Trumps Griff nach dem Geburtsrecht: Ein Angriff auf Amerikas Kern und Verfassung

Kaum im Amt, zündete Donald Trump eine juristische und politische Bombe: Mit einer Exekutivanordnung versuchte er, das seit über 150 Jahren in der US-Verfassung verankerte Geburtsrecht auszuhebeln. Kinder von undokumentierten Einwanderern und sogar von legalen, aber temporären Einwanderern wie Studenten oder Fachkräften sollten nicht mehr automatisch US-Bürger sein. Ein Schritt, der nicht nur massive rechtliche Fragen aufwirft, sondern am Fundament der amerikanischen Identität rüttelt und sofort eine Welle von Klagen und gerichtlichen Blockaden auslöste. Die Analyse der vorliegenden Fakten und Argumente zeichnet das Bild eines verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen und gesellschaftlich brandgefährlichen Manövers.

Verfassungsbruch per Dekret? Der Streit um den 14. Zusatz

Das juristische Schlachtfeld ist klar abgesteckt. Im Zentrum steht der 14. Verfassungszusatz von 1868, der festlegt: „Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind und deren Hoheitsgewalt unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten“. Gegner von Trumps Anordnung – darunter zahlreiche demokratische Generalstaatsanwälte, Bürgerrechtsorganisationen wie die ACLU und die Mehrheit der Rechtsgelehrten – argumentieren mit dem klaren Wortlaut des Zusatzes und dem über 125 Jahre alten Präzedenzfall United States v. Wong Kim Ark. Dieser bestätigte 1898 die Staatsbürgerschaft für den in San Francisco geborenen Sohn chinesischer Einwanderer. Richter über Parteigrenzen hinweg nannten Trumps Vorstoß „eklatant verfassungswidrig“ und betonten, eine Änderung dieses fundamentalen Rechts könne nur durch eine Verfassungsänderung erfolgen, nicht durch einen Präsidentenerlass. Mindestens vier Bundesrichter blockierten die Anordnung umgehend mit einstweiligen Verfügungen.

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Die Trump-Administration und ihre Verbündeten, darunter konservative Juristen wie John Eastman (bekannt durch seine Rolle bei den Versuchen, die Wahl 2020 zu kippen), versuchen, den 14. Zusatz neu zu interpretieren. Ihr Argumentationskern: Die Klausel „subject to the jurisdiction thereof“ (der Hoheitsgewalt unterstehend) schließe Kinder aus, deren Eltern keine volle „Treue“ (allegiance) gegenüber den USA schuldeten, da sie entweder illegal im Land seien oder nur temporär anwesend. Sie argumentieren, Wong Kim Ark sei nur auf Kinder von Eltern mit dauerhaftem Wohnsitz anwendbar. Diese einst als randständig geltende Auslegung, die auf einer umstrittenen Theorie des „gesellschaftlichen Vertrags“ basiert, bei der nur durch legale Einreise und Zustimmung zur Rechtsordnung volle „Treue“ entstehe, findet nun im konservativen Mainstream Anklang, auch wenn sie der gängigen Rechtsprechung und der historischen Intention widerspricht. Kritiker halten dem entgegen, dass alle Personen auf US-Boden den Gesetzen unterliegen und somit auch der Jurisdiktion – ein Punkt, den selbst konservative Juristen wie James C. Ho (wenn auch mit späteren Nuancierungen) früher betonten.

Mehr als nur Einwanderung: Wessen Amerika soll es sein?

Der Streit geht tiefer als reine Rechtsauslegung. Er berührt die Frage, was Amerika sein will. Der 14. Zusatz war die historische Antwort auf die menschenverachtende Dred Scott-Entscheidung von 1857, die Afroamerikanern die Staatsbürgerschaft absprach. Er sollte nach dem Bürgerkrieg Gleichheit herstellen und die Entstehung einer permanenten Unterklasse verhindern – ein „konstitutioneller Neustart“, wie es eine Juraprofessorin formulierte. Trumps Versuch, dieses Prinzip einzuschränken, wird von Kritikern als gefährliche Rückkehr zu einer Politik betrachtet, die Zugehörigkeit nach Herkunft statt nach Geburtsort definiert – als „Dred Scott II“.

Dieser Konflikt spiegelt einen alten ideologischen Kampf in den USA wider: den zwischen einem „staatsbürgerlichen Nationalismus“, der Amerika als offen für alle begreift, und einem „rassischen“ oder ethnischen Nationalismus, der bestimmte Gruppen bevorzugt und andere ausschließt. Trumps Vorstoß bedient klar letztere Strömung und knüpft an historische Wellen der Xenophobie an, wie die Einwanderungsgesetze von 1924 oder die Anti-Einwanderer-Stimmung der 1990er. Die aktuelle Debatte wird befeuert durch Ängste vor demografischem Wandel, da der Anteil nicht-weißer Amerikaner sich der 50-Prozent-Marke nähert – ein Phänomen, das auch in anderen westlichen Ländern zu restriktiveren Staatsbürgerschaftsgesetzen geführt hat.

Bürokratie-Monster und menschliche Dramen: Die Folgen der Anordnung

Würde Trumps Anordnung umgesetzt, wären die praktischen Folgen chaotisch. Derzeit reicht eine Geburtsurkunde als Nachweis der Staatsbürgerschaft für einen Pass. Künftig müssten Bundesbehörden den Status der Eltern prüfen – ein bürokratischer Albtraum. Wie sollen Staaten gezwungen werden, den Elternstatus auf Geburtsurkunden zu vermerken? Müssten alle Amerikaner künftig bei Passanträgen den Status ihrer Eltern nachweisen? Das System wäre fehleranfällig, teuer und würde gerade für Menschen mit komplexen Familiengeschichten oder fehlenden Dokumenten enorme Hürden schaffen – potenziell alle Bürger wären betroffen.

Gravierender noch wären die menschlichen Kosten. Schätzungsweise über 150.000 Kinder jährlich würden ihrer Staatsbürgerschaft beraubt, zur Staatenlosigkeit verdammt oder in einen permanenten undokumentierten Status gedrängt. Ihnen würden fundamentale Rechte und der Zugang zu staatlichen Leistungen wie Bildung und Gesundheitsversorgung verwehrt – die Schaffung einer neuen, entrechteten Unterklasse wäre die Folge. Die Angst unter Einwandererfamilien ist immens; schwangere Frauen fürchten, aus Angst vor Konsequenzen medizinische Versorgung zu meiden.

Das oft als Rechtfertigung vorgeschobene Phänomen des „Geburtstourismus“ – das gezielte Reisen in die USA zur Geburt eines Kindes, praktiziert etwa von wohlhabenderen Brasilianern über spezialisierte Agenturen – spielt in der Debatte zwar eine Rolle, betrifft aber nur einen Bruchteil der Fälle und dient eher als Vorwand. Trumps Anordnung zielt weit darüber hinaus auf die Kinder von Millionen langjährig Ansässigen.

Fazit

Donald Trumps Versuch, das Geburtsrecht per Federstrich neu zu definieren, ist ein Frontalangriff auf die amerikanische Verfassung und ihre egalitären Grundprinzipien. Er ist rechtlich extrem wackelig, ignoriert die historische Bedeutung des 14. Zusatzes als Meilenstein gegen Rassismus, würde in der Praxis Chaos stiften und enormes menschliches Leid verursachen. Während die Gerichte die Anordnung bisher konsequent blockiert haben und der Fall nun sogar vor dem Supreme Court verhandelt wird, zeigt der Vorstoß doch, wie politische Agenden versuchen können, selbst fundamental geglaubte Rechte zu erodieren. Es bleibt ein alarmierendes Beispiel dafür, wie tief der Riss durch die amerikanische Gesellschaft geht, wenn es um die Frage geht: Wer gehört dazu?

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