Jenseits von Schwarz und Weiß: Trumps Krieg gegen DEI und die Suche nach echter Gerechtigkeit in Amerika

Illustration: KI-generiert

Ein Gespenst geht um in Amerika – das Gespenst der Gleichstellung. Unter dem Kürzel DEI (Diversity, Equity, Inclusion) ist es zum zentralen Feindbild der politischen Rechten und zum Ziel eines unerbittlichen Feldzugs von Donald Trump geworden. Doch dieser Angriff ist mehr als nur Wahlkampfgetöse. Er legt den Finger in eine tiefe Wunde der amerikanischen Gesellschaft: das Scheitern einer jahrzehntealten Politik der „Affirmative Action“, die gut gemeint war, aber in ihren Konsequenzen oft das Gegenteil von dem bewirkte, was sie erreichen sollte. Inmitten dieses politisch instrumentalisierten Kulturkampfes droht jedoch nicht nur ein fehlerhaftes System zu zerbrechen, sondern das Fundament des amerikanischen Bürgerrechts selbst.

Der Konflikt entzündet sich an einer Politik, die einst als moralischer und juristischer Meilenstein galt. Die Bürgerrechtsgesetze der 1960er-Jahre und die daraus erwachsene „Affirmative Action“ sollten die tiefen Gräben der Rassentrennung überwinden und historisch benachteiligten Minderheiten, insbesondere Afroamerikanern, Türen zu Bildung und Wohlstand öffnen. Die ursprüngliche Idee war, ein Gegengewicht zu systemischer Diskriminierung zu schaffen. Doch über die Jahrzehnte, so die Analyse in den vorliegenden Texten, hat sich diese Intention schleichend pervertiert. Aus einem Werkzeug zur Herstellung von Chancengleichheit wurde ein rigides System der rassenbasierten Bevorzugung, das neue Ungerechtigkeiten schuf und die Gesellschaft weiter spaltete.

Die Schattenseiten der guten Absicht: Wie Gleichstellungspolitik zum Bumerang wurde

Die unbeabsichtigten Folgen dieser Politik sind gravierend und treffen paradoxerweise oft jene, denen sie eigentlich helfen sollte. Anstatt Diskriminierung zu bekämpfen, führte die Praxis der „Affirmative Action“ zu einer neuen Form der Bewertung von Menschen, bei der die Hautfarbe wieder zu einem entscheidenden Kriterium wurde. An Eliteuniversitäten und in Unternehmen etablierten sich Praktiken, die Bewerber nicht allein nach ihren individuellen Leistungen und Verdiensten beurteilten, sondern ihnen basierend auf ihrer ethnischen Zugehörigkeit einen Bonus oder Malus zuschrieben.

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Diese Entwicklung hatte mehrere toxische Effekte. Zum einen nährte sie bei den Angehörigen von Minderheiten, die auf diese Weise gefördert wurden, das Gefühl, ihre Position nicht aus eigener Kraft verdient zu haben. Die ständige, unterschwellige Annahme, selbst die talentiertesten schwarzen oder hispanischen Studenten hätten ihren Platz nur einer Quote zu verdanken, wirkte zutiefst stigmatisierend. Gleichzeitig schürte sie bei Kommilitonen oder Kollegen aus asiatischen oder weißen Bevölkerungsgruppen stillen Groll und ein Gefühl der Ungerechtigkeit. Anstatt die Gesellschaft zu einen, wurde sie durch diese Politik in ethnische Lager aufgeteilt, die um knappe Ressourcen wie Studienplätze oder Regierungsgelder konkurrierten.

Darüber hinaus profitierten von diesen Programmen überproportional oft nicht die am stärksten benachteiligten Mitglieder von Minderheitengruppen, sondern Kinder aus der aufstrebenden schwarzen oder hispanischen Mittelschicht. Wohlhabende Nachkommen von Einwandererfamilien aus Afrika oder der Karibik, deren Vorfahren nie der Sklaverei in den USA ausgesetzt waren, erhielten einen Vorteil, während die schwarze Unterschicht, die unter strukturellen Problemen leidet, oft leer ausging. Die Politik verfehlte damit ihr eigentliches Ziel, soziale Mobilität für die Ärmsten zu schaffen, und wurde stattdessen zu einem Instrument, das bereits privilegierten Minderheiten zusätzliche Vorteile verschaffte.

Diese Fehlentwicklungen gipfelten in der Grundsatzentscheidung des Supreme Court im Jahr 2023, die den Einsatz von Rasse als direktes Kriterium bei Hochschulzulassungen für illegal erklärte. Doch die Institutionen haben Wege gefunden, dieses Verbot zu umgehen. Anstatt direkte Quoten zu verwenden, fordern viele Eliteuniversitäten die Bewerber nun in ihren Essays auf, ausführlich über ihre Identität und ihre Erfahrungen mit Widrigkeiten zu schreiben – eine kaum verhüllte Einladung, die ethnische Herkunft als entscheidenden Faktor ins Spiel zu bringen. Interviews werden genutzt, um die ethnische Zugehörigkeit von Bewerbern zu verifizieren, wie eine Klage gegen die medizinische Fakultät der UCLA nahelegt. Das System kämpft um sein Überleben und zeigt damit, wie tief die Logik der Rassenzugehörigkeit im institutionellen Denken verankert ist.

Trumps Abrissbirne: Wenn die Kritik am System die Grundfesten des Rechtsstaats bedroht

In dieses komplexe und widersprüchliche Spannungsfeld stößt nun Donald Trump mit der Wucht einer politischen Abrissbirne. Seine Attacken auf DEI sind, wie die Autoren darlegen, zwar oft plump und von persönlicher Rachsucht getrieben, treffen aber einen wahren Kern. Die Kritik an den Exzessen der Identitätspolitik ist legitim und notwendig. Doch Trumps Feldzug zielt nicht auf eine sinnvolle Reform ab. Vielmehr instrumentalisiert er die berechtigte Unzufriedenheit, um eine breit angelegte Kulturkampf-Kampagne zu führen, die das Erbe der Bürgerrechtsbewegung als Ganzes bedroht.

Sein Vorgehen ist dabei strategisch und gefährlich. Er und seine Regierung werfen bewusst zwei grundverschiedene Konzepte in einen Topf: die proaktive „rassische Bevorzugung“ (Racial Preferences) und die reaktive „Disparate-Impact-Haftung“. Während Erstere, wie dargelegt, ein System von doppelten Standards und aktiver Bevorzugung darstellt, ist Letztere ein fundamentaler Schutzmechanismus des Bürgerrechts. Das Prinzip des „Disparate Impact“ schützt Gruppen vor Richtlinien, die auf dem Papier neutral erscheinen, in der Praxis aber eine diskriminierende Wirkung entfalten – etwa bei Zonengesetzen, die gezielt den Zuzug von einkommensschwachen Familien und damit oft Minderheiten in bestimmte Wohngegenden verhindern.

Indem Trump beides gleichsetzt und unter dem Label DEI bekämpft, greift er das Herzstück der Antidiskriminierungsgesetze an. Sein Ziel ist es, den Fokus ausschließlich auf offene, beweisbare und vorsätzliche Diskriminierung zu verengen – eine Hürde, die in der modernen Gesellschaft kaum noch zu nehmen ist. Damit droht er, die Schutzmechanismen auszuhebeln, die subtilere, aber nicht weniger wirksame Formen systemischer Benachteiligung bekämpfen sollen. Die Konzerne spüren diesen Druck bereits. Nachdem sie jahrelang aus Furcht vor Klagen aufwendige DEI-Programme implementierten, sehen sie sich nun durch Trumps Justizministerium neuen rechtlichen Gefahren ausgesetzt und beginnen, ihre Initiativen zurückzufahren.

Politik statt Sicherheit: Wie die FAA zum Schauplatz im Kulturkampf wird

Wie weit diese politische Instrumentalisierung geht, zeigt der Fall der US-Luftfahrtbehörde FAA auf erschreckende Weise. Nach einem tödlichen Flugzeugunglück am Reagan National Airport machte Trump umgehend DEI-Programme für den Vorfall verantwortlich und behauptete, die Sicherheitsstandards seien aus Gründen der Diversität gesenkt worden. Diese auf reinen „Meinungen und Ideen“ basierende Anschuldigung wurde zur Grundlage einer offiziellen, mit bis zu 2,1 Millionen Dollar an Steuergeldern finanzierten Untersuchung, die von einem prominenten Anwalt geleitet wird, der auch Elon Musk vertritt.

Die Untersuchung soll einen Zusammenhang zwischen DEI-Richtlinien und Sicherheitsmängeln herstellen, obwohl Insider und Experten betonen, dass die wahren Probleme der FAA woanders liegen: bei veralteter Technologie, massivem Personalmangel bei den Fluglotsen und den Folgen von Sparmaßnahmen. Die teure Untersuchung bindet Ressourcen, die dringend für die Behebung dieser realen Sicherheitsrisiken benötigt würden. Der Fall der FAA ist somit ein Lehrstück dafür, wie ein legitimes politisches Thema – die Qualifikation von Personal – für einen Kulturkampf gekapert wird, der von den eigentlichen Problemen ablenkt und potenziell fatale Folgen hat. Es geht nicht um die Verbesserung der Flugsicherheit, sondern um die Durchsetzung einer politischen Agenda.

Angesichts dieser verfahrenen Situation – ein gescheitertes Gleichstellungssystem auf der einen und ein zerstörerischer politischer Angriff auf der anderen Seite – stellt sich die Frage nach einem Ausweg. Die Autoren der Quellen deuten einen radikalen Kurswechsel an: die Abkehr von der Rasse und die Hinwendung zur Klasse. Ein klassenbasierter Ansatz der „Affirmative Action“ würde jenen helfen, die tatsächlich benachteiligt sind, unabhängig von ihrer Hautfarbe. Er würde Kinder aus einkommensschwachen Vierteln fördern, egal ob sie weiß, schwarz oder hispanisch sind, und damit die soziale Mobilität gezielter unterstützen. Ein solcher Ansatz hätte zudem das Potenzial, den populistischen Groll zu entschärfen, den Trump so erfolgreich für sich nutzt, da er auch die arme, weiße Bevölkerung einschließen würde.

Dieser Vorschlag kommt zu einer Zeit, in der sich auch die öffentliche Meinung gewandelt hat. Eine Umfrage des Pew Research Center zeigte, dass nur eine kleine Minderheit der Afroamerikaner (20 Prozent) das Gefühl hat, von Diversitätsprogrammen profitiert zu haben, während eine größere Gruppe (35 Prozent) angab, dadurch sogar Schaden erlitten zu haben. Dies signalisiert eine deutliche Distanz zu den Positionen vieler traditioneller Bürgerrechtsführer, die weiterhin an rassenbasierten Konzepten festhalten.

Amerika steht an einem Scheideweg. Der Status quo der rassenbasierten Bevorzugung ist unhaltbar geworden, weil er neue Gräben aufreißt und die Vorstellung einer angeborenen rassischen Hierarchie zementiert. Trumps Antwort darauf ist jedoch keine Lösung, sondern ein Brandbeschleuniger, der droht, die gesamte Architektur der Bürgerrechte niederzureißen. Die Herausforderung besteht darin, einen Weg zu finden, der Ungleichheit wirksam bekämpft, ohne Menschen nach ihrer Herkunft zu klassifizieren. Es geht darum, die Werkzeuge, die zur Spaltung geführt haben, beiseitezulegen und neue zu schmieden, die eine Gesellschaft schaffen, in der nicht die Abstammung, sondern die individuelle Leistung und der tatsächliche Bedarf zählen.

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