
Die jüngste Episode im fortdauernden Schlagabtausch zwischen den politischen Schwergewichten Donald Trump und Joe Biden hat eine unerwartete Wendung genommen. Im Zentrum der Kontroverse steht ein unscheinbares Gerät, das in den Annalen der US-Präsidentschaft eine längere und unaufgeregtere Geschichte aufweist, als man angesichts der aktuellen Aufregung vermuten könnte: der Autopen, eine Maschine zur automatischen Reproduktion von Unterschriften. Trump behauptet nun vehement, dass zahlreiche von Biden in den letzten Stunden seiner Amtszeit gewährte Begnadigungen ungültig seien, da sie mutmaßlich mit einem solchen Gerät und ohne das Wissen des damaligen Präsidenten unterzeichnet wurden. Diese Behauptungen, untermauert von keinerlei Beweisen, heizen eine bereits angespannte politische Atmosphäre weiter auf und werfen brisante Fragen nach der Legitimität präsidialer Handlungen und dem Umgang mit etablierten Verwaltungspraktiken auf.
Von Franklin bis Obama: Eine Geschichte der automatisierten Unterschrift im Amt
Die Notwendigkeit, eine immense Anzahl von Dokumenten zu unterzeichnen, ist für Staatsoberhäupter keine moderne Erscheinung. Bereits im frühen 19. Jahrhundert entwickelte der britisch-amerikanische Erfinder John Isaac Hawkins Vorläufer heutiger Signiermaschinen, sogenannte Polygraphen. Thomas Jefferson nutzte diese Geräte intensiv während seiner Präsidentschaft. Diese frühen Entwicklungen ähnelten jedoch in Design und Funktionsweise kaum den modernen Autopens. Die eigentliche Geschichte des Autopens, wie wir ihn heute kennen, begann in den 1930er Jahren mit der Entwicklung des „Robot Pen“. Diese Technologie reifte weiter, und in den 1940er Jahren erfuhr der Autopen durch eine Anfrage der US-Navy eine signifikante Weiterentwicklung. Schnell etablierte sich der Autopen in den Büros von Regierungsmitgliedern, Senatoren und Abgeordneten in Washington D.C., um die Flut an Korrespondenz und offiziellen Dokumenten zu bewältigen. Es wird geschätzt, dass zeitweise über 500 solcher Geräte in der Hauptstadt im Einsatz waren.
Die Gründe für den Einsatz von Autopens sind vielfältig. Prominente Persönlichkeiten, insbesondere Politiker in hohen Ämtern, sehen sich täglich einer immensen Anzahl von Unterschriftenanfragen ausgesetzt. Ob es sich um Glückwünsche, offizielle Schreiben oder gar Gesetzesvorlagen handelt, die manuelle Unterzeichnung all dieser Dokumente würde eine unzumutbare Belastung darstellen. Der Autopen ermöglicht es somit, dass die Unterschrift des Präsidenten oder anderer hochrangiger Beamter auch dann auf Dokumenten erscheint, wenn diese nicht persönlich anwesend sein können, beispielsweise auf Reisen. So unterzeichnete beispielsweise Barack Obama im Jahr 2011 während eines Aufenthalts in Frankreich eine Verlängerung des Patriot Act mit einem Autopen. Auch die Unterzeichnung eines wichtigen Steuerabkommens im Jahr 2013 erfolgte, während sich Obama in Hawaii aufhielt, durch den Einsatz des Geräts. Diese Praxis ist keineswegs auf die Demokraten beschränkt. Es ist bekannt, dass US-Präsidenten beider Parteien seit Jahrzehnten auf Autopens zurückgreifen, um eine Vielzahl offizieller Dokumente zu unterzeichnen. Gerald Ford beispielsweise war der erste Präsident, der den Gebrauch des Autopens öffentlich bestätigte.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben
Trumps Angriff auf die Maschine: Ein politisches Manöver mit ungewissen Folgen
Die Kontroverse um Bidens mutmaßliche Autopen-Nutzung bei der Unterzeichnung von Begnadigungen ist vor diesem historischen Hintergrund zu sehen. Trumps Behauptungen zielen darauf ab, die Legitimität der von seinem Nachfolger gewährten Amnestien infrage zu stellen. Insbesondere die Begnadigungen von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zum Sturm auf das Kapitol scheinen Trump ein Dorn im Auge zu sein. Er unterstellt nicht nur, dass Biden die Dokumente nicht selbst unterzeichnet habe, sondern gar nichts von deren Existenz gewusst habe, was eine eklatante Überschreitung von Befugnissen durch dessen Mitarbeiter implizieren würde.
Obwohl es keine spezifischen Gesetze gibt, die den Einsatz von Autopens durch Präsidenten regeln, und eine Stellungnahme des Justizministeriums aus dem Jahr 2005 die Rechtmäßigkeit der Nutzung zur Unterzeichnung von Gesetzesvorlagen bekräftigte, bleibt die Anwendung bei Begnadigungen juristisch ein Graubereich. Experten weisen jedoch darauf hin, dass es keine rechtliche Grundlage gibt, um präsidiale Begnadigungen aufgrund der Nutzung eines Autopens für ungültig zu erklären. Die Verfassung schreibt nicht vor, in welcher Form eine Begnadigung erfolgen muss. Ein Urteil eines Bundesberufungsgerichts aus dem Jahr 2024 bestätigte sogar, dass Begnadigungen nicht zwingend schriftlich erfolgen müssen.
Trumps plötzliche Kritik am Autopen mutet vor allem deshalb als politisches Kalkül an, da er selbst in seiner Amtszeit durchaus von dieser Technologie Gebrauch gemacht hat, wenn auch seinen eigenen Aussagen zufolge nur für „unwichtige“ Dokumente wie Antwortschreiben an junge Menschen oder Kranke. Diese Doppelmoral unterstreicht die Vermutung, dass es ihm weniger um eine prinzipielle Frage der Authentizität präsidialer Unterschriften geht, sondern vielmehr darum, die politischen Entscheidungen seines Nachfolgers zu diskreditieren und möglicherweise juristische Schritte gegen die Begnadigten einzuleiten. Die Ironie dabei ist kaum zu übersehen: Ein Präsident, der selbst für seine demonstrativen Unterzeichnungen mit einem dicken Filzstift bekannt ist, versucht nun, die Gültigkeit rechtmäßiger Akte seines Nachfolgers mit Verweis auf ein automatisiertes Verfahren in Zweifel zu ziehen. Dieses Manöver könnte jedoch nicht nur in einer juristischen Auseinandersetzung münden, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die zunehmende Bereitschaft, etablierte Normen und Praktiken im politischen Wettbewerb zu instrumentalisieren und zu hinterfragen. Die Geschichte des Autopens, einst ein unauffälliges Werkzeug zur Bewältigung administrativer Lasten, ist somit ungewollt zum Schauplatz einer weiteren Episode in der polarisierten politischen Landschaft der Vereinigten Staaten geworden.