
In Washington, der Haupt-Stadt der USA, gibt es eine seltsame Idee. Sie sieht aus wie eine bunte Fernseh-Sendung. Die Idee ist: Einwanderinnen und Einwanderer sollen in einer Art Wettbewerb um die US-Staats-Bürgerschaft kämpfen. Eine Staats-Bürgerschaft bedeutet, dass man alle Rechte und Pflichten eines Landes hat. Die Show soll „The American“ heißen, also „Der Amerikaner“ oder „Die Amerikanerin“. Das ist ein trauriger Witz, wenn man bedenkt, was diese Show vielleicht über Amerika und den Umgang mit Einwanderung zeigen würde. Der Vorschlag macht nicht nur große moralische Sorgen. Er zeigt auch deutlich, wie Politik, Werbung für bestimmte Ideen und Fernseh-Unterhaltung vermischt werden.
Die Idee für die Show: Ein Wettbewerb quer durch Amerika
Der Plan für die Show kommt hauptsächlich von Rob Worsoff. Er ist ein Fernseh-Macher, der Erfahrung mit solchen Shows hat, zum Beispiel „Duck Dynasty“ oder „Millionaire Matchmaker“. Die Show soll eine Reise durch Amerika sein. Zwölf ausgesuchte Einwanderinnen und Einwanderer, die schon dabei sind, auf normalem Weg Bürgerinnen oder Bürger der USA zu werden, sollen mit einem Zug durch das Land reisen. Der Zug soll auch „The American“ heißen. An verschiedenen Orten sollen sie Aufgaben lösen, die typisch für die Gegend sind und mit Herkunft zu tun haben. Das nennt man „Heritage Challenges“. Zum Beispiel sollen sie Holz-Stämme in Wisconsin rollen, Gold in San Francisco suchen, Pizzen in New York backen oder sogar Raketen für die NASA zusammenbauen. Am Ende jeder Folge sollen Zuschauerinnen und Zuschauer abstimmen, und eine Person fliegt raus. In der letzten Sendung, dem Finale, soll der Gewinner oder die Gewinnerin feierlich zur US-Bürgerin oder zum US-Bürger ernannt werden. Das soll am Gebäude des US-Parlaments (US-Kapitol) passieren.

USA Politik Leicht Gemacht: Politik in den USA – einfach erklärt.
Rob Worsoff kommt selbst aus Kanada und ist in die USA eingewandert. Er sagt, seine Idee ist wie ein „positiver Liebes-Brief an Amerika“. Er will damit den Prozess feiern, wie man Bürgerin oder Bürger wird. Er möchte eine Diskussion im ganzen Land darüber anstoßen, was es bedeutet, Amerikanerin oder Amerikaner zu sein. Und das alles aus der Sicht der Leute, „die es am meisten wollen“. Herr Worsoff sagt, es sei wie die Fernseh-Show „The Biggest Loser“, nur für Einwanderung. „The Biggest Loser“ ist eine bekannte Show, in der Menschen versuchen, viel abzunehmen. Es stehe viel auf dem Spiel, aber niemand würde wirklich verlieren. Denn alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien sowieso gut geeignet, um Bürgerinnen oder Bürger zu werden. Wer rausfliegt, muss auch nicht das Land verlassen. Vielmehr würden ihre Geschichten menschlich erzählt, und die Menschen bekämen ein Gesicht.
Große Sorgen: Ist das fair und richtig?
Aber die schöne Fassade der Amerika-Liebe bekommt schnell Risse, wenn man sich die moralischen Folgen dieser Show anschaut. Die Vorstellung, dass ein so wichtiges Recht und ein so persönlicher Vorgang wie das Bürger-Werden zu einem Spiel für Zuschauer-Zahlen wird, hat bei Politikerinnen und Politikern von allen Parteien für Entsetzen gesorgt. Leute, die ihre Meinung sagen und kritisieren, vergleichen die Show mit schlimmen Zukunfts-Shows wie „The Hunger Games“ oder „The Running Man“. In „The Hunger Games“ kämpfen junge Leute brutal ums Überleben. Die Sorge ist groß: Die Achtung vor den Menschen, die mitmachen, und die Ernsthaftigkeit des Bürger-Werdens könnten für gute Zuschauer-Zahlen geopfert werden. Macht man sich nicht über die Hoffnungen und Ängste von Menschen lustig, wenn man sie in Wettbewerben mit übertriebenen Bildern von Kulturen gegeneinander antreten lässt? Wird die Bedeutung der Staats-Bürgerschaft nicht verdreht und schlecht gemacht, wenn sie zum Haupt-Gewinn in einer Art Lotto wird, bei dem Fernseh-Macher und Geld-Geber die Regeln bestimmen?
Die Befürchtung ist da, dass hier Menschen bloßgestellt und ihre persönlichen Probleme für Geld benutzt werden könnten. Man sagt dazu auch „auf Schwächere einschlagen“. Auch wenn Herr Worsoff betont, dass niemand abgeschoben wird, bleibt die Frage: Wie freiwillig wäre die Teilnahme an so einer Show wirklich, wenn man dafür vielleicht schneller Bürgerin oder Bürger werden kann? Der Weg zur Staats-Bürgerschaft dauert oft viele Jahre und ist sehr schwer. Der Fernseh-Macher sieht in der Show außerdem „riesige Möglichkeiten für Werbung von Firmen“. Das wirft die Frage auf: Wem nützt das am Ende wirklich? Und kann eine Diskussion im ganzen Land wirklich echt sein, wenn es dabei so sehr ums Geld geht?
Was sagt das Ministerium? Unklare Antworten vom DHS
Besonders heikel wird die Sache durch die Rolle des Ministeriums für Heimat-Sicherheit der USA (kurz: DHS). Die Chefin des DHS ist Kristi Noem. Sie wird in den Medien manchmal „ICE Barbie“ genannt. ICE ist die Einwanderungs-Polizei. Der Spitzname ist eine Anspielung darauf, dass sie sich gerne in den Medien zeigt. Was das Ministerium zu der Show „The American“ sagt, war zuerst sehr unklar und widersprüchlich. Eine Sprecherin des DHS, Tricia McLaughlin, hat zuerst gegenüber der Zeitung „USA Today“ stark widersprochen. Sie sagte, Frau Noem würde den Plan nicht gut finden oder gar nicht davon wissen. Den Artikel der Zeitung „Daily Mail“ darüber nannte sie eine „Beleidigung für Journalisten“.
Aber nur wenig später klang das schon anders. Gegenüber mehreren anderen Medien bestätigte Frau McLaughlin: Der Vorschlag wird „gerade erst geprüft“. Es habe auch ein Treffen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ministerium mit dem Fernseh-Macher gegeben. Die „Daily Mail“ bleibt dabei: Frau Noem findet den Plan gut und will ihn umsetzen. Die Zeitung zitiert Frau McLaughlin sogar mit den Worten: „Ich halte das für eine gute Idee.“ Herr Worsoff selbst sprach mit dem Fernseh-Sender CNN von drei guten Gesprächen mit dem DHS. Die Ministerin sei aber nicht selbst dabei gewesen. Frau McLaughlin vom DHS sagte: Das Ministerium bekommt jedes Jahr Hunderte solcher Ideen für Fernseh-Shows. Es sei offen für ungewöhnliche Vorschläge, die feiern, „was es bedeutet, Amerikaner zu sein“. Solche Vorschläge könnten auch das Gefühl für die Pflichten als Bürgerin oder Bürger wieder stärken.
Diese widersprüchlichen Aussagen, die sich auch noch ändern, lassen vermuten: Entweder herrscht im Ministerium Durcheinander. Oder man spielt absichtlich damit, was die Leute denken. Es passt zu der Art, wie das DHS unter Frau Noem und unter der strengen Einwanderungs-Politik der Trump-Regierung schon öfter gearbeitet hat. Sie haben Methoden benutzt, die viel Aufmerksamkeit bekommen und manchmal wie Fernseh-Shows wirken, um ihre politischen Ziele zu verbreiten. Die Idee für so eine Show könnte ein weiterer Versuch sein, zu bestimmen, wie über Einwanderung geredet wird. Man will die oft schlimmen Dinge nicht zeigen und so tun, als ob alles gut und lustig ist. Das DHS hat schon 2017 Filmemachern erlaubt, bei Einsätzen der Einwanderungs-Polizei für die Dokumentar-Serie „Immigration Nation“ dabei zu sein. Das zeigt: Das Ministerium arbeitet oft mit Leuten von Fernsehen und Zeitungen zusammen. Aber es gibt die Gefahr, dass es dabei für politische Shows benutzt wird.
Mehr als nur eine verrückte Idee: Ein Zeichen der Zeit
Der Vorschlag für die Show „The American“ ist mehr als nur eine verrückte Idee von einem Fernseh-Macher. Er ist ein Zeichen dafür, dass man in unserer Zeit ernste Politik und einfache Unterhaltung nicht mehr gut trennen kann. Er wirft sehr wichtige Fragen auf: über den Wert von Staats-Bürgerschaft, über die Achtung vor Einwanderinnen und Einwanderern und über die Verantwortung von Medien und Politikerinnen und Politikern. Ob diese Show jemals gemacht wird, ist unklar. Aber dass im wichtigsten Sicherheits-Ministerium der USA ernsthaft darüber nachgedacht wird, ist schon ein sehr bedenkliches Zeichen. Es zeigt, wie weit sich die Art zu reden von einem menschlichen und respektvollen Umgang mit einem der ältesten Themen der Menschheit entfernt hat: der Suche nach einer neuen Heimat.
Info aus ‚Politik Leicht Gemacht‘: Dieser Beitrag ist in Einfacher Sprache verfasst. Das bedeutet: Kürzere Sätze und einfache Wörter helfen beim Verstehen. Den ausführlichen Original-Artikel in Standard-Sprache finden Sie hier: https://letterkasten.de/staatsbuergerschaft-als-casting-show-wenn-der-amerikanische-traum-zur-reality-tv-farce-verkommt/