
Ein bizarrer Schlagabtausch in den sozialen Medien, kulminierend in Drohungen, die das Fundament der amerikanischen Vormachtstellung im Kosmos erschüttern – was sich in den letzten Tagen zwischen Donald Trump und Elon Musk abspielte, ist weit mehr als nur eine weitere Episode im Theater persönlicher Animositäten. Es ist die öffentliche Implosion einer einst gefeierten Allianz, die nun eine existenzielle Krise für die Vereinigten Staaten offenbart. Der öffentlich ausgetragene Konflikt zwischen dem Ex-Präsidenten und dem reichsten Mann der Welt entlarvt eine selbst geschaffene, strukturelle Verwundbarkeit: Die fast totale Abhängigkeit der USA in kritischen Bereichen der Raumfahrt und nationalen Sicherheit von einem einzigen Mann und seiner Firma SpaceX. Was als revolutionäres Modell einer Public-Private-Partnership begann, hat sich zu einem nationalen Sicherheitsrisiko entwickelt, das Amerikas Zukunft im Orbit, auf dem Mond und im globalen militärischen Machtgefüge in Geiselhaft nimmt.
Der Konflikt eskalierte schnell und unerbittlich. Auf seinem Netzwerk Truth Social sinnierte Donald Trump darüber, sämtliche staatlichen Subventionen und Verträge für Elon Musks Firmen zu beenden – ein Schritt, den er als einfachsten Weg bezeichnete, um „Milliarden und Abermilliarden“ im Budget zu sparen. Musks Reaktion kam prompt und scharf über die Plattform X: SpaceX werde mit sofortiger Wirkung die Stilllegung seiner Dragon-Raumkapsel einleiten. Auch wenn Musk Stunden später zurückruderte und erklärte, man werde Dragon doch nicht außer Dienst stellen, war die Drohung ausgesprochen und ihre verheerende Botschaft unüberhörbar. Ein abrupter Stopp der Kooperation würde die NASA augenblicklich ihrer einzigen souveränen Möglichkeit berauben, Astronauten von amerikanischem Boden aus zur Internationalen Raumstation zu befördern. Die USA wären im bemannten Raumflug praktisch handlungsunfähig. Ob die Verträge mit der NASA einen derart plötzlichen Ausstieg rechtlich überhaupt zuließen, blieb dabei zunächst unklar.

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Die Anatomie einer verhängnisvollen Abhängigkeit
Die heutige Krise ist das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung, in der SpaceX vom belächelten Newcomer zum unangefochtenen Monopolisten im amerikanischen Raumfahrtsektor aufstieg. Als die Firma 2006 einen ersten Vertrag mit der NASA für Frachttransporte zur ISS erhielt, hatte sie noch keine einzige Rakete erfolgreich in den Orbit gebracht. Doch mit der Entwicklung der Falcon-9-Rakete, maßgeblich mitfinanziert durch NASA-Gelder, begann ein beispielloser Aufstieg. SpaceX etablierte sich als „Southwest Airlines der Raketenindustrie“, das Starts zu Preisen anbot, die die Konkurrenz deklassierten. Während SpaceX einen Erfolg nach dem anderen feierte und Rekord um Rekord brach, strauchelten die Wettbewerber. Die Dominanz wurde so erdrückend, dass Branchenkenner seit Jahren vor der gefährlichen Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter warnen.
Diese Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Stattdessen vertiefte die US-Regierung die Bindung weiter und vergab milliardenschwere Aufträge. Allein im letzten Haushaltsjahr beliefen sich die Regierungsaufträge auf 3,8 Milliarden Dollar; über die letzten zehn Jahre summiert sich das Staatsgeld auf rund 18 Milliarden Dollar. Die NASA beauftragte SpaceX nicht nur mit Frachtflügen, sondern ab 2014 auch mit dem Transport von Astronauten. Der eigentliche Plan sah jedoch anders aus. Man wollte Redundanz schaffen und vergab einen ähnlichen Auftrag an den Luftfahrtriesen Boeing. Doch während SpaceX seit 2020 zuverlässig Astronauten fliegt, wurde Boeings Starliner-Programm zu einem Desaster. Wiederholte technische Pannen und massive Verzögerungen gipfelten in einer Mission, bei der die Testpiloten nach einem fehlerhaften Hinflug mit einer SpaceX-Kapsel zur Erde zurückkehren mussten. Wann der Starliner wieder fliegen kann, ist ungewiss, Prognosen gehen nicht vor dem nächsten Jahr aus. Ähnlich düster sieht es bei neuen Schwerlastraketen aus. Die „New Glenn“ von Jeff Bezos‘ Firma Blue Origin liegt Jahre hinter dem Zeitplan zurück. Ein ehemaliger SpaceX-Chefingenieur fasste die Lage treffend zusammen: Die NASA hat die Wahl „zwischen Musk und der Bedeutungslosigkeit“.
Kollateralschaden im Orbit: ISS, Mondmission und internationale Partner
Die Konsequenzen eines Bruchs mit SpaceX wären unmittelbar und katastrophal. Für die Internationale Raumstation, ein 100-Milliarden-Dollar-Projekt, wäre es ein verheerender Schlag. Ohne die Dragon-Kapseln gäbe es keine Möglichkeit mehr, neue Astronauten zur alternden Station zu schicken. Zwar könnte man die aktuell an Bord befindliche Crew wohl noch zur Erde zurückholen, doch danach wäre die amerikanische Präsenz beendet. Die einzige, wenn auch umständliche Alternative wäre der Rückkauf von Sitzen in russischen Sojus-Kapseln – eine demütigende Rückkehr zu jener Abhängigkeit, die man mit dem Commercial-Crew-Programm eigentlich überwinden wollte. Der zynische Spott des ehemaligen Roskosmos-Chefs Dmitri Rogosin von vor zehn Jahren, die Amerikaner könnten ja ein Trampolin benutzen, um zur ISS zu gelangen, bekäme eine neue, bittere Aktualität.
Doch nicht nur die USA wären betroffen. Die internationalen Partner – Kanada, Japan und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) – sind seit 2021 ausschließlich auf SpaceX angewiesen, um ihre Astronauten ins All zu bringen. Ein Stopp der Flüge würde das „vorläufige Ende ihrer astronautischen Programme“ bedeuten. Die geplante Langzeitmission der französischen Astronautin Sophie Adenot im kommenden Jahr stünde auf der Kippe. Ebenso würde die Axt an das ambitionierteste Projekt der NASA seit den Apollo-Missionen gelegt: die Rückkehr zum Mond. Das Artemis-Programm würde ohne SpaceX „ebenfalls zerfallen“. SpaceX hat den zentralen Auftrag, mit einer modifizierten Version seines Starship-Raumschiffs die nächsten amerikanischen Astronauten auf der Mondoberfläche zu landen. Zwar hat auch Blue Origin einen Vertrag für eine spätere Mondlandung erhalten, doch diese Mission ist erst für Jahre später geplant. Die kurzfristigen Mond-Ambitionen Amerikas wären damit Geschichte.
Das Pentagon in Geiselhaft: Ein nationales Sicherheitsrisiko
Die vielleicht gravierendsten, wenn auch weniger sichtbaren Folgen eines Vertragsstopps würden die nationale Sicherheit der USA betreffen. SpaceX ist über die Jahre zu einem unverzichtbaren, „entscheidenden Partner“ für das Pentagon und die Geheimdienste geworden. Die Firma startet routinemäßig klassifizierte Militär- und Spionagesatelliten, die für die Raketenwarnung, die Schlachtfeldkommunikation und die Steuerung von Präzisionswaffen essenziell sind. Die Space Force hat Verträge im Wert von fast 6 Milliarden Dollar an SpaceX vergeben und das Verteidigungsministerium hat das Unternehmen mit dem Aufbau einer sichereren Version des Starlink-Netzwerks für militärische Kommunikation beauftragt. Eine Kündigung der Verträge würde dazu führen, dass zahlreiche dieser kritischen Nutzlasten „am Boden gestrandet“ wären. Alternative Anbieter wie die United Launch Alliance (ULA) existieren zwar, doch ihre Raketen sind teurer und können nicht annähernd die lange Erfolgsbilanz von SpaceX vorweisen. Ohne SpaceX wäre die Fähigkeit der USA, ihre militärische und geheimdienstliche Infrastruktur im All zu erneuern und auszubauen, massiv eingeschränkt.
Der politische Streit hat bereits jetzt handfeste Konsequenzen. In einem deutlichen Zeichen des Zerwürfnisses zog Trump die Nominierung des Milliardärs Jared Isaacman für den Posten des NASA-Administrators zurück – Isaacman gilt als Musk-Verbündeter und ist bereits zweimal privat mit SpaceX ins All geflogen. Zudem zeichnet sich ab, dass der Konflikt die Budgetverhandlungen im Kongress beeinflusst. Ein ursprünglicher Vorschlag des Weißen Hauses, das teure und verzögerte Space Launch System (SLS) zu streichen, was ein Segen für SpaceX gewesen wäre, wird nun wohl vom Tisch sein. Aufgrund des Streits zwischen Trump und Musk ist das Weiße Haus nun offenbar bereit, die vom Senat durchgedrückte Weiterfinanzierung des Konkurrenzsystems zu akzeptieren.
Am Ende offenbart dieser Konflikt eine fundamentale Asymmetrie: Die NASA ist auf „Gedeih und Verderb an SpaceX gebunden“, während SpaceX für sein Überleben nicht zwingend auf die NASA angewiesen ist. Mit dem Ausbau seines globalen Internetdienstes Starlink und einem wachsenden Markt für private Raumflüge, etwa für das Unternehmen Axiom, hat sich Musk eine robuste wirtschaftliche Basis geschaffen. Die NASA braucht SpaceX mehr als umgekehrt. Die USA haben ihre Ambitionen und ihre Sicherheit im All einem genialen, aber unberechenbaren Unternehmer anvertraut und sich damit erpressbar gemacht. Der Krieg der Egos zwischen Trump und Musk ist somit mehr als nur eine politische Posse – er ist ein Weckruf, der die tiefen Risse im Fundament der amerikanischen Raumfahrtstrategie schonungslos offenlegt.