
Die Regierung unter Präsident Donald Trump hat erneut die Grenzen des Rechtsstaats strapaziert und inmitten einer hitzigen Kontroverse mutmaßliche Mitglieder der venezolanischen Gang „Tren de Aragua“ nach El Salvador abgeschoben. Dieser Schritt erfolgte auf Basis des obskuren „Alien Enemies Act“ von 1798, einem Gesetz, das zuletzt im Zweiten Weltkrieg zur Internierung von Deutschen und Japanern angewandt wurde. Trotz einer richterlichen Anordnung, die die Abschiebungen einstweilig untersagte, setzte die Trump-Administration ihren Kurs durch und demonstrierte damit eine beunruhigende Missachtung der Gewaltenteilung und der Grundrechte.
Ein archaisches Gesetz im modernen Kampf gegen Kriminalität?
Präsident Trump begründet die Anwendung des „Alien Enemies Act“ damit, dass Tren de Aragua „feindliche Handlungen“ und „irreguläre Kriegsführung“ gegen die USA ausübe und dabei Anweisungen der venezolanischen Regierung unter Nicolás Maduro befolge. Die Gang, die 2014 in einem venezolanischen Gefängnis entstand und für eine Vielzahl von Verbrechen wie Mord, Entführung, Drogenhandel und Menschenhandel verantwortlich gemacht wird, wurde von der US-Regierung als „Terrororganisation“ eingestuft. Auf dieser Grundlage ordnete Trump die sofortige Festnahme, Inhaftierung und Abschiebung aller über 14-jährigen mutmaßlichen Mitglieder an, die keine US-Staatsbürger oder rechtmäßige ständige Einwohner sind.
Dieser Rückgriff auf ein über 200 Jahre altes Gesetz, das eigentlich für Kriegszeiten gedacht ist, wirft gravierende rechtliche Fragen auf. Ein Bundesrichter in Washington, James Boasberg, ordnete am Samstag einen vorläufigen Stopp der Abschiebungen an und bezweifelte die rechtliche Grundlage für Trumps Vorgehen. Er argumentierte, dass das Gesetz nicht für Friedenszeiten gedacht sei und den Betroffenen ein nicht wiedergutzumachender Schaden drohe, da ihnen in El Salvador oder bei einer Rückschiebung nach Venezuela Verfolgung oder Schlimmeres drohe. Richter Boasberg ordnete sogar an, dass bereits gestartete Flugzeuge mit den Abgeschobenen in die USA zurückkehren müssten.

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„Ups. Zu spät“ – Staatliche Machtdemonstration auf Kosten des Rechts
Die Reaktion der Trump-Regierung und des Präsidenten von El Salvador, Nayib Bukele, auf die richterliche Anordnung war bezeichnend. Während Trumps Sprecherin Karoline Leavitt die Zuständigkeit des Richters in ausländischen Angelegenheiten bestritt und argumentierte, die Flugzeuge hätten die USA bereits verlassen, postete Bukele auf der Plattform X zynisch „Ups. Zu spät“. US-Außenminister Marco Rubio dankte Bukele für seine „Unterstützung und Freundschaft“. Diese offene Verhöhnung einer gerichtlichen Entscheidung und die demonstrative Zusammenarbeit mit einem Staat, dessen Umgang mit Menschenrechten ebenfalls in der Kritik steht, verdeutlichen eine gefährliche Tendenz der Exekutive, sich über unliebsame Urteile hinwegzusetzen.
Berichten zufolge wurden mindestens 238, möglicherweise sogar fast 300 Personen nach El Salvador geflogen. Dort werden sie in dem berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Cecot untergebracht, das für 40.000 Häftlinge ausgelegt ist und für seine harten Haftbedingungen kritisiert wird. Die USA sollen El Salvador sechs Millionen Dollar für die Unterbringung der Abgeschobenen zahlen. Während die US-Regierung die Abgeschobenen pauschal als „Terroristen“ und „abscheuliche Monster“ bezeichnet, berichten Angehörige, dass ihre Verwandten keine Verbindungen zu der Gang hätten und lediglich auf der Suche nach Asyl in die USA gekommen seien. Die plötzliche Abschiebung hat bei vielen Familien in Venezuela Panik ausgelöst, die nun um das Schicksal ihrer Liebsten bangen.
Die Trump-Regierung argumentiert, dass ihre Maßnahmen notwendig seien, um die Sicherheit des amerikanischen Volkes vor gefährlichen Kriminellen zu schützen. Kritiker sehen in dem Vorgehen jedoch einen gefährlichen Präzedenzfall und einen weiteren Schritt in Richtung eines Konflikts mit der Justiz. Die Berufung auf ein Kriegsgesetz in Friedenszeiten und die Missachtung einer richterlichen Anordnung stellen eine ernste Bedrohung für die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und die verfassungsmäßigen Kontrollmechanismen dar. Die Art und Weise, wie diese Abschiebungen durchgesetzt wurden, und die zynische Reaktion darauf lassen tiefgreifende Fragen nach dem Stellenwert von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in der US-amerikanischen Politik aufkommen. Die juristischen Auseinandersetzungen um die Rechtmäßigkeit dieser Abschiebungen dürften somit noch lange nicht beendet sein.