Trumps gefährlicher Triumph: Nach den Schlägen gegen Iran herrscht nicht Klarheit, sondern die Angst vor der Bombe

Illustration: KI-generiert

Ein Waffenstillstand ist in Kraft, die US-Regierung feiert eine historische Militäroperation, und der Iran erklärt sich zum Sieger über die „zionistische und amerikanische Arroganz“. Doch hinter den lauten Triumphgesängen und den politisch aufgeladenen Narrativen offenbart sich eine Realität von beispielloser strategischer Unschärfe. Die von Israel begonnene und von den USA mit massiver Feuerkraft vollendete 12-tägige Militärkampagne gegen das iranische Atomprogramm sollte Klarheit schaffen und eine existenzielle Bedrohung beseitigen. Stattdessen hat sie einen Schleier der Ungewissheit über den Nahen Osten gelegt, der gefährlicher sein könnte als die Anlagen, die nun in Trümmern liegen.

Die zentralen Fragen, die nach dem Verstummen der Waffen im Raum stehen, sind Sprengstoff für die globale Sicherheit: Wie effektiv waren die Angriffe wirklich? Wo sind die fast 408 Kilogramm hochangereichertes Uran, die für den Bau mehrerer Bomben ausreichen würden? Und vor allem: Haben die Bomben Teheran abgeschreckt oder das Regime erst recht zu dem Schluss getrieben, dass nur der Besitz einer eigenen Atombombe sein Überleben sichert? Die Analyse der Ereignisse zeigt, dass die militärische Eskalation möglicherweise einen Pyrrhussieg darstellt – einen, der die unmittelbare Bedrohung durch bekannte Anlagen gegen das unkalkulierbare Risiko eines verdeckten, beschleunigten Waffenprogramms eingetauscht hat.

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Ein Sieg auf tönernen Füßen: Der Streit um das wahre Ausmaß der Zerstörung

Die Siegesrhetorik von US-Präsident Donald Trump ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Irans Atomanlagen seien „komplett und total ausgelöscht“, eine „perfekte Operation“, die das Nuklearprogramm „zerschmettert“ habe. Diese absolute Sprache, die an ein „Mission Accomplished“ erinnert, steht jedoch in krassem Widerspruch zu den durchgesickerten Einschätzungen seiner eigenen Geheimdienste und erzeugt ein Bild tiefer interner Zerrissenheit in der US-Administration.

Ein erster, als „streng geheim“ eingestufter Bericht des Militärgeheimdienstes DIA, über den CNN und die New York Times berichteten, zeichnete ein ernüchterndes Bild. Demnach seien die unterirdischen Anlagen in Fordo und Natans zwar beschädigt, aber nicht eingestürzt, und die Eingänge teilweise verschüttet. Das Fazit der DIA: Das iranische Programm sei lediglich um weniger als sechs Monate zurückgeworfen worden. Das Weiße Haus tat den Bericht umgehend als „grundfalsch“ ab und kritisierte dessen Veröffentlichung scharf.

Im Gegensatz dazu stützte die CIA unter Direktor John Ratcliffe die Darstellung des Präsidenten. Basierend auf neuen, als „historisch zuverlässig“ eingestuften Quellen, kam die CIA zu dem Schluss, die Zerstörung sei „schwerwiegend“ und ein Wiederaufbau würde „Jahre“ dauern. Auch Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard sprach von einem Rückschlag um Jahre. Dieser offene Dissens zwischen den Geheimdiensten ist mehr als eine akademische Debatte. Er ist der Kern der Frage, ob die Operation ein strategischer Erfolg oder ein kurzsichtiger Akt war, der die wahre Gefahr nur unsichtbarer gemacht hat. Während die Regierung eine „totale Auslöschung“ proklamiert, deutet die erste militärische Analyse darauf hin, dass die wesentlichen Komponenten des Programms die Angriffe überstanden haben könnten.

Das 408-Kilo-Rätsel: Irans verschwundenes Uran als strategischer Joker

Weit bedrohlicher als die widersprüchlichen Schadensanalysen ist jedoch eine Tatsache, die selbst in den optimistischsten Bewertungen der Angriffe eine beunruhigende Leerstelle hinterlässt: Niemand scheint mit Sicherheit zu wissen, wo sich der wertvollste Schatz des iranischen Atomprogramms befindet. Es geht um rund 408 Kilogramm Uran, das auf 60 Prozent angereichert wurde – nur eine technische Stufe unter dem für den Bau von Atomwaffen nötigen Reinheitsgrad von 90 Prozent.

Die Hinweise verdichten sich, dass der Iran dieses Material rechtzeitig vor den Bombardierungen in Sicherheit gebracht hat. Sowohl der DIA-Bericht als auch israelische Beamte und Nuklearexperten wie David Albright gehen davon aus, dass Teheran den Großteil des hochangereicherten Urans aus den Anlagen Fordo und Isfahan evakuierte. Satellitenbilder, die Tage vor den Angriffen ein erhöhtes Fahrzeugaufkommen zeigten, untermauern diese These. Der Transport von gut 400 Kilogramm Uran wäre keine logistische Mammutaufgabe; eine Handvoll Lastwagen würde genügen. Rafael Grossi, der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), erklärte, der Iran habe „kein Geheimnis daraus gemacht, dass es dieses Material geschützt hat“.

Dieses verschwundene Uran ist nun der größte Unsicherheitsfaktor. Es könnte „buchstäblich überall sein“, so Albright, da es in seinen Lagerbehältern leicht zu transportieren ist. Ob in einem stark befestigten Tunnel, einer neuen, geheimen Anlage oder gar einem einfachen Lagerhaus – das Material ist nicht mehr unter internationaler Beobachtung. Solange der Verbleib dieses Urans ungeklärt ist, hat der Iran einen strategischen Joker in der Hand. Er besitzt potenziell das Kernmaterial für mehrere Bomben und hat es dem direkten Zugriff seiner Gegner entzogen.

Eskalation als Katalysator: Treiben die Angriffe Teheran erst recht zur Bombe?

Die zentrale These der Befürworter der Militärschläge war die Prävention. Doch eine wachsende Zahl von Analysten befürchtet, dass die Angriffe genau das Gegenteil bewirken könnten: Statt das Streben nach der Bombe zu beenden, könnten sie es ideologisch zementieren und strategisch beschleunigen. Der frühere US-Außenminister John Kerry brachte es auf den Punkt: „Man kann die Erinnerung daran, wie man eine Bombe baut, nicht wegbomben“. Das nukleare Know-how ist tief im iranischen Machtapparat verankert und lässt sich durch kinetische Schläge nicht auslöschen.

Die Angriffe haben dem iranischen Regime auf schmerzhafte Weise seine Verwundbarkeit demonstriert. Die Schlussfolgerung für die Hardliner in Teheran könnte lauten, dass nur der tatsächliche Besitz von Atomwaffen eine Wiederholung solcher Angriffe verhindern kann und das Überleben des Regimes sichert. Dieses Argument wird durch den Vergleich mit Nordkorea gestärkt, das seit dem Besitz der Bombe als unangreifbar gilt und von Trump sogar diplomatisch umworben wurde. Einige Experten, wie der ehemalige US-Beamte Richard Nephew, halten es sogar für denkbar, dass der Iran die Zeit zwischen den israelischen und den US-Angriffen genutzt haben könnte, um bereits eine kleine Menge waffenfähiges 90-Prozent-Uran herzustellen.

Ob Teheran diesen Weg gehen wird, hängt von einer internen Kalkulation ab. Die Geduld des Regimes war bisher bemerkenswert. Doch die Bombenkampagne könnte die Haltung innerhalb der Regierung entscheidend in Richtung Waffenbau verschieben. Sollte der Iran diesen Weg einschlagen, würde er wahrscheinlich nicht auf Geschwindigkeit, sondern auf maximale Heimlichkeit setzen, um eine Entdeckung vor der Vollendung zu verhindern. Die Angriffe haben somit möglicherweise die politische Hemmschwelle zur Bombe gesenkt, statt sie zu erhöhen.

Bomben oder Abkommen? Der fatale Vergleich zum JCPOA

Die jüngste Eskalation rückt eine Grundsatzdebatte wieder in den Fokus: Ist militärischer Druck oder Diplomatie das effektivere Mittel zur Eindämmung des iranischen Atomprogramms? Die vorliegenden Analysen legen eine klare, für die Trump-Regierung unbequeme Antwort nahe. Experten wie Ali Vaez von der International Crisis Group und Jeffrey Lewis argumentieren, dass das 2015 von der Obama-Administration ausgehandelte Atomabkommen (JCPOA) das iranische Programm „zweifellos weitaus stärker geschwächt“ hat als die jetzigen Bombardierungen.

Trump hatte das Abkommen 2018 einseitig aufgekündigt. Die Befürworter der Aufkündigung kritisierten, dass einige Bestimmungen des JCPOA nach 10 bis 15 Jahren auslaufen würden. Doch selbst die optimistischsten israelischen Schätzungen gehen davon aus, dass die Wirkung der Bombenangriffe nicht über zwei bis drei Jahre hinausgeht. Der militärische Ansatz bietet bestenfalls eine kurzfristige Verzögerung mit ungewissem Ausgang, während das Abkommen eine langfristige, verifizierbare Kontrolle durch intrusive Inspektionen der IAEA ermöglichte.

Die Ironie besteht darin, dass nach dem Waffengang nun womöglich wieder Verhandlungen über ein neues Abkommen folgen müssen, um das verschwundene Uran unter Kontrolle zu bringen und einen atomaren Rüstungswettlauf zu verhindern. Doch die Ausgangslage für solche Gespräche ist ungleich schlechter. Die USA haben bewiesen, dass sie bereit sind, militärisch zu eskalieren, und der Iran hat demonstriert, dass er sein wertvollstes Nuklearmaterial dem Zugriff entziehen kann. Das gegenseitige Misstrauen ist auf einem historischen Höhepunkt und macht eine Rückkehr zur Diplomatie zu einer herkulischen Aufgabe.

Teherans innere Zerreißprobe: Zwischen Pragmatismus und Hardliner-Rhetorik

Die Angriffe haben wie ein Brandbeschleuniger auf die ohnehin schon schwelenden Machtkämpfe innerhalb der iranischen Führung gewirkt. Die Krise legt die tiefen ideologischen Gräben zwischen Pragmatikern und Hardlinern offen und könnte die Weichen für die Zukunft des Landes stellen. Auf der einen Seite stehen Fraktionen, die eine Normalisierung der Beziehungen zum Westen und eine Integration in die Weltwirtschaft anstreben. Für sie sind die Angriffe der ultimative Beweis für die destruktive und selbstzerstörerische Natur der konfrontativen Politik von Ayatollah Ali Khamenei.

Auf der anderen Seite fühlen sich die Hardliner in ihrer Ablehnungshaltung bestätigt. Sie drängen darauf, die Zusammenarbeit mit der IAEA endgültig aufzukündigen und sogar aus dem Atomwaffensperrvertrag auszutreten, was einer offenen Ankündigung eines Waffenprogramms gleichkäme. Diese Kräfte dominieren das Parlament und haben erheblichen Einfluss auf den Sicherheitsapparat.

Die iranische Bevölkerung scheint zwischen diesen Polen zerrieben zu werden. Berichte deuten auf eine bemerkenswerte soziale Solidarität während der Angriffe hin, die jedoch nicht mit politischer Unterstützung für das Regime verwechselt werden darf. Viele Iraner verfluchen die Führung, die sie in diesen Konflikt hineingezogen hat. Es herrscht die Angst, dass das Regime nach dem Waffenstillstand seine militärischen Misserfolge durch eine Welle der Repression gegen Dissidenten und die eigene Bevölkerung kompensieren könnte, um seine Stärke zu demonstrieren.

Das Schweigen des Ayatollahs und die Frage der Nachfolge

Im Zentrum der Krise steht die Figur des 86-jährigen Obersten Führers, Ayatollah Ali Khamenei. Seine öffentliche Abwesenheit während der kritischsten Tage und seine seltenen, müde und besiegt wirkenden Videobotschaften haben im In- und Ausland Spekulationen über seinen Gesundheitszustand und seinen tatsächlichen Einfluss ausgelöst. Offiziell wird sein Abtauchen in einen Bunker mit Sicherheitsvorkehrungen gegen Attentate begründet.

Doch die Angriffe haben seine Herrschaft und seine Politik des „Weder Krieg noch Frieden“ fundamental infrage gestellt und ihn als gescheitert entlarvt. Die Krise hat die bereits schwelende Frage seiner Nachfolge dramatisch verschärft. In Teheran formieren sich Allianzen für die Zeit nach Khamenei. Eine Möglichkeit ist die Etablierung einer stärker vom Militär dominierten Regierung. Eine andere ist der Aufstieg einer „developmentalist“ genannten Fraktion, die auf wirtschaftliche Entwicklung und Integration setzt. Überraschenderweise wird selbst Khameneis Sohn, Mojtaba, von seinen Unterstützern nicht als Fortführer der väterlichen Politik, sondern als eine Art reformorientierter, nationalistischer Modernisierer nach dem Vorbild des saudischen Kronprinzen vermarktet. Die Zukunft Irans hängt maßgeblich davon ab, welche dieser Fraktionen sich im Machtvakuum nach Khamenei durchsetzen wird.

Regionale Echos: Die veränderte Kalkulation der Nachbarn

Die Eskalation hat nicht nur die direkten Kontrahenten erschüttert, sondern auch die strategische Landschaft im gesamten Nahen Osten verschoben. Besonders bemerkenswert war die Reaktion der pro-iranischen Milizen im Irak. Entgegen vieler Erwartungen blieben diese Gruppen, allen voran die mächtige Kataib Hezbollah, auffallend ruhig. Analysten sehen darin ein Zeichen für eine wachsende Unabhängigkeit von Teheran. Diese Milizen sind mittlerweile tief in den irakischen Staat und dessen Wirtschaft integriert und haben Milliarden an staatlichen Geldern und Geschäftsinteressen zu verlieren. Nachdem ihre Anführer 2020 bei einem US-Angriff getötet wurden und sie die Zerstörungskraft der USA aus erster Hand erfahren haben, scheinen sie wenig Interesse daran zu haben, in einen Konflikt hineingezogen zu werden, der ihre hart erarbeitete Machtposition im Irak gefährden würde.

Für die arabischen Golfstaaten wie Katar, Saudi-Arabien und die VAE war der direkte Schlagabtausch ihr „absoluter Albtraum“. Sie wurden zwischen die Fronten ihrer wichtigsten Sicherheitsgarantie (USA) und ihres mächtigen, unberechenbaren Nachbarn (Iran) gedrängt. Der iranische Raketenangriff auf die US-Basis Al Udeid in Katar, auch wenn er angekündigt war, hat die Verwundbarkeit dieser Staaten drastisch vor Augen geführt. Er hat ihre Strategie, durch diplomatische Annäherung an den Iran für Stabilität zu sorgen, auf eine harte Probe gestellt und gleichzeitig ihre Abhängigkeit von der amerikanischen Militärpräsenz unterstrichen.

Ein zerrissenes Amerika: Trumps Alleingang spaltet die politische Landschaft

Die Entscheidung Präsident Trumps, Iran anzugreifen, hat auch tiefe Risse in der amerikanischen Politik offenbart, insbesondere innerhalb der Demokratischen Partei. Während republikanische Politiker die Angriffe fast einhellig unterstützten, war die Reaktion der Demokraten gespalten. Der progressive Flügel, angeführt von Persönlichkeiten wie Alexandria Ocasio-Cortez, verurteilte den Angriff als „katastrophal“ und als verfassungswidrigen Akt, der eine Amtsenthebung rechtfertige.

Die Parteiführung um Chuck Schumer und Hakeem Jeffries wählte einen gemäßigteren Ton. Sie kritisierten scharf, dass Trump den Kongress nicht konsultiert habe, vermieden jedoch eine direkte Verurteilung der militärischen Aktion an sich. Diese Spaltung reflektiert eine tiefere ideologische Auseinandersetzung innerhalb der Partei über den Einsatz von Militärgewalt und vor allem über die Haltung zu Israel. Während der anti-israelische Flügel der Partei die Angriffe als Teil einer aggressiven, von Israel forcierten Politik sieht, sind viele moderate und etablierte Demokraten trotz ihrer Abneigung gegen Trump nicht bereit, Israels Sicherheit in Frage zu stellen. Der Konflikt mit dem Iran wird so zur Bühne für den innerparteilichen Richtungskampf der US-Demokraten.

Fazit: Ein Pyrrhussieg im Nebel des Ungewissen

Am Ende des 12-tägigen Krieges steht keine klare militärische oder strategische Entscheidung, sondern ein Triumph, dessen Substanz sich bei näherer Betrachtung verflüchtigt. Die von der Trump-Administration ausgerufene „totale Auslöschung“ des iranischen Atomprogramms erweist sich als ein politisches Narrativ, das von den eigenen Geheimdiensten in Frage gestellt wird. Die wahre Gefahr liegt nicht mehr in den bekannten und überwachten Anlagen von Natanz und Fordo, sondern in den 408 Kilogramm verschwundenen Urans und im verletzten Stolz eines Regimes, das nun mehr Gründe denn je haben könnte, den Weg zur Atombombe im Geheimen und mit aller Entschlossenheit zu Ende zu gehen.

Die Militärschläge haben eine fragile diplomatische Architektur zerstört und sie durch die unberechenbare Logik der Eskalation ersetzt. Sie haben die Machtkämpfe in Teheran angeheizt, die Allianzen in der Region neu justiert und die politischen Gräben in den USA vertieft. Anstatt die iranische Bombe zu verhindern, könnten die Angriffe ihre Entstehung paradoxerweise wahrscheinlicher gemacht haben. Der Rauch über den zerstörten Anlagen hat sich verzogen, doch zurück bleibt ein dichter Nebel der Ungewissheit. Und in diesem Nebel tickt die eigentliche Bombe weiter – die Frage, wann und wo der Iran entscheidet, den letzten Schritt zu tun.

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