Trumps Krieg gegen Kalifornien: Wie ein Zug zum politischen Sprengsatz wird

Illustration: KI-generiert

Es ist mehr als nur eine administrative Massnahme; es ist eine Kriegserklärung mit finanziellen Mitteln. Die Ankündigung der Trump-Administration, dem Bundesstaat Kalifornien eine breite Palette von Bundesmitteln zu entziehen, markiert die jüngste und vielleicht drastischste Eskalation in einem langwierigen Konflikt, der die tiefen Gräben der amerikanischen Politik offenlegt. Im Fadenkreuz steht dabei vor allem ein Projekt: das kalifornische Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz, ein Vorhaben, das ebenso ambitioniert wie umstritten ist. Die Drohung, diesem Projekt vier Milliarden Dollar zu entziehen, ist ein gezielter Schlag ins Herz der kalifornischen Infrastrukturpläne und dient als kaum verhülltes Strafinstrument gegen den demokratisch regierten Bundesstaat und dessen Gouverneur Gavin Newsom. Die Auseinandersetzung um den Zug ist somit zu einem Lehrstück über die politische Instrumentalisierung von Bundesgeldern geworden, bei dem die realen Schwächen eines Grossprojekts als willkommener Vorwand für einen politischen Rachefeldzug dienen.

Die Suche nach dem Vorwand: Wie Trumps Administration den Geldentzug rechtfertigt

Offiziell bemüht sich das Weisse Haus, den Anschein eines regulären Verwaltungsvorgangs zu wahren. Hinter den Kulissen wurden Bundesbehörden angewiesen, stichhaltige Begründungen für die geplanten Kürzungen zu erarbeiten. Als mögliche Rationalisierungen werden Verstösse Kaliforniens gegen die von Trump erlassenen Anweisungen zur Diversitätspolitik sowie allgemeine Vorwürfe von Verschwendung und Missbrauch staatlicher Gelder genannt. Speziell für das Bahnprojekt liefert ein kritischer Bericht der Federal Railroad Administration (FRA) die passende Munition. In einer umfangreichen Prüfung stellte die Behörde fest, dass das Projekt bei der Einhaltung von Fristen versagt, erhebliche Nachbesserungen bei Bauaufträgen aufweist und unrealistische Passagierprognosen gemeldet habe. Die Prüfer kamen zu dem Schluss, dass es keinen „gangbaren Pfad“ gebe, um auch nur das erste Teilstück bis zur Frist im Jahr 2033 fertigzustellen.

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Diese dokumentierten Mängel sind die formale Grundlage, auf die sich die Administration zu stützen versucht. Sie verleihen dem Vorhaben einen Anstrich von legitimer Aufsicht und fiskalischer Verantwortung. Ein Sprecher des Weissen Hauses brandmarkte die Politik Kaliforniens als „wahnsinnig“ und erklärte, die Steuerzahler sollten diese nicht länger finanzieren müssen. Man sei entschlossen, diesen „Albtraum“ zu beenden und den „kalifornischen Traum“ wiederherzustellen. Doch die Tatsache, dass Mitarbeiter explizit beauftragt wurden, nachträglich nach Rechtfertigungen zu suchen, entlarvt die primär politische Motivation hinter dem Vorgehen. Es geht weniger um die Mängel des Projekts an sich, sondern darum, diese als Hebel für einen umfassenderen Angriff auf einen politischen Gegner zu nutzen. Dieser Konflikt ist dabei keineswegs neu; bereits in seiner ersten Amtszeit drohte Trump wiederholt mit Mittelkürzungen, sei es bei Hilfen nach Waldbränden, in der Wasserpolitik oder als Reaktion auf ein neues Gesetz zur Wähleridentifikation.

Mehr als nur ein Zug: Das Bahnprojekt als Symbol der Spaltung

Das kalifornische Hochgeschwindigkeits-Bahnprojekt ist seit seiner Konzeption vor 17 Jahren ein politischer Blitzableiter. Ursprünglich sollte es Los Angeles und San Francisco verbinden, mit Zügen, die die Distanz in unter drei Stunden zurücklegen sollten – eine Vision, die anfangs mit 33 Milliarden Dollar veranschlagt wurde. Heute sind die Pläne drastisch reduziert, während die prognostizierten Kosten für das Gesamtsystem auf bis zu 128 Milliarden Dollar explodiert sind. Selbst das nun anvisierte erste Teilstück im Central Valley hat mit bis zu 35 Milliarden Dollar bereits das Budget des ursprünglich geplanten Gesamtsystems überschritten.

Der Entzug der vier Milliarden Dollar an Bundesmitteln, die teils noch aus der Obama-Ära stammen und unter Präsident Biden bestätigt wurden, wäre für dieses ohnehin strauchelnde Projekt ein „ernsthafter Rückschlag“. Analysten prognostizieren, dass eine solche Kürzung den Beginn des Passagierbetriebs um ein ganzes Jahrzehnt verzögern könnte. Das Projekt befände sich auf einer „nahezu Hungerkur“ und wäre gezwungen, sich ausschliesslich auf staatliche Mittel zu verlassen, was den Baufortschritt erheblich verlangsamen und durch Inflation die Gesamtkosten weiter in die Höhe treiben würde. Für die Kritiker, insbesondere auf konservativer Seite, ist der Zug längst zu einem Synonym für staatliche Verschwendung geworden – ein „Boondoggle“. Für die Befürworter hingegen, darunter Klimaexperten und Ökonomen, bleibt es ein entscheidendes Zukunftsprojekt, das die Lebensqualität verbessern, die Wirtschaft vernetzen und eine CO2-arme Mobilitätsalternative bieten könnte. Diese diametral entgegengesetzten Bewertungen zeigen, dass der Kampf um den Zug längst eine ideologische Dimension angenommen hat, in der Fakten und Zahlen je nach politischem Standpunkt interpretiert werden.

Kalkuliertes Kalkül: Der Rechtsstreit als nächste politische Bühne

Die Reaktionen aus Kalifornien auf die Drohungen aus Washington fielen erwartungsgemäss scharf und unmissverständlich aus. Gouverneur Newsom, der sich in einem Dauerkonflikt mit Trump befindet, und andere führende Demokraten wie die Senatoren Alex Padilla und Adam Schiff verurteilten die Pläne scharf. Newsom konterte auf der Plattform X, dass Kalifornien als Nettozahler über 80 Milliarden Dollar mehr an den Bund abführe, als es zurückerhalte, und stellte provokant die Frage, ob man vielleicht diese Zahlungen kappen sollte. Der Abgeordnete Dave Min nannte die Pläne „unerhört, illegal und einen gefährlichen Präzedenzfall“ und sprach von „gezielter politischer Rache“, die eine Bedrohung für die Demokratie darstelle. Man werde sich „mit Zähnen und Klauen“ wehren.

Der unausweichliche nächste Schritt wird der Gang vor die Gerichte sein. Kalifornien dürfte die Mittelstreichung mit dem Argument anfechten, sie sei „willkürlich und kapriziös“. Rechtsexperten weisen darauf hin, dass die Trump-Administration sich offenbar bemüht hat, eine rechtliche Basis zu konstruieren, um einer Klage standzuhalten. Gleichzeitig schafft die Tatsache, dass die Biden-Regierung das Projekt erst kürzlich geprüft und ihm weitere 3 Milliarden Dollar zugesprochen hatte, eine schwierige Ausgangslage für das Weisse Haus. Erschwerend kommt eine bereits bestehende gerichtliche Verfügung aus einer früheren Auseinandersetzung hinzu, die dem Bund untersagt, Zuschüsse an Bundesstaaten einzufrieren oder zu streichen. Juristen sind sich jedoch uneinig über die Erfolgsaussichten. Zwar mag der politische Antagonismus zwischen Trump und Newsom offensichtlich sein, doch es gilt als unwahrscheinlich, dass ein Gericht allein auf dieser Grundlage eine Entscheidung gegen die Administration fällen würde. Der Fall droht, sich über Jahre hinzuziehen.

Dieser Konflikt reicht weit über die Grenzen Kaliforniens hinaus. Er etabliert ein Muster, bei dem Bundesmittel als Druckmittel gegen politisch unliebsame Bundesstaaten eingesetzt werden. Maine, das sich ebenfalls wegen seiner Politik zu Transgender-Athleten im Sport den Zorn Trumps zugezogen hat, wird bereits als nächstes potenzielles Ziel genannt. Die Auseinandersetzung um das kalifornische Bahnprojekt ist somit mehr als eine regionale Episode. Sie ist ein Symptom für den Zustand einer Nation, in der politische Differenzen nicht mehr nur im Wettstreit der Ideen, sondern durch die Blockade grundlegender staatlicher Funktionen ausgetragen werden. Der unfertige Zug im Central Valley ist damit zu einem mächtigen Symbol geworden: für ein zerrissenes Land und für den Versuch einer Regierung, einen ihrer wichtigsten Gliedstaaten in die Knie zu zwingen.

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