Trumps Zoll-Keule: Eine Rückkehr zum Handelschaos mit Ansage

Illustration: KI-generiert

Die politische Bühne erlebt ein Déjà-vu der disruptiven Art: Präsident Donald Trump reaktiviert sein handelspolitisches Arsenal und droht mit massiven Zöllen – diesmal im Visier: die Europäische Union mit bis zu 50 Prozent und der Technologiegigant Apple, dessen im Ausland produzierte iPhones mit 25 Prozent belegt werden sollen. Die Begründung klingt vertraut: Es gehe darum, die amerikanische Produktion anzukurbeln, Arbeitsplätze zurück in die USA zu holen und als unfair empfundene Handelsbeziehungen neu zu justieren. Doch während die Rhetorik auf innenpolitische Resonanz zielen mag, senden die Drohungen Schockwellen durch die globalen Finanzmärkte und werfen ein Schlaglicht auf die tiefgreifenden Widersprüche und potenziell verheerenden Konsequenzen einer Politik, die auf Konfrontation statt Kooperation setzt. Die erneute Eskalation wirft drängende Fragen auf: Sind dies nur taktische Manöver eines gewieften Verhandlungsführers, oder erleben wir eine fundamentale Neuausrichtung amerikanischer Handelspolitik mit unabsehbaren Folgen?

Wirtschaftliche Schockwellen: Die prognostizierten Kosten der Zollpolitik

Die angedrohten Strafzölle sind weit mehr als nur abstrakte Zahlen; sie bergen das Potenzial für konkrete und schmerzhafte wirtschaftliche Verwerfungen diesseits und jenseits des Atlantiks. Ökonomen zeichnen ein düsteres Bild: Das Kiel Institut für Weltwirtschaft prognostiziert bei Umsetzung der EU-Zölle einen kurzfristigen Einbruch der Exporte aus der Europäischen Union in die USA um 20 Prozent, begleitet von einem Preisanstieg in den Vereinigten Staaten von über 6 Prozent. Für die USA selbst wird ein Rückgang des Wirtschaftswachstums um 1,5 Prozentpunkte erwartet. Austan Goolsbee, Präsident der Federal Reserve Bank of Chicago, warnte eindringlich vor einer gefährlichen Mischung aus höheren Preisen und gedrosseltem Wachstum, die Lieferketten massiv bedrohen könnte. Die Unsicherheit, so Goolsbee, lähme bereits jetzt Investitionsentscheidungen von Unternehmen, die sich in einer Art „Bleistifte fallen lassen“-Moment befänden.

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Besonders hart träfe es exportorientierte europäische Nationen. Irland, das Land mit dem relativ größten Handelsvolumen mit den USA, müsste mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von geschätzt 4 Prozent rechnen. Aber auch Schwergewichte wie Deutschland (minus 1,5 Prozent), Italien (minus 1,2 Prozent) und Frankreich (minus 0,75 Prozent) blieben nicht verschont. Die europäischen Aktienmärkte reagierten bereits nervös, insbesondere die Automobilhersteller wie Stellantis, Mercedes-Benz, Volkswagen und Porsche mussten Kursverluste hinnehmen.

Für Apple, eines der wertvollsten Unternehmen der Welt, kämen die angedrohten 25 Prozent Zölle auf iPhones einer finanziellen Zerreißprobe gleich. Analysten gehen davon aus, dass die Kosten an die Konsumenten weitergegeben würden, was iPhone-Preise empfindlich in die Höhe treiben könnte – Schätzungen reichen von zusätzlichen 300 Dollar bis hin zu einer Verdoppelung des Preises auf über 2.000 Dollar, sollte eine Produktion in den USA erzwungen werden. Die Aktie des Unternehmens zeigte bereits eine signifikante negative Reaktion auf die Ankündigungen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Zölle nicht nur abstrakte politische Instrumente sind, sondern direkte Auswirkungen auf Unternehmen, Arbeitsplätze und die Kaufkraft der Bürger hätten – ein gefährlicher Cocktail für die ohnehin fragile Weltwirtschaft.

Das ‚Made in America‘-iPhone: Zwischen politischem Wunschdenken und harter Realität

Die Forderung Trumps, Apple solle seine iPhones gefälligst in den USA produzieren, ist ein zentraler Pfeiler seiner „America First“-Handelspolitik. Doch ein genauerer Blick auf die Realitäten der globalen Hightech-Fertigung entlarvt diese Forderung als ökonomisch und logistisch kaum umsetzbares Unterfangen, zumindest kurz- und mittelfristig. Analysten wie Wayne Lam von TechInsights bezeichnen die Idee als „absurd“ und kurzfristig „nicht wirtschaftlich darstellbar“. Die Kosten für ein in den USA gefertigtes iPhone könnten sich mehr als verdoppeln. Dan Ives von Wedbush Securities hält das Konzept für einen „Nonstarter“ und schätzt, dass der Preis eines solchen Geräts von derzeit rund 1.000 Dollar auf über 3.000 Dollar explodieren könnte, eine Verlagerung frühestens 2028 denkbar wäre.

Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Apple hat über Jahrzehnte eine hochkomplexe, effiziente Lieferkette in Asien, primär in China, aufgebaut. Diese umfasst riesige Fabrikanlagen, ein dichtes Netzwerk spezialisierter Zulieferer und Millionen von Arbeitskräften, darunter hochqualifizierte Ingenieure. Die logistische Infrastruktur, die oft über Jahre gewachsen ist und auf der engen räumlichen Nähe von Zulieferern und Montagewerken basiert, ließe sich nicht ohne Weiteres in den USA replizieren. Tim Cook selbst wies bereits 2017 darauf hin, dass es in den USA schlicht nicht genügend Werkzeugingenieure gäbe, um den Bedarf zu decken – in China könne man damit multiple Fußballfelder füllen. Hinzu kommen spezifische Herausforderungen wie die Verfügbarkeit einer großen Zahl saisonaler Arbeitskräfte, die für Produktionsspitzen benötigt werden und in China oft in werkseigenen Wohnheimen leben. Selbst scheinbar triviale Aspekte wie die von Supply-Chain-Experten erwähnte Fingerfertigkeit junger chinesischer Arbeiterinnen bei der Montage kleinster Bauteile stellen eine Hürde dar. Apples eigene Versuche, Mac-Desktop-Computer 2013 in den USA zu montieren, waren von Problemen begleitet, etwa bei der Beschaffung winziger Spezialschrauben in ausreichender Menge und bei der Koordination von Arbeitsschichten.

Apple hat zwar begonnen, seine Produktion zu diversifizieren und verstärkt auf Länder wie Indien und Vietnam zu setzen. Bis Ende des Jahres sollen Schätzungen zufolge 25 Prozent oder mehr der iPhones aus Indien kommen. Diese Schritte sind jedoch eher eine Reaktion auf steigende Kosten und Handelsspannungen mit China sowie auf lokale Marktanforderungen in Indien (z.B. Vermeidung von Importzöllen) und bedeuten keineswegs eine vollständige Abkehr von der Abhängigkeit chinesischer Zulieferer für komplexe Komponenten wie Displays oder Face-ID-Module. Diese werden oft als vormontierte Baugruppen nach Indien geliefert und dort endmontiert – ein Prozess, der zwar das Label „Assembled in India“ ermöglicht, die kritische Wertschöpfung aber weiterhin in China belässt. Angesichts der Tatsache, dass das iPhone bald 20 Jahre alt ist und Apple selbst über Nachfolgetechnologien auf Basis von KI nachdenkt, erscheint eine milliardenschwere Investition in den Aufbau einer komplett neuen US-Fertigung für ein potenzielles Auslaufmodell umso fragwürdiger.

Trumps erratischer Kurs: Verhandlungstaktik, falsche Narrative und die Erosion der Glaubwürdigkeit

Die abrupte Ankündigung neuer Zölle und die scharfe Rhetorik werfen erneut die Frage auf, ob hinter Trumps Vorgehen eine kohärente Strategie oder vielmehr erratisches Agieren steckt. Viele Analysten deuten die Drohungen als primär taktisches Manöver, um Druck auf die Handelspartner auszuüben und sie zu Zugeständnissen zu bewegen. Finanzminister Scott Bessent äußerte die Hoffnung, die Drohungen würden „ein Feuer unter der EU entfachen“. Trumps Handelsminister Howard Lutnick pries dessen Verhandlungsgeschick und betonte, die Welt funktioniere so, wie Trump es sich vorstelle. Der Präsident selbst gab an, er spiele das Spiel nun so, wie er es zu spielen wisse.

Dieses „Spiel“ ist jedoch von einer hohen Volatilität und Unberechenbarkeit geprägt. Ankündigungen von Zöllen folgten in der Vergangenheit oft Kehrtwenden oder Aussetzungen, um Verhandlungen zu ermöglichen – wie im Fall Chinas, wo exorbitante Zolldrohungen letztlich in einer 90-tägigen Aussetzung und neuen Gesprächen mündeten. Dieses Muster könnte die Entschlossenheit der EU stärken, nicht vorschnell einzuknicken, so die Einschätzung von Maurice Obstfeld vom Peterson Institute. Die Botschaft an Europa sei: Wer hart zurückschlägt, macht die Märkte nervös und zwingt den Präsidenten zum Einlenken.

Zur Verwirrung trägt bei, dass Trumps Administration oft keine klaren Forderungen formuliert, was Verhandlungen zusätzlich erschwert. Europäische Offizielle beklagen, oft im Unklaren darüber zu sein, was genau die amerikanische Seite wolle oder wer – außer dem Präsidenten selbst – die eigentliche Entscheidungsmacht besitze. Wendy Cutler, eine ehemalige US-Handelsunterhändlerin, vermutet, dass die Drohungen an Gewicht verlieren und sich die Situation mit der EU eher verschlechtern werde, bevor eine Lösung gefunden sei. Neil Shearing von Capital Economics sieht in der Unberechenbarkeit und den steigenden US-Haushaltsdefiziten Anzeichen dafür, dass die „Leitplanken“ der US-Politik wegbrächen und deren Glaubwürdigkeit leide.

Verstärkt wird dieser Eindruck durch Trumps Nutzung von Narrativen, die einer Überprüfung oft nicht standhalten. Seine Behauptung, die EU sei primär gegründet worden, um die USA im Handel auszunutzen, ignoriert die historischen Fakten der europäischen Integration als Friedensprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch seine Zahlen zum Handelsdefizit mit der EU – er sprach von über 250.000.000 Dollar jährlich (gemeint waren wohl Milliarden) – sind laut Census Bureau um fast 15 Milliarden Dollar überzeichnet und lassen den beträchtlichen US-Überschuss im Dienstleistungshandel mit Europa von über 70 Milliarden Dollar außer Acht. Ebenso zweifelhaft ist seine Darstellung, er habe ein „Verständnis“ mit Tim Cook gehabt, dass Apple keine Produktionsstätten in Indien errichten würde – eine Behauptung, die im Widerspruch zu Apples offengelegter Diversifizierungsstrategie steht. Solche Ungenauigkeiten und Verdrehungen untergraben das Vertrauen und erschweren eine sachliche Auseinandersetzung.

Europas schwieriger Spagat: Zwischen angedrohter Vergeltung und internen Abstimmungsprozessen

Die Europäische Union sieht sich durch Trumps erneute Zolldrohungen in einer Zwickmühle. Einerseits will man eine weitere Eskalation des Handelskonflikts mit den USA, dem größten Exportmarkt, vermeiden. Andererseits kann und will Brüssel die Drohungen nicht unbeantwortet lassen. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic betonte nach einem Telefonat mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer zwar die volle Bereitschaft der EU, eine für beide Seiten funktionierende Vereinbarung zu erzielen, fügte jedoch hinzu, dass der Handel von gegenseitigem Respekt und nicht von Drohungen geleitet sein müsse und die EU bereit sei, ihre Interessen zu verteidigen.

Die EU hat bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass sie zu Gegenmaßnahmen fähig ist. Als Reaktion auf frühere US-Zölle wurden Listen mit amerikanischen Produkten erstellt, die ebenfalls mit Zöllen belegt werden könnten – darunter Maschinen, Kleidung, Sojabohnen und potenziell Bourbon. Auch im aktuellen Szenario bereitet Brüssel Vergeltungsmaßnahmen vor und hat bereits früher mit Zöllen auf US-Flugzeuge und Autoteile im Wert von über 100 Milliarden Dollar gedroht. Man ist sich der gegenseitigen Verletzlichkeit bewusst: Rund ein Fünftel der EU-Exporte gehen in die USA, und ein ähnlicher Anteil der amerikanischen Exporte ist für die EU bestimmt. Insbesondere der amerikanische Dienstleistungssektor, der einen Großteil der US-Wirtschaft ausmacht und stark von europäischen Konsumenten genutzt wird (Technologie, Finanzen, Reisen), gilt als verwundbar für europäische Gegenschläge.

Die Verhandlungsposition der EU wird jedoch durch interne Faktoren erschwert. Entscheidungen in der EU erfordern oft langwierige Abstimmungsprozesse zwischen den 27 Mitgliedsstaaten, die jeweils eigene Interessen verfolgen. Finanzminister Bessent sprach von einem „kollektiven Handlungsproblem“ und deutete an, dass die Mitgliedsländer teilweise nicht einmal wüssten, was die EU-Kommission in Brüssel in ihrem Namen verhandle. Jeder einzelne Mitgliedsstaat kann einen Deal verlangsamen oder blockieren, was schnelle Reaktionen und Zugeständnisse erschwert – ein starker Kontrast zu Trumps oft geforderten schnellen Ergebnissen und kurzen Fristen. Trotzdem hat die EU bereits Angebote unterbreitet, etwa die Reduzierung von Industriezöllen auf null, sofern die USA dies ebenfalls tun, sowie eine Erhöhung der Importe von US-Energie. Die Verhandlungen gestalteten sich jedoch schleppend, da die Forderungen der Trump-Administration oft als unklar und einseitig empfunden wurden.

Rechtliche Fallstricke und das Damoklesschwert der Unsicherheit über Investitionen

Die spezifische Androhung von Zöllen nicht nur auf eine Produktkategorie, sondern gezielt auf iPhones und möglicherweise sogar nur auf die eines einzelnen Herstellers wie Apple, wirft neben ökonomischen auch rechtliche und praktische Fragen auf. Simon Lester, Präsident von WorldTradeLaw.net, wies darauf hin, dass Zölle üblicherweise auf breite Produktkategorien angewendet werden. Ein derart hyper-spezifischer Zoll sei daher sowohl praktisch als auch juristisch eine Herausforderung, und es sei unklar, welche gesetzliche Grundlage hierfür herangezogen werden könnte. Dies könnte die Implementierung erschweren und die Drohung zumindest in dieser zugespitzten Form als weniger glaubwürdig erscheinen lassen, auch wenn Trump später andeutete, die Smartphone-Zölle könnten auch Samsung und andere Hersteller treffen.

Unabhängig von der letztendlichen Umsetzung einzelner Maßnahmen hat die von Trumps Handelspolitik ausgehende Unsicherheit bereits jetzt spürbare Auswirkungen. Die ständigen „Zick-Zack-Kurse“ zwischen Drohungen, Verhandlungen und plötzlichen Kehrtwenden erschweren Unternehmen jegliche Planungssicherheit. Wie Mary E. Lovely, Wirtschaftsprofessorin an der Syracuse University, anmerkte, erhöhten Unternehmen bereits ihre Risikobewertungen für Investitionen in den USA. Dies konterkariere Trumps Ziel, mehr Investitionen und Produktion ins Land zu holen, denn wer wolle schon in einem Umfeld produzieren, in dem jederzeit mit hohen Steuern auf Produktionsmittel oder mit Vergeltungsmaßnahmen auf Exportmärkten gerechnet werden müsse. Die von Austan Goolsbee zitierte Aussage eines Bauunternehmers, man befinde sich in einem „put your pencils down“-Moment, unterstreicht diese Investitionszurückhaltung eindrücklich. Die Volatilität an den Finanzmärkten ist ein weiteres Symptom dieser tiefgreifenden Verunsicherung.

Fazit: Ein Spiel mit dem Feuer mit ungewissem Ausgang

Die erneuten Zolldrohungen von Präsident Trump gegen die Europäische Union und Apple sind mehr als nur eine Fußnote in den turbulenten Annalen der Handelspolitik. Sie stellen eine bewusste Eskalation dar, die auf einem gefährlichen Mix aus innenpolitischem Kalkül, fragwürdigen ökonomischen Prämissen und einer Verhandlungstaktik beruht, die auf maximale Disruption setzt. Die Analysen zeigen deutlich, dass die potenziellen wirtschaftlichen Schäden immens wären – für die USA, für Europa und für die Weltwirtschaft. Die Forderung nach einer Verlagerung komplexer Hightech-Produktionen wie der des iPhones in die USA erweist sich bei näherer Betrachtung als unrealistisch und ignoriert die über Jahrzehnte gewachsenen globalen Wertschöpfungsketten sowie die technologische Dynamik.

Während die EU versucht, zwischen notwendiger Gegenwehr und dem Wunsch nach Deeskalation einen gangbaren Weg zu finden, untergräbt die Unberechenbarkeit der US-Politik nachhaltig das Vertrauen und die Planungssicherheit für Unternehmen weltweit. Das Spiel mit Zöllen mag kurzfristig für Schlagzeilen sorgen und eine entschlossene Anhängerschaft beeindrucken. Langfristig jedoch droht es, etablierte Handelsbeziehungen zu zerstören, die wirtschaftliche Erholung zu gefährden und die Glaubwürdigkeit der USA als verlässlicher Partner in der Welt weiter zu erodieren. Ob taktisches Geplänkel oder fehlgeleitete Überzeugung – die Zeche für dieses hochriskante Spiel zahlen am Ende Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks.

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