
Ein Präsident im Clinch mit der vierten Gewalt: Donald Trumps systematische Angriffe auf Medienhäuser und Tech-Giganten mittels Klagen und regulatorischem Druck haben eine neue Dimension erreicht. Unternehmen wie Paramount, ABC und Meta zahlen millionenschwere Vergleiche – vorgeblich, um Geschäftsinteressen wie Fusionen zu schützen. Doch der Kollateralschaden für die journalistische Unabhängigkeit und das Vertrauen in die Medien ist immens und wirft ein Schlaglicht auf die fragile Balance zwischen Macht, Medien und Mammon in den USA.
Die Vereinigten Staaten erleben eine Präsidentschaft, die das Verhältnis zur Presse und zu den Informationskanälen neu zu definieren versucht – mit Methoden, die Kritiker als frontalen Angriff auf die Grundfesten der demokratischen Öffentlichkeit deuten. Donald Trump hat einen vielschichtigen und aggressiven Feldzug gegen Medienkonzerne und soziale Netzwerke entfesselt. Sein Arsenal ist breit gefächert: milliardenschwere Klagen, oft wegen angeblicher Verleumdung oder manipulativer Berichterstattung, öffentliche Breitseiten und – besonders wirkmächtig – die Androhung oder der tatsächliche Einsatz regulatorischer Daumenschrauben. Im Zentrum dieser Taktik steht auffallend oft die Federal Communications Commission (FCC), jene Behörde, die über Sendelizenzen und die Genehmigung von Fusionen wacht und deren Chef, Brendan Carr, als loyaler Gefolgsmann Trumps gilt. Dieses Zusammenspiel von juristischem Druck und politischer Einflussnahme zielt offenkundig darauf ab, die Berichterstattung zu disziplinieren, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und letztlich ein mediales Umfeld zu schaffen, das den eigenen Narrativen zumindest nicht im Wege steht.
Das Damoklesschwert der Fusionen: Wie Unternehmensentscheidungen unter Druck geraten
Die Effektivität von Trumps Strategie zeigt sich besonders deutlich, wenn große Unternehmensentscheidungen anstehen. Der Fall Paramount und die geplante milliardenschwere Fusion mit Skydance Media ist hierfür exemplarisch. Die Notwendigkeit, für diesen Deal grünes Licht von der FCC zu erhalten, hängt wie ein Damoklesschwert über dem Medienriesen. Trumps Klage gegen die CBS-Sendung „60 Minutes“ wegen eines angeblich manipulierten Interviews mit Kamala Harris – eine Klage, die von Medienexperten als journalistisch haltlos und juristisch kaum aussichtsreich bewertet wird – erhält vor diesem Hintergrund eine brisante strategische Bedeutung. Die Drohung, die Fusion platzen zu lassen oder zumindest empfindlich zu verzögern, wirkt als massiver Hebel. Paramounts Bereitschaft, über einen millionenschweren Vergleich zu verhandeln und sogar interne DEI-Initiativen (Diversity, Equity, Inclusion) auf Trumps Druck hin anzupassen, signalisiert, wie tief der politische Einfluss in die Vorstandsetagen reicht. Shari Redstone, die Mehrheitsaktionärin von Paramount, deren persönliches finanzielles Interesse am Zustandekommen des Skydance-Deals erheblich ist, scheint bereit, Zugeständnisse zu machen, die weit über übliche juristische Kompromisse hinausgehen. Auch die Personalie Brendan Carr, von Trump zum FCC-Chef ernannt und bekannt für seine demonstrative Loyalität zum Präsidenten, unterstreicht die Verquickung von politischen Ernennungen und der Durchsetzung präsidialer Interessen gegenüber der Wirtschaft.

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Kollateralschaden Journalismus: Wenn Unabhängigkeit zur Verhandlungsmasse wird
Die Auswirkungen dieses Drucks auf die journalistische Praxis sind verheerend und manifestieren sich in konkreten Personalentscheidungen und einer spürbaren Verunsicherung in den Redaktionen. Der frustrierte Rücktritt von Bill Owens, dem langjährigen und hochangesehenen Produzenten von „60 Minutes“, nach 26 Jahren im Dienst ist ein alarmierendes Signal. Seine Begründung, er könne unabhängigen Journalismus unter den gegebenen Umständen nicht länger produzieren, da es zu zunehmender Einmischung „von oben“ gekommen sei, spricht Bände. Scott Pelley, einer der profiliertesten Moderatoren von „60 Minutes“, unterstützte Owens und kritisierte die Mutterfirma Paramount offen für die neue Art der „Beaufsichtigung“ – eine direkte Folge der Bemühungen, die Skydance-Fusion nicht zu gefährden. Auch der spätere Rücktritt von Wendy McMahon, Präsidentin von CBS News and Stations, die intern gegen einen Vergleich mit Trump argumentiert hatte, wird von Mitarbeitern als weiteres Indiz für das Einknicken des Konzerns gewertet. Diese Vorgänge illustrieren den tiefen Riss, der sich zwischen der Wahrung journalistischer Integrität und den wirtschaftlichen Zwängen der Mutterkonzerne auftut, wenn politischer Druck übermächtig wird. Die Botschaft ist klar: Kritische Berichterstattung kann teuer werden, sehr teuer sogar, wenn sie die „großen Deals“ gefährdet.
Der Preis der Stille: Millionenvergleiche als unternehmerische Vernunft oder Kapitulation?
Die millionenschweren Zahlungen, zu denen sich Medienhäuser wie ABC (15 Millionen Dollar Spende an Trumps Präsidentschaftsbibliothek plus Anwaltskosten im Fall Stephanopoulos) und Meta (über 25 Millionen Dollar im Fall der Plattform-Sperre) bereit erklärt haben, werfen fundamentale Fragen auf. Handelt es sich hierbei, wie von den Unternehmen oft suggeriert, um rein pragmatische, wirtschaftlich motivierte Entscheidungen zur Vermeidung langwieriger und kostspieliger Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang? Oder ist es nicht vielmehr eine Form der Kapitulation vor politischem Druck, ein Einknicken, das langfristig die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der gesamten Branche untergräbt? Die Kritik, wie sie etwa von „Mother Jones“ im Fall Paramount als „mafiaähnlicher Erpressungsversuch“ Trumps formuliert wird, ist deutlich. Senatoren warnen sogar vor einer möglichen Verletzung von Bestechungsgesetzen, sollte ein Quidproquo zwischen Vergleichszahlungen und der Genehmigung von Fusionen bestehen. Die Unternehmen bewegen sich auf einem schmalen Grat: Einerseits wollen sie finanzielle Schäden und regulatorische Hürden minimieren, andererseits riskieren sie den Vorwurf, sich ihre „Ruhe“ und günstige politische Rahmenbedingungen zu erkaufen – mit potenziell verheerenden Folgen für ihr journalistisches Ethos und das Vertrauen der Öffentlichkeit. Die Ironie, dass sich Trump selbst der Methoden bedient, die er seinen politischen Gegnern vorwirft – nämlich die Macht des Amtes zum persönlichen Vorteil und zur Drangsalierung privater Unternehmen zu nutzen – wird von Beobachtern ebenfalls angemerkt.
Juristische Nebelkerzen und die Macht des Faktischen
Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Auseinandersetzungen ist die Diskrepanz zwischen der juristischen Einschätzung von Trumps Klagen und ihrer faktischen Wirkung. Medienrechtsexperten halten viele der Klagen für „unseriös“, „fadenscheinig“ oder „ohne rechtliche Grundlage“. So gilt der Zusammenschnitt von Interviews, wie im Fall Kamala Harris bei „60 Minutes“, als journalistischer Standard. George Stephanopoulos‘ unpräzise Wortwahl bezüglich des Carroll-Urteils hätte vor Gericht wohl verteidigt werden können. Trumps Klage gegen Meta und X wegen der Kontosperrungen nach dem Sturm aufs Kapitol wurde anfangs wenig Aussicht auf Erfolg bescheinigt. Dennoch erzielt Trump durch die schiere Androhung und das Durchziehen dieser Verfahren, gepaart mit dem politischen Druck im Hintergrund, beachtliche Erfolge in Form von millionenschweren Vergleichen und öffentlichen Entschuldigungen. Dies offenbart eine Schwachstelle im System: Selbst aussichtslose Klagen können, wenn sie von einer politisch mächtigen Figur mit der Bereitschaft zur Eskalation geführt werden, für Unternehmen zu einer derart großen Belastung werden, dass ein Vergleich als das kleinere Übel erscheint. Die Frage ist, ob der finanzielle „Schaden“ durch einen Vergleich nicht geringer ist als der potenzielle Schaden durch eine blockierte Fusion oder eine anhaltende Negativkampagne seitens des Präsidenten.
Historische Echos und neue Gefahren für die Medienlandschaft
Der Konflikt zwischen „60 Minutes“ und der Tabakindustrie in den 1990er Jahren, als CBS aus Angst vor juristischen Konsequenzen und wegen interner Verflechtungen einen kritischen Bericht zunächst zurückhielt, wird in einigen Analysen als historischer Vergleichspunkt herangezogen. Auch damals standen Unternehmensinteressen gegen journalistische Prinzipien. Doch die aktuelle Situation unter Trump weist eine neue Qualität auf. Hier agiert nicht nur ein mächtiger Wirtschaftslobbyist, sondern der Präsident der Vereinigten Staaten selbst, der den gesamten Apparat der Regierung potenziell als Waffe gegen unliebsame Medien einsetzen kann. Die Attacken sind Teil einer breiteren, gut finanzierten konservativen Rechtsstrategie gegen die Medien, die darauf abzielt, den „First Amendment“ zu untergraben und kritische Berichterstattung systematisch zu erschweren. Die Langzeitfolgen dieser Entwicklung sind besorgniserregend: eine weitere Erosion des Vertrauens in etablierte Medien, eine mögliche Selbstzensur in Redaktionen aus Furcht vor Repressalien und eine Medienlandschaft, die zunehmend von politischen und wirtschaftlichen Machtinteressen geprägt ist. Die „olympischen Interessenkonflikte“, die entstehen, wenn die Pressefreiheit gegen Milliarden-Dollar-Deals abgewogen wird, könnten das Fundament einer informierten Öffentlichkeit nachhaltig beschädigen.
Die Architekten des Drucks und ihre Motive
Die Rolle von Schlüsselfiguren wie Shari Redstone, Mark Zuckerberg und Elon Musk ist in diesem Kontext aufschlussreich. Redstones vorrangiges Interesse scheint die Rettung ihres Familienvermögens durch den Verkauf von Paramount zu sein, wofür sie offenbar bereit ist, erhebliche Zugeständnisse an Trump zu machen. Zuckerberg, der von Trump einst mit Gefängnis bedroht wurde, suchte persönlich den Vergleich in Mar-a-Lago, um die Klage gegen Meta beizulegen – eine bemerkenswerte Kehrtwende. Elon Musk wiederum, der X (ehemals Twitter) übernommen hat, agiert nicht nur als Verhandlungspartner in eigener Sache, sondern auch als offener finanzieller Unterstützer und ideologischer Verbündeter Trumps, was seine Verhandlungsbereitschaft in einem anderen Licht erscheinen lässt. Diese Akteure, getrieben von unterschiedlichen, aber oft konvergierenden Interessen – sei es finanzieller Gewinn, das Vermeiden regulatorischer Scherereien oder politische Nähe –, tragen maßgeblich dazu bei, dass Trumps Druckstrategie verfängt.
Persönlicher Profit und der Anschein von Amtsmissbrauch
Es ist unübersehbar, dass Donald Trump von diesen juristischen Auseinandersetzungen und den daraus resultierenden Vergleichen auch persönlich profitiert. Die Millionenbeträge fließen teils in seine Präsidentschaftsbibliothek, decken Anwaltskosten oder kommen ihm auf andere Weise zugute. Wenn ein amtierender Präsident durch Klagen und den Einsatz staatlicher Macht Hebel ansetzt, um private Unternehmen zu Zahlungen zu bewegen, die letztlich auch seinem persönlichen oder politischen Vermächtnis dienen, wirft dies unweigerlich Fragen nach Bestechlichkeit und der Bereicherung durch Amtsmissbrauch auf. Die Warnungen von Senatoren, dass solche Deals illegale Absprachen darstellen könnten, wenn sie im Austausch für politische Gefälligkeiten – wie die Genehmigung einer Fusion – erfolgen, sind mehr als nur rhetorische Manöver. Sie deuten auf eine tieferliegende Problematik hin: die potenzielle Korrumpierung staatlicher Entscheidungsprozesse durch die privaten Interessen des Amtsinhabers. Der Umstand, dass das US-Strafgesetzbuch den Präsidenten von grundlegenden Interessenkonfliktbestimmungen ausnimmt, mag dies legal ermöglichen, ethisch bleibt es zutiefst fragwürdig.
Die aktuelle Entwicklung zeichnet das Bild einer Medienlandschaft unter Belagerung. Wenn der mächtigste Mann des Landes die Presse nicht als Kontrollinstanz, sondern als Feind betrachtet und seine Macht dazu nutzt, sie systematisch einzuschüchtern und finanziell unter Druck zu setzen, steht mehr auf dem Spiel als nur die Bilanz einzelner Medienkonzerne. Es geht um die Fähigkeit der Öffentlichkeit, sich unvoreingenommen zu informieren, um die Bereitschaft von Journalisten, ohne Furcht vor Repressalien zu recherchieren, und letztlich um die Gesundheit der Demokratie selbst. Die Frage, ob sich Mut und Rückgrat gegen die Macht des Geldes und der Politik behaupten können, wird die kommenden Jahre prägen. Der Preis der Stille könnte am Ende unbezahlbar sein.