
Ein vermeintlich semantischer Streit droht, die ohnehin angespannte Lage im Nahen Osten weiter zu eskalieren. Die von US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebrachte Umbenennung des Persischen Golfs in „Arabischer Golf“ ist weit mehr als eine diplomatische Lappalie – sie ist ein geopolitischer Brandbeschleuniger mit tiefen historischen Wurzeln und potenziell verheerenden Konsequenzen. Dieser Vorstoß, der von einigen arabischen Golfstaaten begrüßt wird, löst im Iran, dessen Identität untrennbar mit diesem Gewässer verbunden ist, eine Welle der Empörung aus und könnte die fragilen Atomverhandlungen mit den USA torpedieren.
Der Plan, den Namen des seit der Antike als Persischer Golf bekannten Meeresarms zu ändern, wurde im Vorfeld einer Nahostreise Trumps bekannt und sorgte umgehend für scharfe Reaktionen. Während der US-Präsident selbst zunächst versuchte, die Wogen zu glätten, indem er erklärte, niemandes Gefühle verletzen zu wollen und eine endgültige Entscheidung erst nach Gesprächen vor Ort treffen zu wollen, ist der Schaden bereits angerichtet. Die bloße Erwägung einer solchen Namensänderung legt die tiefen Verwerfungslinien in der Region offen und demonstriert eine bemerkenswerte Ignoranz gegenüber historischen und kulturellen Befindlichkeiten, die für politische Stabilität unerlässlich sind.
Der Persische Golf: Mehr als nur ein Name – ein nationales Erbe
Für den Iran ist die Bezeichnung „Persischer Golf“ kein willkürliches Etikett, sondern ein integraler Bestandteil seiner jahrtausendealten Geschichte und nationalen Identität. Seit mindestens 550 v. Chr., als das persische Reich unter Kyros dem Großen eine immense Ausdehnung erreichte, ist dieser Name historisch belegt und auf unzähligen Karten und in Dokumenten verewigt. Die gesamte Südküste des modernen Iran erstreckt sich entlang dieses Golfs, der zusammen mit dem Kaspischen Meer im Norden tief im kollektiven Bewusstsein der Iraner als Symbol der Nation verankert ist – das „Wasser und Erde“ („ab o khakh“), das die Essenz des Landes ausmacht.

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Die Regierungen Irans, bereits vor der Revolution unter dem Schah, haben stets unnachgiebig an dieser Bezeichnung festgehalten. Die Idee einer Umbenennung wird daher nicht nur als politischer Affront, sondern als Angriff auf das kulturelle Erbe und die nationale Seele empfunden. Bemerkenswert ist, wie Trumps Vorstoß das scheinbar Unmögliche geschafft hat: die Einigung von Iranern über alle politischen, ideologischen und religiösen Gräben hinweg. Von Regierungsvertretern über Oppositionelle im Exil bis hin zu Kulturschaffenden und einfachen Bürgern reicht die einhellige Verurteilung. Selbst Reza Pahlavi, Sohn des gestürzten Schahs und eigentlich ein Unterstützer Trumps in dessen harter Linie gegenüber Teheran, bezeichnete die mögliche Namensänderung als „Beleidigung des iranischen Volkes und unserer großen Zivilisation“. Diese geschlossene Front zeigt, dass hier ein Nerv getroffen wurde, der weit über tagespolitische Differenzen hinausgeht.
Arabische Ambitionen und das Spiel mit der Geschichte
Auf der anderen Seite des Golfs sehen einige arabische Staaten in der Umbenennung eine willkommene Geste. Seit den 1950er Jahren, im Zuge der panarabischen Bewegung, gibt es Bestrebungen, den Namen in „Arabischer Golf“ zu ändern. Das Hauptargument lautet, dass die Mehrheit der Anrainerstaaten des Golfs arabisch sei. Zudem wird die Bezeichnung „persisch“ von einigen als Relikt einer Kolonialgeschichte empfunden, obwohl der Name historisch weit älter ist als jede moderne Kolonialmacht. Für diese Staaten wäre eine offizielle Anerkennung des Begriffs „Arabischer Golf“ durch die USA ein diplomatischer Sieg und eine symbolische Aufwertung gegenüber dem regionalen Rivalen Iran. Es ist ein offenes Geheimnis, dass diese Länder seit Jahren Lobbyarbeit für eine solche Änderung betreiben. Die Initiative des US-Präsidenten scheint somit auch als ein Geschenk an wichtige arabische Verbündete wie Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate gedacht zu sein, deren finanzielle Investitionen und politische Unterstützung Washington sucht.
Gefährliche Wellen: Auswirkungen auf Atomgespräche und regionale Stabilität
Die Timing dieser Kontroverse könnte kaum heikler sein. Aktuell laufen, vermittelt durch Oman, sensible Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran über dessen fortschreitendes Atomprogramm. Die USA wollen verhindern, dass der Iran zur Atommacht wird, während Teheran eine Aufhebung der lähmenden Wirtschaftssanktionen anstrebt. Experten und ehemalige Diplomaten warnen eindringlich, dass eine Umbenennung des Golfs durch die USA diesen fragilen Dialog massiv gefährden würde. Seyed Hossein Mousavian, ein ehemaliger iranischer Nuklearunterhändler, sieht darin einen schweren Schlag für die Verhandlungen, der Misstrauen schüren und die Hardliner im Iran stärken würde, die ohnehin jeglichem Entgegenkommen gegenüber den USA skeptisch gegenüberstehen. Abbas Araghtschi, der aktuelle iranische Außenminister und Verhandlungsführer, sprach von „feindseligen Absichten“ und warnte vor dem „Zorn aller Iraner“. Die Namensdebatte droht somit, von einer symbolischen Ebene auf die knallharte Realität der Sicherheitspolitik durchzuschlagen und die Bemühungen um eine diplomatische Lösung im Atomstreit zunichtezumachen.
Präsidiale Willkür versus internationales Recht und historische Fakten
Die Frage, inwieweit ein US-Präsident befugt ist, international etablierte geografische Namen zu ändern, ist komplex. Donald Trump kann zwar anordnen, wie geografische Bezeichnungen innerhalb der USA offiziell verwendet werden – das US Board on Geographic Names legt derzeit die Verwendung von „Persian Gulf“ für offizielle US-Zwecke fest. Ein Präzedenzfall wurde bereits geschaffen, als Trump den Golf von Mexiko für US-Behörden in „Golf von Amerika“ umbenannte, was zu diplomatischen Verwicklungen mit Mexiko und sogar zu einer Klage der mexikanischen Regierung gegen Google führte, nachdem der Tech-Konzern der Anordnung Trumps gefolgt war. International sind solche unilateralen Akte jedoch nicht bindend. Die International Hydrographic Organization arbeitet zwar an der Standardisierung maritimer Grenzen, doch es gibt laut einem Bericht der New York Times „kein formales internationales Abkommen oder Protokoll für die Benennung von Meeresgebieten“.
Die Vereinten Nationen verwenden offiziell den Begriff „Persischer Golf“. Ein Papier einer UN-Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2006 bestätigte die historische Einstimmigkeit für diesen Begriff, der bereits vom persischen König Darius im 5. Jahrhundert v. Chr. geprägt worden sein soll. Auch historische Karten, wie eine französische Karte von 1763 von Jacques-Nicolas Bellin, belegen die langjährige Verwendung des Namens „Golphe Persique“. Selbst Google Maps zeigt in den USA die Bezeichnung „Persian Gulf (Arabian Gulf)“, während Apple Maps nur „Persian Gulf“ verwendet. Das US-Militär hingegen nutzt in seinen Verlautbarungen seit Jahren einseitig den Begriff „Arabian Gulf“. Dies verdeutlicht die Inkonsistenz und die politische Aufladung des Themas selbst innerhalb der US-Administrationen. Die aktuelle Kontroverse, angefacht durch Medienberichte und schnell in sozialen Netzwerken verbreitet, hat die Debatte erneut global entfacht und zeigt, wie schnell symbolische Akte zu realpolitischen Krisenherden werden können.
Letztlich ist Trumps Vorstoß, den Persischen Golf umzubenennen, mehr als nur eine Namensänderung. Es ist ein Spiel mit dem Feuer in einer ohnehin schon überhitzten Region. Es ignoriert tief verwurzelte historische und kulturelle Identitäten, riskiert die Zerstörung mühsam aufgebauter diplomatischer Kanäle und dient kurzfristigen politischen Interessen einiger weniger Akteure. Anstatt Stabilität zu fördern, sät dieser Plan Zwietracht und könnte genau das Gegenteil dessen bewirken, was er vordergründig bezweckt: eine Befriedung der Region. Es bleibt zu hoffen, dass Vernunft und ein Sinn für historische Verantwortung die Oberhand gewinnen, bevor aus einem Streit um Worte ein handfester Konflikt erwächst.