Amerikas Abschied vom All: Wie Trumps Budget-Axt die NASA zerlegt und China den Weg ebnet

Illustration: KI-generiert

Ein beispielloser Kahlschlag bei der NASA und der National Science Foundation bedroht die wissenschaftliche Vormachtstellung der USA. Es geht um mehr als nur um gestrichene Missionen: Auf dem Spiel stehen die nationale Sicherheit, die wirtschaftliche Zukunft und die kulturelle Identität einer Nation, die einst nach den Sternen griff. Während Amerika zaudert, rüsten globale Rivalen auf.

Die Menschheit steht an einer faszinierenden Schwelle. Dank Instrumenten wie dem James-Webb-Weltraumteleskop sind wir erstmals in der Lage, in den Atmosphären ferner Exoplaneten nach den chemischen Spuren von Leben zu suchen. Die Antwort auf die uralte, existenzielle Frage, ob wir allein im Universum sind, scheint in greifbare Nähe gerückt. Doch in einem Akt historischer Ironie droht die Nation, die diesen Weg über Jahrzehnte geebnet hat, genau in diesem entscheidenden Moment die Führung abzugeben. Die von der Trump-Administration vorgeschlagenen Budgetkürzungen für das Jahr 2026 stellen einen frontalen Angriff auf die amerikanische Wissenschaft dar, dessen Folgen weit über die Grenzen von Forschungslaboren und Sternwarten hinausreichen.

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Der Plan sieht eine Kürzung der NASA-Mittel um fast ein Viertel vor, was die Behörde inflationsbereinigt auf das finanzielle Niveau von 1961 zurückwerfen würde – eine Zeit, bevor John F. Kennedy die Nation zum Mond aufrief. Dieser drastische Aderlass, den die Planetary Society als „extinction-level event“ bezeichnet, ist nicht nur ein buchhalterischer Akt, sondern eine strategische Neuausrichtung mit potenziell katastrophalen Folgen. Er trifft das Herz der wissenschaftlichen Erkundung, gefährdet die nationale Sicherheit und schafft ein geopolitisches Vakuum, das Amerikas Rivalen nur zu gerne füllen werden. Es ist die Blaupause für den Rückzug aus der Zukunft – ein Prozess, bei dem nicht nur Missionen, sondern auch eine Identität auf der Startrampe zurückgelassen werden.

Gestrichene Horizonte: Das Ende der großen Fragen

Der wissenschaftliche Verlust durch die geplanten Kürzungen ist kaum zu ermessen und trifft die ambitioniertesten Projekte am härtesten. Im Zentrum des Kahlschlags steht das Wissenschaftsdirektorat der NASA, dessen Budget um fast die Hälfte einbrechen soll. Diese Abteilung ist die Schmiede der großen Entdeckungen: Sie entwickelte die Mars-Rover, die bewiesen, dass der rote Planet einst von Wasser bedeckt war, und baute Teleskope wie Hubble und James Webb, die unser Verständnis des Kosmos revolutionierten. Nun wird ihr die Luft abgedreht.

Besonders schmerzhaft ist das quasi-Ende für das Habitable Worlds Observatory (HWO), den direkten Nachfolger des James-Webb-Teleskops, das gezielt für die Suche nach Leben auf Exoplaneten konzipiert wurde. Sein Budget soll um 80 Prozent gekürzt werden, was das für die 2040er Jahre geplante Projekt faktisch stoppt. Damit wird die technologische Fähigkeit, das Licht einer fernen Welt vom milliardenfach helleren Schein ihres Sterns zu trennen – eine Aufgabe, die mit der Ortung eines Glühwürmchens neben einem Stadionstrahler aus Tausenden von Kilometern Entfernung vergleichbar ist – auf unbestimmte Zeit verschoben.

Doch der Rotstift wütet auf breiter Front. Zwei Missionen zum Nachbarplaneten Venus, der einst erdähnlich gewesen sein könnte und heute als warnendes Beispiel für einen galoppierenden Treibhauseffekt dient, werden komplett gestrichen. Die wissenschaftliche Gemeinschaft, die verstehen will, wie es zu dieser höllischen Verwandlung kam, wird im Dunkeln gelassen. Auch etablierte und erfolgreiche Missionen wie die Jupiter-Sonde Juno oder New Horizons, die nach ihrem Vorbeiflug an Pluto in den unbekannten Raum am Rande des Sonnensystems vorstößt, sollen stillgelegt werden. Das Chandra-Röntgenobservatorium, ein weiteres Flaggschiff, steht vor dem Aus. Insgesamt könnten laut der Planetary Society 41 aktuelle oder geplante Missionen beendet werden. Diese Politik erzeugt einen bizarren Widerspruch: Während die Administration verbal an dem Ziel festhält, Menschen zum Mars zu schicken, streicht sie genau jene robotischen Vorläufermissionen, die für das Überleben von Astronauten entscheidend wären. Ohne die Daten von Orbitern und Landern über die Umweltbedingungen auf dem Mars ist eine bemannte Mission nicht nur riskant, sondern schlichtweg unverantwortlich.

Ein Sicherheitsrisiko aus politischer Kurzsichtigkeit

Die Vorstellung, die NASA sei eine rein zivile Agentur für schöne Bilder und ferne Planeten, ist eine gefährliche Fehleinschätzung. Wie der ehemalige NASA-Administrator Bill Nelson eindrücklich schildert, ist die Behörde eine unverzichtbare Säule der nationalen Sicherheit. Ein alarmierendes Beispiel dafür war ein Vorfall im Dezember 2023, als ein Schwarm nicht identifizierter Drohnen 17 Tage lang den hochsensiblen Luftraum über der Langley Air Force Base verletzte. Es war keine Technologie des Militärs, sondern ein experimentelles System des benachbarten NASA-Forschungszentrums, das die Bedrohung überhaupt erst aufspürte. Dieser Vorfall wirft eine drängende Frage auf: Wenn eine solche Infiltration bei Langley möglich ist, was schützt dann die entscheidenden Startplätze am Kennedy Space Center oder an der Vandenberg Space Force Base vor Angriffen?

Die technologischen Fortschritte der NASA sind direkt in die Entwicklung modernster Flugzeuge und Raketen eingeflossen und sichern die Überlegenheit Amerikas am Himmel und im Orbit. Ihre Satelliten zur Erdbeobachtung sind nicht nur für die Klimaforschung, sondern auch für das Militär und die Landwirtschaft von essenzieller Bedeutung. Die Kürzungen gefährden diese Synergien und schwächen die Fähigkeit des Landes, auf neue, unkonventionelle Bedrohungen wie autonome Drohnenschwärme zu reagieren.

Gleichzeitig schafft der amerikanische Rückzug ein geopolitisches Machtvakuum im All. Während die USA ihre Ambitionen begraben, starten China und Europa durch. Die Europäische Weltraumorganisation ESA verfolgt eine eigene Liste von Missionen zur Untersuchung von Exoplaneten. China hat angekündigt, bereits 2028 sein eigenes Weltraumteleskop „Earth 2.0“ zu starten, das gezielt nach erdgroßen Planeten suchen soll – ein direkter Schritt auf dem Weg zu einem eigenen Habitable Worlds Observatory. Der Wettlauf zurück zum Mond und weiter zum Mars ist längst kein rein wissenschaftliches Unterfangen mehr. Es geht darum, wer die Regeln für die Zukunft schreibt. Wenn China als Erstes eine dauerhafte Präsenz auf dem Mond oder Mars etabliert, werden die strategischen Höhen des Weltraums und die damit verbundenen Technologien nicht mehr von einem offenen, demokratischen Rahmen geprägt sein, sondern könnten zu einem Druckmittel in einem globalen Systemwettbewerb werden.

Der Aderlass des Wissens und die Kultur des Misstrauens

Die dramatischsten und vielleicht irreparabelsten Schäden der Budgetkürzungen betreffen jedoch die Menschen, die das Fundament der amerikanischen Wissenschaft bilden. Die Rede ist von einem massiven „Brain Drain“. Schätzungen zufolge könnte jeder dritte hochqualifizierte Mitarbeiter der NASA seinen Job verlieren. Jahrzehnte an hart erarbeiteter, spezialisierter Erfahrung – das Wissen, wie man einen Roboter über hunderte Millionen Kilometer durchs All navigiert und sicher auf einem anderen Planeten landet – gehen damit verloren. Viele dieser Experten werden gezwungen sein, im Ausland Arbeit zu suchen oder frühzeitig in den Ruhestand zu gehen.

Dieser Aderlass beschränkt sich nicht auf die NASA. Die National Science Foundation (NSF), die zentrale Förderinstitution für Grundlagenforschung in den USA, soll sogar um 56 Prozent gekürzt werden. Die Konsequenzen sind verheerend: Unterstützte die NSF letztes Jahr noch über 330.000 Wissenschaftler, Studenten und Lehrkräfte, so wären es nach den Plänen der Regierung nur noch 90.000. Einer viertel Million amerikanischer Forscher und zukünftiger Wissenschaftler wird buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen. Dies gefährdet die gesamte Innovationskette des Landes, denn aus der Grundlagenforschung von heute entstehen die Technologien und Unternehmen von morgen, die Millionen von Arbeitsplätzen schaffen.

Diese Angriffe auf die wissenschaftliche Infrastruktur fallen zudem in eine Zeit, in der die Wissenschaft selbst ins Visier eines Kulturkampfes geraten ist. Die Kürzungen sind untrennbar mit einer politischen Agenda verbunden, die auf die Abschaffung von Programmen zur Förderung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion (D.E.I.) abzielt. Die Budgetforderung für die NSF-Kürzung nennt explizit die Eliminierung von D.E.I.-Maßnahmen als einen wesentlichen Grund. Am Beispiel des Vera C. Rubin Observatory in Chile wird dieser Zusammenhang deutlich. Benannt nach einer wegweisenden Astronomin, die zeitlebens gegen die männliche Dominanz in ihrem Feld ankämpfen musste, wurde das Observatorium zu einem Symbol für eine offenere und inklusivere Wissenschaft. Doch nach einer Anordnung des Präsidenten wurden Webseiten mit Bekenntnissen zu D.E.I. gelöscht, Förderungen gestrichen und interne Kommunikationskanäle für L.G.B.T.Q.-Mitarbeiter geschlossen. Der Angriff auf die Finanzen ist somit auch ein Angriff auf die Kultur einer modernen, weltoffenen Wissenschaft.

Amerikas Seele im freien Fall

Am Ende geht es um mehr als Geld, Technologie oder Geopolitik. Es geht um das, wofür Amerika in der Welt stand und steht. Der Astrophysiker Adam Frank beschreibt, wie er auf seinen Reisen weltweit Menschen trifft, die zwei Ikonen der amerikanischen Kultur tragen: die Kappe der New York Yankees und das Logo der NASA. Dieses Logo ist ein globales Symbol für den „can-do spirit“, für den Mut, große Träume zu wagen und das scheinbar Unmögliche zu erreichen. Die Mondlandung festigte nicht nur den geopolitischen Status der USA im Kalten Krieg, sondern inspirierte Generationen auf der ganzen Welt. Wie der emeritierte Astronom Bruce Partridge schreibt, ist ein Großteil der bahnbrechenden Entdeckungen der letzten Jahrzehnte „Made in the U.S.A.“ – ermöglicht durch staatliche Investitionen, die für den einzelnen Steuerzahler oft weniger als einen Penny kosteten.

Diese glorreiche Vergangenheit zu demontieren, ist eine bewusste Entscheidung. Zwar hat der US-Kongress die Macht, die schlimmsten Kürzungen abzuwenden, und es gibt Bestrebungen, Teile des Budgets zu retten. Doch die Prioritäten scheinen auch hier verschoben: Im Fokus der Senatsbemühungen steht die Rettung von prestigeträchtigen, aber teuren Programmen der bemannten Raumfahrt wie der SLS-Rakete und der Mond-Raumstation Gateway, nicht die Rettung des breiten Portfolios an wissenschaftlichen Missionen. Der wissenschaftliche Kern bleibt verwundbar.

Die Wahl, vor der die Vereinigten Staaten stehen, ist somit fundamental. Es ist die Wahl zwischen dem Rückzug ins Bekannte und dem mutigen Schritt ins Unbekannte, den Forscher und ehemalige Administratoren gleichermaßen fordern. Es ist die Entscheidung, ob „das Licht der Wissenschaft“, das Thomas Jefferson einst beschwor, weiterleuchten oder gedimmt werden soll. Wenn dieser kurzsichtige Haushalt verabschiedet wird, könnte es eine andere Nation sein, die eines Tages die monumentale Entdeckung macht, dass wir nicht allein sind. Amerika hätte dann nicht nur ein Rennen verloren, sondern einen Teil seiner Seele.

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