
Elon Musk, der schillernde Tech-Milliardär und selbsternannte Effizienz-Guru, ist nicht nur zurück in Washington – er scheint dabei, Teile der Regierungsmaschinerie nach seinen Vorstellungen und zugunsten seiner Firmen umzubauen. Seit seiner Ernennung zum unbezahlten Berater und Leiter des ominösen „Department of Government Efficiency“ (DOGE) unter Präsident Trump verdichten sich die Anzeichen, dass die Grenzen zwischen staatlichem Handeln und den Geschäftsinteressen von SpaceX und dessen Satelliteninternetdienst Starlink zunehmend verschwimmen. Milliardenaufträge winken, Förderrichtlinien werden umgeschrieben, und Musks Technologie hält Einzug in die Schaltzentralen der Macht – eine Entwicklung, die alarmierende Fragen zu Interessenkonflikten, Ethik und der Zukunft wichtiger Infrastrukturprojekte aufwirft.
Milliardenaufträge und Günstlingswirtschaft: Starlink auf dem Vormarsch
Die Präsenz von Musks Imperium im Regierungsapparat manifestiert sich immer deutlicher. Jüngstes Beispiel: Die Installation von Starlink-Systemen im Weißen Haus und bei der Federal Aviation Administration (FAA). Offiziell begründet wird dies mit der Notwendigkeit, überlastete WLAN-Netze und mangelhaften Mobilfunkempfang zu verbessern. Doch die Art der Implementierung – nicht etwa durch sichtbare Satellitenschüsseln auf dem Gelände, sondern über eine Meilen entfernte Datenzentrale via Glasfaserkabel – wirkt zumindest ungewöhnlich und nährt den Verdacht, dass es hier weniger um eine dringende technische Notlösung als vielmehr um die strategische Platzierung von Musks Technologie im Herzen der Macht geht. Dass die Dienste als „Spende“ deklariert und von Ethik-Anwälten im Weißen Haus abgenickt wurden, kann Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit solcher Prüfungen kaum zerstreuen, zumal ehemalige Regierungsbeamte die Rechtmäßigkeit solcher Technologie-„Geschenke“ anzweifeln. Ein bizarrer Zwischenfall, bei dem ein SpaceX-Sicherheitsingenieur, der auch für Musks DOGE tätig ist, bei der Erkundung von Installationsmöglichkeiten auf dem Dach eines Regierungsgebäudes einen Sicherheitsalarm auslöste, unterstreicht die hemdsärmelige Vorgehensweise, mit der Musks Leute offenbar im Regierungsapparat agieren.

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Parallel dazu bahnen sich potenziell weitreichendere Geschäfte an. Bei der FAA steht die mögliche Kündigung eines 2,4 Milliarden Dollar schweren Vertrags mit Verizon zur Modernisierung des Kommunikationssystems der Flugsicherung im Raum – zugunsten von Starlink. Musk selbst befeuerte die Debatte mit öffentlichen Angriffen auf Verizon via X, indem er behauptete, das bestehende System sei defekt und gefährde Flugreisende. Argumentiert wird mit der Notwendigkeit einer schnellen Modernisierung veralteter FAA-Technologie, die durch den tragischen Hubschrauberabsturz im Januar neue Dringlichkeit erhielt. SpaceX-Mitarbeiter, teils mit offiziellen FAA-Mailadressen und sogar speziellen Ethik-Waivern ausgestattet, die ihnen erlauben, trotz Interessenkonflikten zu agieren, arbeiten bereits innerhalb der Behörde an Lösungen, die Starlink integrieren. Kritiker wie Ethikexperte John P. Pelissero sehen hier einen klaren Fall von Vorteilsnahme durch Musks Nähe zu Trump und seine Rolle im DOGE. Die Umgehung regulärer, wenn auch komplexer und potenziell kostspieliger Vergabeprozesse und der Versuch, Bedenken ranghoher FAA-Beamter durch Druck von oben zu überwinden, werfen ein Schlaglicht auf die Methoden, mit denen hier möglicherweise Fakten geschaffen werden sollen. SpaceX selbst bestreitet zwar die Absicht, den Verizon-Vertrag komplett übernehmen zu wollen, bestätigt aber Tests und eine Kooperation mit dem bisherigen Hauptauftragnehmer L3Harris, um Starlink als Teil der Lösung zu etablieren.
Amerikas digitale Zukunft: Milliarden für Satelliten statt Glasfaser?
Ein weiteres Milliardengeschäft winkt durch die Neuausrichtung des 42 Milliarden Dollar schweren BEAD-Breitbandförderprogramms. Unter Handelsminister Howard Lutnick, einem Trump-Vertrauten, wird die bisherige Priorisierung von Glasfaseranschlüssen zugunsten eines „technologieneutralen“ Ansatzes aufgegeben. Dies öffnet Starlink Tür und Tor, um einen erheblich größeren Anteil der Fördermittel zu erhalten – Schätzungen reichen von 10 bis 20 Milliarden Dollar, statt der ursprünglich erwarteten maximal 10 Prozent. Befürworter argumentieren, Satellitentechnik könne abgelegene Gebiete schneller und günstiger versorgen als der aufwendige Glasfaserausbau. Kritiker wie der ehemalige BEAD-Programmleiter Evan Feinman und Organisationen wie das Benton Institute warnen jedoch eindringlich: Glasfaser sei technologisch überlegen, biete höhere Geschwindigkeiten und sei langfristig kostengünstiger für Verbraucher. Die Abkehr von Glasfaser könnte ländliche Regionen dauerhaft mit einer langsameren und teureren Technologie „stranden“ lassen und lokale Wirtschaftseffekte des Infrastrukturbaus verhindern. Die Tatsache, dass Lutnick intern angewiesen haben soll, explizit mehr Mittel für Satelliten und namentlich für Musk bereitzustellen (was das Ministerium bestreitet), und dass eine ehemalige Mitarbeiterin von Senator Ted Cruz, der sich für Starlink starkmachte, nun die zuständige Behörde leiten soll, verstärkt den Eindruck einer gezielten Bevorzugung. Anbieter, die bereits auf Basis der alten Regeln geplant und investiert haben, fürchten nun kostspielige Verzögerungen und Planungsunsicherheit.
Das System Musk: Einflussnahme durch Netzwerke und Personalpolitik
Die Verquickung von Musks unternehmerischen Zielen mit seiner politischen Machtfülle geht weit über einzelne Aufträge hinaus und scheint systemische Ausmaße anzunehmen. Seine persönliche Beziehung zu Donald Trump, untermauert durch massive Wahlkampfspenden, und seine zentrale Rolle im DOGE, das mit brachialer Gewalt den Abbau von Personal und Behörden vorantreibt, verschaffen ihm einen beispiellosen Einfluss. Während das Weiße Haus beteuert, Musk sei über Ethikregeln belehrt worden und werde sich bei Interessenkonflikten enthalten, wachsen die Zweifel an der Wirksamkeit solcher Zusicherungen. Kritiker wie Danielle Brian vom Project on Government Oversight (POGO) beklagen, dass durch die Entmachtung von Kontrollinstanzen nicht mehr nachvollziehbar sei, ob SpaceX Aufträge fair gewinne oder ob hier Korruption und Machtmissbrauch Tür und Tor geöffnet seien.
Diese Konstellation unterscheidet sich fundamental vom üblichen Lobbyismus anderer großer Technologie- oder Rüstungskonzerne. Musk agiert nicht nur als externer Beeinflusser, sondern als Insider mit direktem Zugang zum Präsidenten und der Befugnis, Regierungspolitik aktiv mitzugestalten – während seine Unternehmen gleichzeitig massiv von ebenjener Politik profitieren. Die Platzierung von SpaceX-Kadern in Schlüsselpositionen bei NASA (Jared Isaacman als neuer Leiter, Michael Altenhofen als Berater) und FAA sowie die Ernennung Musk-freundlicher Personen an die Spitze von Regulierungsbehörden wie der FCC (Brendan Carr) und möglicherweise der zuständigen Commerce-Abteilung für BEAD (Arielle Roth) schafft ein Netzwerk, das die Durchsetzung seiner Interessen begünstigt. Selbst wenn Musk, wie er behauptet, nicht persönlich an Vertragsverhandlungen beteiligt ist, entsteht allein durch seine Position und die seiner Vertrauten der Anschein eines massiven Interessenkonflikts, den staatliche Vergaberichtlinien eigentlich verhindern sollen.
Strategische Abhängigkeit und globale Deals: Die Expansion des Musk-Imperiums
Die Auswirkungen sind bereits spürbar. Das Pentagon und die NASA sind zunehmend von SpaceX abhängig – für Raketenstarts, Astronauten- und Frachttransporte zur ISS, den Aufbau militärischer Satellitennetzwerke wie Starshield und potenziell sogar für zukünftige Mars-Missionen, die Musk vehement vorantreibt. Allein NASA hat SpaceX in den letzten zehn Jahren Aufträge im Wert von 13 Milliarden Dollar zugeschanzt. Diese Abhängigkeit birgt Risiken für die nationale Sicherheit und strategische Autonomie, zumal Konkurrenten wie Blue Origin, ULA oder Sierra Space zunehmend ins Hintertreffen geraten. Selbst bei Programmen, die explizit auf Anbieterdiversität ausgelegt sind, wie das neue Raketenstart-Vergabesystem des Pentagon oder das milliardenschwere Satellitenprogramm der Space Force zur Raketenverfolgung, droht eine faktische Monopolisierung durch SpaceX, begünstigt durch Musks Einfluss und die technologische Überlegenheit seiner Firma, wie selbst Kritiker einräumen. Todd Harrison vom American Enterprise Institute bringt es auf den Punkt: Selbst wenn SpaceX fair gewinnt, haftet jedem Erfolg aufgrund von Musks Rolle im Weißen Haus ein „Asterisk“ an.
Auch auf internationaler Bühne scheint Musks Einfluss zu wirken. Die jüngste Welle von Starlink-Zulassungen und -Deals in Ländern wie Indien, Pakistan, Vietnam, Bangladesch und Lesotho, die teils jahrelang auf sich warten ließen, fällt zeitlich auffällig mit Musks gestiegener Macht in Washington zusammen. Berichte über Treffen Musks mit hochrangigen Vertretern aus Indien und Bangladesch im Weißen Haus-Komplex, bei denen sowohl Handelsfragen als auch die Starlink-Zulassung Themen gewesen sein sollen, legen den Verdacht nahe, dass die Genehmigung für Starlink als Hebel benutzt wird, um sich politische Gunst oder Handelserleichterungen unter der protektionistischen Trump-Administration zu sichern. Auch wenn die Regierungen dies offiziell bestreiten oder pragmatische Gründe für die Deals anführen, ist die Wahrnehmung einer Verknüpfung entstanden, wie Reaktionen aus Südafrika zeigen, wo nun ebenfalls über eine Ausnahme für Starlink von lokalen Gesetzen debattiert wird, um ein Handelsabkommen nicht zu gefährden. Dass diese Strategie für die betroffenen Länder nach hinten losgehen kann, zeigte sich am Beispiel Bangladeschs, das trotz Kooperation bei Starlink und Baumwollimporten auf Trumps Liste für Strafzölle landete. Senator Mark Warner nannte Musks Vorgehen einen Bruch praktisch aller ethischen und legalen Standards.
Erosion der Standards: Ein Ausblick
Die langfristigen Folgen dieser Entwicklung sind gravierend. Die Bevorzugung von Satellitentechnologie wie Starlink gegenüber zukunftssicherer Glasfaserinfrastruktur könnte die digitale Kluft vertiefen und höhere Kosten für Endverbraucher bedeuten. Die wachsende Abhängigkeit von einem einzigen, mächtigen Akteur in kritischen Bereichen wie Raumfahrt und Militärkommunikation stellt ein strategisches Risiko dar. Vor allem aber untergräbt die offenkundige Vermischung von politischen Ämtern und privaten Geschäftsinteressen das Vertrauen in staatliche Institutionen und Entscheidungsprozesse. Die nonchalante Art, mit der ethische Bedenken und etablierte Regeln ignoriert oder umgangen werden, signalisiert eine Erosion rechtsstaatlicher Prinzipien und des Konzepts von „American exceptionalism“. Um solche Interessenkonflikte künftig wirksam zu verhindern, bedürfte es grundlegender struktureller Reformen und einer Stärkung unabhängiger Kontroll- und Ethik-Instanzen in der US-Regierung – ein Unterfangen, das unter der aktuellen Administration jedoch kaum realistisch erscheint. Der Griff von Elon Musk nach Washington könnte somit nicht nur seine Bilanzen aufbessern, sondern auch das Fundament amerikanischer Regierungsführung nachhaltig erschüttern.