Wir entfernen eine Person, die mit dem Fall Epstein verbunden ist und deren Vater ohnehin ein Feindbild ist. Damit lenkt die Administration von ihrer eigenen unpopulären Entscheidung ab, die Akten geschlossen zu halten, und bietet eine prominente Person als Zielscheibe für den Volkszorn an.
Eine offene Rechnung: Die Vendetta gegen den Namen Comey
Über die strategischen Überlegungen hinaus schwingt im Fall von Maurene Comeys Entlassung eine unübersehbare persönliche und historische Komponente mit. Die Feindschaft zwischen Donald Trump und James Comey ist tief, legendär und gut dokumentiert. Sie begann mit der Weigerung des damaligen FBI-Chefs, dem Präsidenten bei einem privaten Abendessen einen persönlichen Loyalitätseid zu schwören – ein Vorgang, der Comey so beunruhigte, dass er ihn in einem Memo festhielt. Die Feindschaft gipfelte in seiner spektakulären Entlassung während der Russland-Ermittlungen. Seitdem hat Trump Comey unablässig als Schlüsselfigur einer „Hexenjagd“ und eines „Hoax“ diffamiert und ihn des Verrats bezichtigt. Comey wiederum verglich Trump öffentlich mit einem Mafiaboss und beschrieb ihn als eine Gefahr für die Demokratie.
Dass nun seine Tochter, eine angesehene Staatsanwältin mit eigener, erfolgreicher Karriere, ohne ersichtlichen Grund gefeuert wird, wirkt wie der nächste Akt in dieser persönlichen Vendetta. Die Entlassung ist eine unmissverständliche Machtdemonstration, die sich direkt an ihren Vater richtet. Sie wird zusätzlich dadurch brisant, dass das Justizministerium erst kürzlich die Existenz einer strafrechtlichen Untersuchung gegen James Comey selbst bestätigte – auch hier sind die Gründe bisher unklar. Die Kündigung der Tochter durch dieselbe Behörde, die gegen den Vater ermittelt, komplettiert das Bild einer Justiz, die als Waffe gegen politische Gegner instrumentalisiert wird. Der Name Comey soll aus dem System getilgt und öffentlich diskreditiert werden. Dabei wird selbst eine erfolgreiche Karriere wie die von Maurene Comey, die unter anderem die entscheidende Verurteilung von Ghislaine Maxwell sicherstellte, zur reinen Verfügungsmasse politischer Rachefeldzüge. Der gemischte Ausgang im Prozess gegen Sean Combs, bei dem sie zwar eine Verurteilung erreichte, aber nicht in den Hauptanklagepunkten, könnte dabei höchstens als fadenscheiniger Vorwand dienen, der jedoch in keinem Verhältnis zur Drastik der Entlassung steht.
Letztlich ist die Entlassung von Maurene Comey ein Symptom für einen tiefgreifenden Erosionsprozess. Sie zeigt, wie persönliche Animositäten, der Druck der eigenen radikalisierten Basis und ein strategisches Desinteresse an rechtsstaatlichen Verfahren zu einer Politik verschmelzen, die die Grundpfeiler der amerikanischen Demokratie gefährdet. Wenn eine Staatsanwältin nicht mehr aufgrund ihrer Arbeit, sondern aufgrund ihres Namens und der politischen Nützlichkeit ihrer Entlassung beurteilt wird, ist die Unabhängigkeit der Justiz in höchster Gefahr. Die Botschaft, die von diesem Fall ausgeht, ist verheerend: Im Zweifel schlägt politische Macht das Recht. Und es gibt immer weniger Menschen, die bereit sind oder es sich leisten können, sich dem entgegenzustellen.