Angriff auf das Gedächtnis der Nation: Politische Intervention in die Smithsonian-Institution

Ein beunruhigender Schatten liegt über der Smithsonian Institution, dem weltweit größten Museums-, Bildungs- und Forschungskomplex, der das kollektive Gedächtnis der Vereinigten Staaten beherbergt. Präsident Trumps jüngster Vorstoß, die Darstellung der amerikanischen Geschichte in dieser angesehenen Institution nach seinen ideologischen Vorstellungen umzuformen, hat eine Welle der Besorgnis und Empörung ausgelöst. Ein von ihm erlassenes Dekret, das eine vermeintlich „anti-amerikanische Ideologie“ in den Museen anprangert und eine stärkere Hervorhebung der „amerikanischen Größe“ fordert, droht, die Unabhängigkeit der Smithsonian zu untergraben und die kritische Auseinandersetzung mit der komplexen Vergangenheit des Landes zu einer staatlich verordneten Glorifizierung zu verzerren. Inmitten dieser politischen Turbulenzen fällt der angekündigte Weggang des Direktors des National Museum of African American History and Culture (NMAAHC), Kevin Young – ein Ereignis, das die ohnehin angespannte Lage weiter zu verschärfen scheint. Kritiker warnen eindringlich vor einer drohenden Geschichtsklitterung und einem gefährlichen Angriff auf die freie und unvoreingenommene Erforschung der amerikanischen Vergangenheit.

Gefahr der Geschichtsklitterung durch ideologische Vorgaben

Präsident Trumps Exekutivanordnung mit dem martialisch anmutenden Titel „Wiederherstellung von Wahrheit und Vernunft in der amerikanischen Geschichte“ ist ein Frontalangriff auf das etablierte Verständnis von Geschichtswissenschaft und Museumsarbeit. Anstatt die vielschichtige und oft widersprüchliche Natur der Vergangenheit anzuerkennen, proklamiert das Dekret eine vermeintliche „revisionistische Bewegung“, die darauf abziele, die „bemerkenswerten Leistungen der Vereinigten Staaten“ in einem negativen Licht darzustellen. Diese pauschale Verurteilung ignoriert die seit Jahrzehnten etablierten wissenschaftlichen Standards, die eine kritische Reflexion historischer Ereignisse und die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven als unerlässlich erachten.

US Politik Deep Dive: Der Podcast mit Alana & Ben

Die Stoßrichtung des Präsidenten wird an seiner expliziten Kritik an einzelnen Ausstellungen und Inhalten der Smithsonian deutlich. Insbesondere das National Museum of African American History and Culture gerät ins Visier, wobei eine bereits 2020 entfernte Online-Grafik bemängelt wird, die „harte Arbeit“, „Individualismus“ und die „Kernfamilie“ als Aspekte der „weißen Kultur“ bezeichnete. Diese längst widerlegte und korrigierte Darstellung dient nun als Beleg für eine angeblich „spalterische, auf Rasse ausgerichtete Ideologie“ innerhalb der Institution. Ebenso wird die Ausstellung „The Shape of Power: Stories of Race and American Sculpture“ kritisiert, weil sie die gesellschaftliche Konstruktion von Rasse thematisiert und die Rolle von Skulpturen bei der Förderung wissenschaftlichen Rassismus‘ beleuchtet. Trumps scheinbares Unbehagen an der wissenschaftlich breit akzeptierten Erkenntnis, dass Rasse keine biologische Realität, sondern ein soziales Konstrukt ist, offenbart eine gefährliche Ignoranz gegenüber etablierten Forschungsergebnissen.

Darüber hinaus zielt das Dekret darauf ab, die geplante Aufnahme von Trans-Athletinnen im American Women’s History Museum zu verhindern. Diese Intervention in die kuratorische Planung eines noch nicht existierenden Museums demonstriert auf beunruhigende Weise den Wunsch des Präsidenten, nicht nur die Darstellung der Vergangenheit zu kontrollieren, sondern auch die Interpretation der Gegenwart nach seinen ideologischen Vorstellungen zu lenken.

Die Anordnung fordert Vizepräsident Vance auf, in seiner Rolle als Mitglied des Smithsonian Board of Regents darauf hinzuwirken, dass zukünftige Budgetmittel nur noch Programme fördern, die mit den Prioritäten des Präsidenten übereinstimmen. Dies eröffnet die beängstigende Perspektive, dass wissenschaftliche Integrität und kuratorische Freiheit künftig politischen Erwägungen untergeordnet werden könnten. Die Gefahr einer staatlich verordneten Geschichtsschreibung, die unbequeme Wahrheiten ausblendet und kritische Perspektiven unterdrückt, rückt bedrohlich nahe.

Die von Trump geforderte Fokussierung auf „amerikanische Größe“ birgt die Gefahr einer selektiven und verzerrenden Darstellung der Vergangenheit. Eine Geschichtsschreibung, die sich ausschließlich auf Triumphe und Errungenschaften konzentriert und die dunklen Kapitel der amerikanischen Geschichte – wie Sklaverei, Rassismus, die Vertreibung der indigenen Bevölkerung oder soziale Ungleichheit – marginalisiert oder gar ausblendet, würde das Land seiner Fähigkeit zur Selbstreflexion und Weiterentwicklung berauben. Wahre Größe entsteht nicht durch das Leugnen von Fehlern, sondern durch die ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und dem Willen, aus ihr zu lernen.

Bedrohte Unabhängigkeit: Wenn Politik die Geschichtsschreibung diktiert

Die Smithsonian Institution ist zwar eine „Trustinstrumentalität“ der Vereinigten Staaten und erhält einen Großteil ihrer finanziellen Mittel aus dem Bundeshaushalt, sie hat jedoch traditionell eine bemerkenswerte Unabhängigkeit in ihrer wissenschaftlichen Arbeit und kuratorischen Entscheidungsfindung genossen. Diese Autonomie ist essenziell für die Glaubwürdigkeit und Integrität einer Institution, die sich der „Vergrößerung und Verbreitung von Wissen“ verschrieben hat. Präsident Trumps direkter Eingriff in die inhaltliche Ausrichtung der Smithsonian stellt einen beispiellosen Bruch mit dieser Tradition dar.

Die Aufforderung an Vizepräsident Vance, loyale Mitglieder in das Board of Regents zu berufen, die Trumps Politik unterstützen, zielt darauf ab, die Kontrollgremien der Smithsonian mit Personen zu besetzen, die bereit sind, die ideologischen Vorgaben des Präsidenten umzusetzen. Dies birgt die Gefahr einer Politisierung der Institution bis in ihre Führungsebene und könnte die wissenschaftliche Expertise und Unabhängigkeit des Gremiums gefährden.

Die Androhung, Mittel für Ausstellungen und Programme zu streichen, die als „herabwürdigend für gemeinsame amerikanische Werte“ oder als „rassistisch spaltend“ eingestuft werden, stellt eine direkte Bedrohung für die finanzielle Stabilität und die kuratorische Freiheit der Smithsonian dar. Da ein erheblicher Teil des Budgets aus staatlichen Mitteln stammt, könnte dieser politische Druck zu einer Selbstzensur innerhalb der Institution führen, um finanzielle Konsequenzen zu vermeiden.

In diese Zeit der Auseinandersetzung fällt die Ankündigung, dass Kevin Young, der angesehene Direktor des National Museum of African American History and Culture, beurlaubt wurde. Obwohl es keine direkten Beweise für einen Zusammenhang mit dem politischen Druck auf die Smithsonian gibt, wirft dieser Abgang inmitten der Kontroverse um die Darstellung afroamerikanischer Geschichte in den Museen unweigerlich Fragen auf. Young hatte sich in seiner Amtszeit durch bedeutende Akquisitionen und innovative Ausstellungen einen Namen gemacht. Sein vorübergehender oder dauerhafter Verlust wäre ein herber Schlag für das Museum, das sich seit seiner Eröffnung 2016 zu einer zentralen Institution für das Verständnis der amerikanischen Geschichte entwickelt hat.

Die Reaktion auf Trumps Dekret war überwiegend ablehnend. Historiker, Museumsvertreter und politische Kommentatoren sehen darin einen gefährlichen Versuch, die Vergangenheit nach den Wünschen einer politischen Agenda umzuschreiben. Vergleiche mit autoritären Regimen, die versuchen, die Geschichtsschreibung im Sinne ihrer Ideologie zu manipulieren, werden laut. Die Sorge ist groß, dass die Smithsonian Institution, die seit über 175 Jahren das amerikanische Narrativ bewahrt und erweitert hat, zu einem Instrument politischer Propaganda degradiert werden könnte.

Der Smithsonian-Sekretär Lonnie G. Bunch III, der Gründungsdirektor des NMAAHC, hat in der Vergangenheit die Bedeutung von „Nuance und Komplexität“ in der Geschichtsvermittlung betont und vor einer Gegenreaktion gegen den Fortschritt in den Bürgerrechten gewarnt. Seine diplomatischen Fähigkeiten und sein Engagement für die Integrität der Institution werden nun auf eine harte Probe gestellt. Seine Reaktion auf Trumps Anordnung, in der er die Verpflichtung der Smithsonian bekräftigte, „die vielschichtigen Geschichten des außergewöhnlichen Erbes dieses Landes“ zu erzählen und sich an „wissenschaftliche Expertise und Genauigkeit“ zu halten, deutet auf einen möglichen Widerstand gegen die politischen Interventionen hin.

Die Auseinandersetzung um die Smithsonian ist mehr als nur ein Streit um Museumsinhalte. Sie ist ein Kampf um die Deutungshoheit über die amerikanische Geschichte und damit um das Selbstverständnis der Nation. Präsident Trumps Versuch, eine idealisierte und unkritische Version der amerikanischen Vergangenheit durchzusetzen, ist ein gefährlicher Angriff auf die intellektuelle Freiheit und die Fähigkeit der Bürger, sich ein umfassendes und wahrheitsgemäßes Bild ihrer Geschichte zu machen. Die Unabhängigkeit der Smithsonian Institution zu verteidigen und eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit der amerikanischen Geschichte zu gewährleisten, ist daher eine dringende Notwendigkeit für die Bewahrung einer offenen und demokratischen Gesellschaft.

Nach oben scrollen