Wenn Titanen kollidieren: Wie der Pakt zwischen Trump und Musk an Ego und Macht zerbrach

Illustration: KI-generiert

Es war eine der meistbeachteten und zugleich brisantesten Allianzen der modernen amerikanischen Politik: Der Pakt zwischen dem populistischen Präsidenten Donald Trump und dem Tech-Mogul Elon Musk. Eine Symbiose, die den Anschein einer neuen Machtachse zwischen politischem Establishment und dem disruptiven Geist des Silicon Valley erweckte. Doch die spektakuläre Implosion dieser Beziehung, ausgetragen in aller Öffentlichkeit auf den von ihnen selbst kontrollierten digitalen Plattformen, ist weit mehr als nur ein „Super Bowl des Internet-Beefs“. Sie ist eine lehrreiche Anatomie moderner Macht, eine Erzählung über die Grenzen des Geldes, die Währung politischen Einflusses und die zerstörerische Kraft zweier überdimensionaler Egos. Der öffentliche Bruch legt die fundamentalen Fehleinschätzungen Musks offen und entlarvt die rein transaktionale Natur einer Partnerschaft, die zerbrach, als persönliche Eitelkeiten die strategischen Interessen überwogen.

Die einstige „Bromance“ zwischen dem Präsidenten und dem Milliardär war von Anfang an ein Zweckbündnis, das auf knallharten Interessen basierte. Musk, einst ein Günstling der Demokraten und Vorkämpfer für den Klimaschutz, suchte die Nähe zur Trump-Administration aus strategischem Kalkül. Seine Unternehmen, insbesondere der Raumfahrtkonzern SpaceX und der Elektroautohersteller Tesla, sind in einem kritischen Maße von der Gunst der US-Regierung abhängig. Es geht um milliardenschwere Aufträge der NASA und des Pentagon, um regulatorische Weichenstellungen für autonomes Fahren und um steuerliche Anreize, die die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen beflügeln. Investoren hofften, die Allianz mit Trump würde ein vorteilhaftes Geschäftsklima schaffen, laufende Untersuchungen aus der Biden-Ära abkühlen und Musk einen entscheidenden Vorteil bei der Vergabe lukrativer Verträge sichern.

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Für Trump wiederum war Musk ein unschätzbarer Gewinn. Der Tech-Milliardär pumpte Hunderte Millionen Dollar in Trumps Wiederwahlkampf und unterstützende republikanische Gruppen. Noch wichtiger war jedoch die symbolische Aufladung: Die Unterstützung durch den Mann, der als „Genie“ und visionärer Erneuerer Amerikas galt, verlieh Trumps Präsidentschaft den Anstrich von technologischer Modernität und Innovationskraft. Musk wurde zum Aushängeschild für die Effizienzsteigerung der Regierung, als Leiter des sogenannten „U.S. DOGE Service“, einer Initiative zum Bürokratieabbau. Es war eine Partnerschaft, die beiden Seiten nutzte: Der eine lieferte Geld und Legitimität, der andere versprach politischen Schutz und privilegierten Zugang.

Vom Weißen Haus ins Fegefeuer: Anatomie einer zerbrochenen Allianz

Der Wendepunkt, der die sorgfältig austarierte Beziehung ins Wanken brachte, war Musks öffentliche Kritik an Trumps Prestigeprojekt, einem umfassenden Steuer- und Ausgabenpaket. Musk bezeichnete den Gesetzesentwurf als „widerliche Abscheulichkeit“ („disgusting abomination“), die das Land mit untragbaren Schulden belasten würde. Für Trump, der Loyalität über alles stellt, war dies ein unverzeihlicher Affront. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten und offenbarte die wahre Machtverteilung. Trump drohte öffentlich damit, staatliche Subventionen und Verträge für Musks Firmen zu streichen – ein direkter Angriff auf die wirtschaftliche Achillesferse des Milliardärs.

Die Auseinandersetzung eskalierte rasant und wurde persönlich. Musk, offenbar in dem Glauben, er könne den Präsidenten herausfordern, legte nach. In einem später gelöschten Post auf seiner Plattform X deutete er an, Trump sei in den Skandal um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein verwickelt. Trump wiederum bezeichnete Musk Berichten zufolge als „großen Drogenabhängigen“ („big-time drug addict“). Ein weiterer empfindlicher Schlag für Musk war die Entscheidung des Präsidenten, die Nominierung seines Vertrauten Jared Isaacman für die Leitung der NASA zurückzuziehen – eine öffentliche Demütigung. Musk hatte die grundlegende Regel im Machtzirkel Trumps missachtet: Man kritisiert den Chef nicht ungestraft in der Öffentlichkeit. Sein Versuch, durch enormes finanzielles Engagement politischen Einfluss zu kaufen, stieß an die harte Realität der präsidialen Macht, die sich nicht einfach erwerben lässt.

Machtspiele im digitalen Zeitalter: X, Truth Social und der Kampf um die Deutungshoheit

Die digitale Sphäre wurde zur primären Arena dieses Konflikts. Beide Akteure nutzten ihre jeweiligen Plattformen – Trump sein Netzwerk Truth Social, Musk das von ihm übernommene X – als Waffen, um die öffentliche Meinung zu formen und den Gegner zu attackieren. Die Auseinandersetzung spielte sich in Echtzeit vor den Augen der Weltöffentlichkeit ab. Doch schon bald wurde deutlich, wer in diesem Duell am längeren Hebel saß. Musk vollzog eine öffentliche Kehrtwende. In einem Post auf X drückte er sein Bedauern aus: „Ich bereue einige meiner Posts über Präsident @realDonaldTrump letzte Woche. Sie gingen zu weit.“ Zudem löschte er einige seiner schärfsten Angriffe. Informanten zufolge gingen diesem Schritt mehrere Telefonate voraus, in denen hochrangige Mitarbeiter des Weißen Hauses wie Vizepräsident JD Vance und Stabschefin Susie Wiles auf Musk einwirkten, den Streit zu beenden.

Trumps Reaktion auf diese Deeskalation war eine Demonstration der Stärke. Öffentlich gab er sich unbeeindruckt und erklärte Reportern, er habe nicht viel darüber nachgedacht. Hinter den Kulissen jedoch machte er seinen Beratern gegenüber klar, dass er mit Musk „fertig“ sei. Er ließ Musk am ausgestreckten Arm verhungern und signalisierte, dass eine Entschuldigung nicht ausreicht, um die alte Nähe wiederherzustellen. Die Auswirkungen dieses Konflikts auf Musks Ansehen im republikanischen Lager waren verheerend. Eine Umfrage von AP-NORC nach dem Eklat zeigte einen dramatischen Einbruch seiner Beliebtheitswerte. Der Anteil der Republikaner, die Musk „sehr positiv“ sahen, stürzte von 38 % im April auf nur noch 26 % im Juni. Seine Kritik an Trumps Politik und die persönlichen Angriffe hatten ihm die Gunst der Basis gekostet, die er zuvor so intensiv umworben hatte.

Der Preis des Zorns: Kollateralschäden von der Wall Street bis nach Buenos Aires

Der Konflikt blieb nicht auf die politische Bühne beschränkt, sondern verursachte handfeste Kollateralschäden. An der Wall Street reagierten die Anleger nervös. Der Aktienkurs von Tesla brach zeitweise um 14 % ein, da die Fehde als erhebliches Risiko für die Zukunft des Unternehmens bewertet wurde. Analysten sprachen von einem „Overhang“, der die Aktien belastete, aus Furcht, ein rachsüchtiger Trump könnte Tesla das Leben schwer machen. Prominente Investoren wie der New Yorker Rechnungsprüfer Brad Lander, dessen Pensionsfonds Millionen von Tesla-Aktien hält, bezeichneten den „Schulhofstreit“ als desaströs für die Aktionäre. Der einstige Musk-Unterstützer Ross Gerber warf ihm vor, die Grundlage seines eigenen Erfolgs zu zerstören, und verkaufte die Hälfte seiner Tesla-Positionen.

Gleichzeitig witterten Musks Konkurrenten ihre Chance. Berichten zufolge drängten NASA und Pentagon andere Raumfahrtunternehmen wie Boeing und Jeff Bezos‘ Blue Origin, die Entwicklung alternativer Raketensysteme zu beschleunigen, um die Abhängigkeit von SpaceX zu verringern. Der Konflikt schlug auch international Wellen und offenbarte die Brüchigkeit globaler populistischer Netzwerke. Politiker wie der argentinische Präsident Javier Milei, der sich sowohl von Trump als auch von Musk inspirieren ließ, verstummten angesichts des Streits. Ihr Schweigen demonstrierte, dass Allianzen, die auf Persönlichkeiten statt auf gefestigten Programmen basieren, bei persönlichen Konflikten schnell an ihre Grenzen stoßen. Währenddessen beobachteten geopolitische Rivalen wie China und Russland den Streit mit einer Mischung aus Belustigung und strategischem Interesse.

Am Ende entlarvt die Saga des Aufstiegs und Falls der Trump-Musk-Allianz vor allem den Mythos des „Genies“, den Musk so sorgfältig um sich herum aufgebaut hat. Solange seine Exzentrik mit Erfolg einherging, wurde sie als Teil seiner einzigartigen Persönlichkeit toleriert. Doch im politischen Ringen mit Trump verwandelte sich das Bild des Visionärs in das eines unberechenbaren und naiven Akteurs. Trump selbst soll ihn treffend als eine Mischung aus „Genie und Kind“ bezeichnet haben. Musk musste die schmerzhafte Lektion lernen, dass Milliarden von Dollar und die Kontrolle über eine globale Kommunikationsplattform nicht ausreichen, um sich mit der rohen Macht des amerikanischen Präsidenten anzulegen. Seine Geschichte ist eine moderne Parabel über Eitelkeit und Macht – ein Lehrstück, das zeigt, wie schnell im Ökosystem des Populismus selbst die mächtigsten Verbündeten zu entbehrlichen Figuren werden, wenn die Persönlichkeit die Politik besiegt. Der größte Verlierer in diesem von Egos getriebenen Drama ist, wie so oft, die Öffentlichkeit.

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