
Ein brutaler Sommer legt sich über die Ukraine. Nächte ohne Schlaf, in denen der Himmel von feindlichen Drohnen schwirrt und der Lärm der Flugabwehr zum zynischen Schlaflied für Millionen Menschen in den Metrostationen von Kiew wird. Es ist ein Krieg, dessen Ende Donald Trump einst an seinem ersten Tag im Amt versprach. Doch die Realität im Juli 2025 zeichnet ein anderes Bild: Nach einem Telefonat mit Wladimir Putin, das er selbst als enttäuschend beschreibt, antwortet der Kreml mit einer der schwersten Angriffswellen seit Kriegsbeginn. Hunderte Drohnen und Raketen regnen auf die ukrainische Hauptstadt nieder. Trumps Friedensrhetorik verhallt ungehört, während seine eigene Politik im Stillen eine Dynamik entfesselt, die Russlands Aggression nicht eindämmt, sondern systematisch befeuert.
Washington vollzieht eine schleichende, aber unverkennbare Parteinahme für Moskau. Diese Neuausrichtung ist keine laute Kriegserklärung an Kiew, sondern ein Prozess der leisen Entscheidungen, der widersprüchlichen Signale und der strategischen Unterlassungen. Sie schafft eine neue, gefährliche Realität, in der die Ukraine um ihr Überleben kämpft, während in Moskau die Überzeugung wächst, diesen Krieg militärisch für sich entscheiden zu können. Die USA, einst der wichtigste Garant der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit, werden unter Trump zum unsichersten Faktor in einem Konflikt, der Europa und die globale Ordnung in seinen Grundfesten erschüttert.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Zwischen Rhetorik und Realität: Washingtons widersprüchlicher Kurs
Die Politik der Trump-Administration gegenüber der Ukraine ist ein Lehrstück in Widersprüchlichkeit. Öffentlich inszeniert sich der US-Präsident als potenzieller Friedensstifter, der den Konflikt beenden will. Er spricht mit beiden Kriegsparteien, äußert Sympathie für ukrainische Journalisten und gibt sich nach Telefonaten mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj optimistisch. Doch hinter dieser Fassade entfaltet sich eine gänzlich andere Politik, die von seinen eigenen ernannten Beamten umgesetzt wird und die amerikanische Unterstützung für Kiew systematisch aushöhlt.
Das eklatanteste Beispiel ist der abrupte Stopp bereits bewilligter und teilweise schon nach Polen transportierter Waffenlieferungen. Mitten in einer der heftigsten russischen Luftkampagnen wird die Lieferung von entscheidender Munition, darunter Abfangraketen für die lebenswichtigen Patriot-Flugabwehrsysteme, Artilleriegranaten und Raketen für F-16-Kampfjets, auf Eis gelegt. Die offizielle Begründung des Pentagon lautet, man müsse die eigenen, angeblich unzureichenden Bestände schonen. Doch diese Erklärung wird von ehemaligen Beamten der Biden-Administration und unabhängigen Analysten als Vorwand entlarvt. Kritiker werfen dem US-Verteidigungsminister vor, die angebliche Knappheit als Deckmantel für seine und Trumps „America First“-Agenda zu nutzen und damit bereits zum dritten Mal zu versuchen, die Ukraine-Hilfe eigenmächtig zu stoppen. Diese Entscheidung wurde ohne Absprache mit dem US-Außenministerium, dem Kongress oder den europäischen und ukrainischen Partnern getroffen und sendet ein verheerendes Signal.
Gleichzeitig werden die Wirtschaftssanktionen gegen Russland de facto ausgehöhlt. Anstatt die Sanktionsregime kontinuierlich an die Umgehungsstrategien russischer Firmen anzupassen, wie es unter der Vorgängerregierung üblich war, hat die Trump-Administration diese Praxis eingestellt. Neue Scheinfirmen können nun ungehindert Computerchips und Militärgüter nach Russland schleusen und so die russische Kriegsmaschinerie am Laufen halten. Die USA nehmen damit nicht nur im militärischen, sondern auch im Wirtschaftskrieg zunehmend die Seite Russlands ein.
Ein Kalkül mit verheerenden Folgen: Putins neue Siegesgewissheit
In Moskau werden diese Signale aus Washington genauestens registriert und als strategische Einladung verstanden. Wladimir Putin sieht, dass die amerikanische Entschlossenheit bröckelt, und schöpft daraus die feste Überzeugung, den Krieg gewinnen zu können. Der Kreml-Sprecher formulierte es unmissverständlich: Je weniger Waffen an die Ukraine geliefert werden, desto näher rücke das Ende der „militärischen Spezialoperation“ – eine Umschreibung für die Niederlage und Zerschlagung der Ukraine. Jede gestoppte Waffenlieferung und jede nicht verhängte Sanktion ist für Putin ein direkter Anreiz, den Krieg mit aller Härte fortzusetzen. Er sucht keinen Waffenstillstand, weil er glaubt, ihn nicht zu brauchen.
Die Reaktion des Kremls auf Trumps diplomatische Bemühungen spricht Bände. Unmittelbar nach dem Telefonat zwischen den beiden Präsidenten intensivierte Russland seine Angriffe auf Kiew massiv. Dieses Vorgehen wird von der ukrainischen Führung als Ausdruck „völliger Verachtung“ Putins für die USA und deren Friedensappelle gewertet. Es demonstriert, dass der russische Präsident verbale Ermahnungen ignoriert, solange die tatsächlichen Handlungen der USA seine Position stärken.
Diese Entwicklung wird durch eine parallele Verschiebung im Informationskrieg verstärkt. Die Trump-Administration hat nicht nur das Global Engagement Center aufgelöst, eine für die Aufdeckung russischer Desinformationskampagnen zuständige Behörde des Außenministeriums, sondern sie auch haltlos beschuldigt, konservative amerikanische Stimmen zensiert zu haben. Gleichzeitig werden die Mittel für unabhängige russische Medien und Oppositionelle wie Radio Free Europe/Radio Liberty gekürzt. Damit geben die USA ihre wichtigsten Werkzeuge auf, um der russischen Staatspropaganda entgegenzuwirken und die russische Bevölkerung mit realen Nachrichten über den Krieg zu erreichen. Schlimmer noch: Trumps eigener Sonderverhandler für Russland, der Immobilienentwickler Steve Witkoff, verbreitet selbst aktiv russische Propagandalügen, indem er die Existenz der Ukraine als eigenständige Nation infrage stellt und damit Putins imperialistische Kriegsziele legitimiert.
Verzweifelte Innovation: Kiews Kampf an zwei Fronten
Für die Ukraine ist der Wandel in der US-Politik eine existenzielle Bedrohung. Konfrontiert mit einer immer brutaleren russischen Offensive und einem unsicheren Hauptverbündeten, ist Kiew gezwungen, seine Strategie radikal anzupassen. Dieser Kampf wird nun an zwei Fronten geführt: einerseits durch eine diplomatische Charmeoffensive gegenüber Washington und europäischen Partnern, andererseits durch eine massive Beschleunigung der eigenen Rüstungsinnovation.
Präsident Selenskyj bezeichnete sein Gespräch mit Trump trotz der angespannten Lage als „wichtig und produktiv“, ein Versuch, die verbleibenden Kommunikationskanäle offen zu halten. Doch die wahren Anstrengungen konzentrieren sich auf die Schaffung von Fakten am Boden. Die Ukraine hat Abkommen mit einer führenden US-Verteidigungsfirma sowie mit europäischen Partnern wie Dänemark unterzeichnet, um die Produktion und gemeinsame Entwicklung von Waffen, insbesondere von Drohnen, massiv hochzufahren. Das Ziel ist es, noch in diesem Jahr „Hunderttausende“ neuer Drohnen zu erhalten, wobei der Fokus auf Abfangdrohnen liegt, um sich gegen die russischen Luftangriffe zu verteidigen.
Gleichzeitig hat die Ukraine ihre Gegenschläge qualitativ verändert. Statt sich auf die Frontlinie zu beschränken, greift sie gezielt militärische und industrielle Hochwertziele tief im Inneren Russlands an. Berichte über erfolgreiche Schläge auf die russische Luftwaffenbasis Borisoglebsk in der Region Woronesch, auf Depots mit Gleitbomben und auf Rüstungsbetriebe zeugen von dieser neuen Strategie. Diese Angriffe sollen nicht nur Russlands Fähigkeit zur Kriegsführung schwächen, sondern auch den Krieg für die russische Bevölkerung spürbar machen und den „Appetit zu töten“, wie Selenskyj es ausdrückte, zügeln.
Der Krieg aus der Luft: Eine neue Dimension der Zerstörung
Der Sommer 2025 markiert die Eskalation zu einem erbarmungslosen Drohnenkrieg. Beide Seiten setzen Hunderte unbemannte Flugsysteme pro Nacht ein und verlagern die Zerstörung immer weiter ins zivile Leben. In der Ukraine führen russische Angriffe zu Toten und Verletzten in Städten wie Kiew und Charkiw. Ein achtjähriger Junge stirbt, als eine Drohne das Auto seiner Familie trifft. Wohnhäuser, Lagerhallen und Hafeninfrastruktur brennen. Die ständige Bedrohung aus der Luft zwingt Menschen in Schutzräume und legt das öffentliche Leben lahm. Die prekäre Sicherheitslage wird durch die wiederholten Stromausfälle im russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja noch verschärft, die das Risiko einer nuklearen Katastrophe verdeutlichen. Geheimdienstberichte, wonach Russland systematisch verbotene Chemiewaffen wie Chlorpikrin einsetzt, um ukrainische Soldaten aus ihren Gräben zu treiben, zeichnen das Bild einer zunehmend enthemmten Kriegsführung.
Doch auch Russland bekommt die Folgen zu spüren. Ukrainische Drohnenangriffe legen den Flugverkehr an wichtigen internationalen Flughäfen in Moskau und St. Petersburg lahm und sorgen für massive Störungen inmitten der russischen Sommerferien. Auch wenn die russische Flugabwehr viele Drohnen abfängt, zeigen die Angriffe die Verwundbarkeit des russischen Hinterlandes.
Dieser eskalierende Luftkrieg, befeuert durch die widersprüchliche Politik Washingtons, führt den Konflikt in eine neue, noch zerstörerischere Phase. Die von Trump versprochene schnelle Beendigung des Krieges ist einer Realität gewichen, in der die Handlungen seiner Regierung das Blutvergießen verlängern. Die Hoffnung auf Frieden, so das bittere Paradoxon dieses Sommers, liegt nicht in einem unklaren Arrangement mit dem Aggressor, sondern in der entschlossenen und verlässlichen Stärkung des Angegriffenen. Nur ein Scheitern der russischen Aggression kann den Weg für einen gerechten und dauerhaften Frieden ebnen.